Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

jener, und in der natürlichen Ansicht der Dinge
sind keinesweges die Menschen, welche inner¬
halb gewisser Berge und Flüsse wohnen, um
deswillen Ein Volk, sondern umgekehrt wohnen
die Menschen beisammen, und wenn ihr Glük
es so gefügt hat, durch Flüsse und Berge ge¬
dekt, weil sie schon früher durch ein weit höhe¬
res Naturgesez Ein Volk waren.

So saß die deutsche Nation, durch gemein¬
schaftliche Sprache und Denkart sattsam unter
sich vereinigt, und scharf genug abgeschnitten
von den andern Völkern, in der Mitte von
Europa da, als scheidender Wall nicht ver¬
wandter Stämme, zahlreich und tapfer genug,
um ihre Grenzen gegen jeden fremden Anfall zu
schützen, sich selbst überlassen durch ihre ganze
Denkart wenig geneigt, Kunde von den be¬
nachbarten Völkerschaften zu nehmen, in der¬
selben Angelegenheiten sich zu mischen, und
durch Beunruhigungen sie zur Feindseligkeit
aufzureizen. Im Verlaufe der Zeiten bewahrte
sie ihr günstiges Geschik vor dem unmittelba¬
ren Antheile am Raube der andern Welten;
dieser Begebenheit, durch welche vor allen

jener, und in der natuͤrlichen Anſicht der Dinge
ſind keinesweges die Menſchen, welche inner¬
halb gewiſſer Berge und Fluͤſſe wohnen, um
deswillen Ein Volk, ſondern umgekehrt wohnen
die Menſchen beiſammen, und wenn ihr Gluͤk
es ſo gefuͤgt hat, durch Fluͤſſe und Berge ge¬
dekt, weil ſie ſchon fruͤher durch ein weit hoͤhe¬
res Naturgeſez Ein Volk waren.

So ſaß die deutſche Nation, durch gemein¬
ſchaftliche Sprache und Denkart ſattſam unter
ſich vereinigt, und ſcharf genug abgeſchnitten
von den andern Voͤlkern, in der Mitte von
Europa da, als ſcheidender Wall nicht ver¬
wandter Staͤmme, zahlreich und tapfer genug,
um ihre Grenzen gegen jeden fremden Anfall zu
ſchuͤtzen, ſich ſelbſt uͤberlaſſen durch ihre ganze
Denkart wenig geneigt, Kunde von den be¬
nachbarten Voͤlkerſchaften zu nehmen, in der¬
ſelben Angelegenheiten ſich zu miſchen, und
durch Beunruhigungen ſie zur Feindſeligkeit
aufzureizen. Im Verlaufe der Zeiten bewahrte
ſie ihr guͤnſtiges Geſchik vor dem unmittelba¬
ren Antheile am Raube der andern Welten;
dieſer Begebenheit, durch welche vor allen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0415" n="409"/>
jener, und in der natu&#x0364;rlichen An&#x017F;icht der Dinge<lb/>
&#x017F;ind keinesweges die Men&#x017F;chen, welche inner¬<lb/>
halb gewi&#x017F;&#x017F;er Berge und Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e wohnen, um<lb/>
deswillen Ein Volk, &#x017F;ondern umgekehrt wohnen<lb/>
die Men&#x017F;chen bei&#x017F;ammen, und wenn ihr Glu&#x0364;k<lb/>
es &#x017F;o gefu&#x0364;gt hat, durch Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Berge ge¬<lb/>
dekt, weil &#x017F;ie &#x017F;chon fru&#x0364;her durch ein weit ho&#x0364;he¬<lb/>
res Naturge&#x017F;ez Ein Volk waren.</p><lb/>
        <p>So &#x017F;aß die deut&#x017F;che Nation, durch gemein¬<lb/>
&#x017F;chaftliche Sprache und Denkart &#x017F;att&#x017F;am unter<lb/>
&#x017F;ich vereinigt, und &#x017F;charf genug abge&#x017F;chnitten<lb/>
von den andern Vo&#x0364;lkern, in der Mitte von<lb/>
Europa da, als &#x017F;cheidender Wall nicht ver¬<lb/>
wandter Sta&#x0364;mme, zahlreich und tapfer genug,<lb/>
um ihre Grenzen gegen jeden fremden Anfall zu<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tzen, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en durch ihre ganze<lb/>
Denkart wenig geneigt, Kunde von den be¬<lb/>
nachbarten Vo&#x0364;lker&#x017F;chaften zu nehmen, in der¬<lb/>
&#x017F;elben Angelegenheiten &#x017F;ich zu mi&#x017F;chen, und<lb/>
durch Beunruhigungen &#x017F;ie zur Feind&#x017F;eligkeit<lb/>
aufzureizen. Im Verlaufe der Zeiten bewahrte<lb/>
&#x017F;ie ihr gu&#x0364;n&#x017F;tiges Ge&#x017F;chik vor dem unmittelba¬<lb/>
ren Antheile am Raube der andern Welten;<lb/>
die&#x017F;er Begebenheit, durch welche vor allen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[409/0415] jener, und in der natuͤrlichen Anſicht der Dinge ſind keinesweges die Menſchen, welche inner¬ halb gewiſſer Berge und Fluͤſſe wohnen, um deswillen Ein Volk, ſondern umgekehrt wohnen die Menſchen beiſammen, und wenn ihr Gluͤk es ſo gefuͤgt hat, durch Fluͤſſe und Berge ge¬ dekt, weil ſie ſchon fruͤher durch ein weit hoͤhe¬ res Naturgeſez Ein Volk waren. So ſaß die deutſche Nation, durch gemein¬ ſchaftliche Sprache und Denkart ſattſam unter ſich vereinigt, und ſcharf genug abgeſchnitten von den andern Voͤlkern, in der Mitte von Europa da, als ſcheidender Wall nicht ver¬ wandter Staͤmme, zahlreich und tapfer genug, um ihre Grenzen gegen jeden fremden Anfall zu ſchuͤtzen, ſich ſelbſt uͤberlaſſen durch ihre ganze Denkart wenig geneigt, Kunde von den be¬ nachbarten Voͤlkerſchaften zu nehmen, in der¬ ſelben Angelegenheiten ſich zu miſchen, und durch Beunruhigungen ſie zur Feindſeligkeit aufzureizen. Im Verlaufe der Zeiten bewahrte ſie ihr guͤnſtiges Geſchik vor dem unmittelba¬ ren Antheile am Raube der andern Welten; dieſer Begebenheit, durch welche vor allen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/415
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/415>, abgerufen am 23.11.2024.