theilten Europa gehörte Deutschland nicht. Wäre nur wenigstens dieses Eins geblieben, so hätte es auf sich selbst geruht im Mittel¬ punkte der gebildeten Erde, so wie die Sonne im Mittelpunkte der Welt; es hätte sich in Ruhe erhalten, und durch sich seine nächste Umge¬ bung, und hätte, ohne alle künstliche Vorkeh¬ rung, durch sein bloßes natürliches Daseyn, allem das Gleichgewicht gegeben. Nur der Trug des Auslandes mischte dasselbe in seine Unrechtlichkeit und seine Zwiste, und brachte ihm jenen hinterlistigen Begriff bei, als eins der wirksamsten Mittel, dasselbe über seinen wahren Vortheil zu täuschen, und es in der Täuschung zu erhalten. Dieser Zweck ist nun hinlänglich erreicht, und der beabsichtigte Er¬ folg liegt vollendet da vor unsern Augen. Kön¬ nen wir nun auch diesen nicht aufheben; warum sollen wir nicht wenigstens die Quelle desselben in unserm eignen Verstande, der fast noch das einzige ist, das unsrer Botmäßigkeit überlassen geblieben, austilgen? Warum soll das alte Traumbild noch immer uns vor die Augen gestellt werden, nachdem das Uebel uns aus
theilten Europa gehoͤrte Deutſchland nicht. Waͤre nur wenigſtens dieſes Eins geblieben, ſo haͤtte es auf ſich ſelbſt geruht im Mittel¬ punkte der gebildeten Erde, ſo wie die Sonne im Mittelpunkte der Welt; es haͤtte ſich in Ruhe erhalten, und durch ſich ſeine naͤchſte Umge¬ bung, und haͤtte, ohne alle kuͤnſtliche Vorkeh¬ rung, durch ſein bloßes natuͤrliches Daſeyn, allem das Gleichgewicht gegeben. Nur der Trug des Auslandes miſchte daſſelbe in ſeine Unrechtlichkeit und ſeine Zwiſte, und brachte ihm jenen hinterliſtigen Begriff bei, als eins der wirkſamſten Mittel, daſſelbe uͤber ſeinen wahren Vortheil zu taͤuſchen, und es in der Taͤuſchung zu erhalten. Dieſer Zweck iſt nun hinlaͤnglich erreicht, und der beabſichtigte Er¬ folg liegt vollendet da vor unſern Augen. Koͤn¬ nen wir nun auch dieſen nicht aufheben; warum ſollen wir nicht wenigſtens die Quelle deſſelben in unſerm eignen Verſtande, der faſt noch das einzige iſt, das unſrer Botmaͤßigkeit uͤberlaſſen geblieben, austilgen? Warum ſoll das alte Traumbild noch immer uns vor die Augen geſtellt werden, nachdem das Uebel uns aus
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0424"n="418"/>
theilten Europa gehoͤrte Deutſchland nicht.<lb/>
Waͤre nur wenigſtens dieſes Eins geblieben,<lb/>ſo haͤtte es auf ſich ſelbſt geruht im Mittel¬<lb/>
punkte der gebildeten Erde, ſo wie die Sonne im<lb/>
Mittelpunkte der Welt; es haͤtte ſich in Ruhe<lb/>
erhalten, und durch ſich ſeine naͤchſte Umge¬<lb/>
bung, und haͤtte, ohne alle kuͤnſtliche Vorkeh¬<lb/>
rung, durch ſein bloßes natuͤrliches Daſeyn,<lb/>
allem das Gleichgewicht gegeben. Nur der<lb/>
Trug des Auslandes miſchte daſſelbe in ſeine<lb/>
Unrechtlichkeit und ſeine Zwiſte, und brachte<lb/>
ihm jenen hinterliſtigen Begriff bei, als eins<lb/>
der wirkſamſten Mittel, daſſelbe uͤber ſeinen<lb/>
wahren Vortheil zu taͤuſchen, und es in der<lb/>
Taͤuſchung zu erhalten. Dieſer Zweck iſt nun<lb/>
hinlaͤnglich erreicht, und der beabſichtigte Er¬<lb/>
folg liegt vollendet da vor unſern Augen. Koͤn¬<lb/>
nen wir nun auch dieſen nicht aufheben; warum<lb/>ſollen wir nicht wenigſtens die Quelle deſſelben<lb/>
in unſerm eignen Verſtande, der faſt noch das<lb/>
einzige iſt, das unſrer Botmaͤßigkeit uͤberlaſſen<lb/>
geblieben, austilgen? Warum ſoll das alte<lb/>
Traumbild noch immer uns vor die Augen<lb/>
geſtellt werden, nachdem das Uebel uns aus<lb/></p></div></body></text></TEI>
[418/0424]
theilten Europa gehoͤrte Deutſchland nicht.
Waͤre nur wenigſtens dieſes Eins geblieben,
ſo haͤtte es auf ſich ſelbſt geruht im Mittel¬
punkte der gebildeten Erde, ſo wie die Sonne im
Mittelpunkte der Welt; es haͤtte ſich in Ruhe
erhalten, und durch ſich ſeine naͤchſte Umge¬
bung, und haͤtte, ohne alle kuͤnſtliche Vorkeh¬
rung, durch ſein bloßes natuͤrliches Daſeyn,
allem das Gleichgewicht gegeben. Nur der
Trug des Auslandes miſchte daſſelbe in ſeine
Unrechtlichkeit und ſeine Zwiſte, und brachte
ihm jenen hinterliſtigen Begriff bei, als eins
der wirkſamſten Mittel, daſſelbe uͤber ſeinen
wahren Vortheil zu taͤuſchen, und es in der
Taͤuſchung zu erhalten. Dieſer Zweck iſt nun
hinlaͤnglich erreicht, und der beabſichtigte Er¬
folg liegt vollendet da vor unſern Augen. Koͤn¬
nen wir nun auch dieſen nicht aufheben; warum
ſollen wir nicht wenigſtens die Quelle deſſelben
in unſerm eignen Verſtande, der faſt noch das
einzige iſt, das unſrer Botmaͤßigkeit uͤberlaſſen
geblieben, austilgen? Warum ſoll das alte
Traumbild noch immer uns vor die Augen
geſtellt werden, nachdem das Uebel uns aus
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/424>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.