ob er auch wohl das Recht habe, seine Unter¬ thanen zu Kriegsdiensten zu zwingen, und den Eltern für diesen Behuf die Kinder wegzuneh¬ men, ob nun eins von beiden, oder beide, wol¬ len, oder nicht wollen? Und dennoch ist dieser Zwang, zu Ergreifung einer dauernden Le¬ bensart wider den eignen Willen, weit bedenk¬ licher, und häufig von den nachtheiligsten Fol¬ gen für den sittlichen Zustand, und für Ge¬ sundheit und Leben der Gezwungenen; da hin¬ gegen derjenige Zwang, von dem wir reden, nach vollendeter Erziehung, die ganze persön¬ liche Freiheit zurück giebt, und gar keine an¬ dern, denn die heilbringendsten Folgen haben kann. Wohl hat man früher auch die Ergrei¬ fung der Kriegsdienste dem freien Willen über¬ lassen; nachdem sich aber gefunden, daß dieser für den beabsichtigten Zweck nicht ausreichend war, hat man kein Bedenken getragen, ihm durch Zwang nachzuhelfen; darum, weil die Sache uns wichtig genug war, und die Noth den Zwang gebot. Möchten nur euch in dieser Rücksicht uns die Augen aufgehen über unsere Noth, und der Gegenstand uns gleichfalls
ob er auch wohl das Recht habe, ſeine Unter¬ thanen zu Kriegsdienſten zu zwingen, und den Eltern fuͤr dieſen Behuf die Kinder wegzuneh¬ men, ob nun eins von beiden, oder beide, wol¬ len, oder nicht wollen? Und dennoch iſt dieſer Zwang, zu Ergreifung einer dauernden Le¬ bensart wider den eignen Willen, weit bedenk¬ licher, und haͤufig von den nachtheiligſten Fol¬ gen fuͤr den ſittlichen Zuſtand, und fuͤr Ge¬ ſundheit und Leben der Gezwungenen; da hin¬ gegen derjenige Zwang, von dem wir reden, nach vollendeter Erziehung, die ganze perſoͤn¬ liche Freiheit zuruͤck giebt, und gar keine an¬ dern, denn die heilbringendſten Folgen haben kann. Wohl hat man fruͤher auch die Ergrei¬ fung der Kriegsdienſte dem freien Willen uͤber¬ laſſen; nachdem ſich aber gefunden, daß dieſer fuͤr den beabſichtigten Zweck nicht ausreichend war, hat man kein Bedenken getragen, ihm durch Zwang nachzuhelfen; darum, weil die Sache uns wichtig genug war, und die Noth den Zwang gebot. Moͤchten nur euch in dieſer Ruͤckſicht uns die Augen aufgehen uͤber unſere Noth, und der Gegenſtand uns gleichfalls
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0367"n="361"/>
ob er auch wohl das Recht habe, ſeine Unter¬<lb/>
thanen zu Kriegsdienſten zu zwingen, und den<lb/>
Eltern fuͤr dieſen Behuf die Kinder wegzuneh¬<lb/>
men, ob nun eins von beiden, oder beide, wol¬<lb/>
len, oder nicht wollen? Und dennoch iſt dieſer<lb/>
Zwang, zu Ergreifung einer dauernden Le¬<lb/>
bensart wider den eignen Willen, weit bedenk¬<lb/>
licher, und haͤufig von den nachtheiligſten Fol¬<lb/>
gen fuͤr den ſittlichen Zuſtand, und fuͤr Ge¬<lb/>ſundheit und Leben der Gezwungenen; da hin¬<lb/>
gegen derjenige Zwang, von dem wir reden,<lb/>
nach vollendeter Erziehung, die ganze perſoͤn¬<lb/>
liche Freiheit zuruͤck giebt, und gar keine an¬<lb/>
dern, denn die heilbringendſten Folgen haben<lb/>
kann. Wohl hat man fruͤher auch die Ergrei¬<lb/>
fung der Kriegsdienſte dem freien Willen uͤber¬<lb/>
laſſen; nachdem ſich aber gefunden, daß dieſer<lb/>
fuͤr den beabſichtigten Zweck nicht ausreichend<lb/>
war, hat man kein Bedenken getragen, ihm<lb/>
durch Zwang nachzuhelfen; darum, weil die<lb/>
Sache uns wichtig genug war, und die Noth<lb/>
den Zwang gebot. Moͤchten nur euch in dieſer<lb/>
Ruͤckſicht uns die Augen aufgehen uͤber unſere<lb/>
Noth, und der Gegenſtand uns gleichfalls<lb/></p></div></body></text></TEI>
[361/0367]
ob er auch wohl das Recht habe, ſeine Unter¬
thanen zu Kriegsdienſten zu zwingen, und den
Eltern fuͤr dieſen Behuf die Kinder wegzuneh¬
men, ob nun eins von beiden, oder beide, wol¬
len, oder nicht wollen? Und dennoch iſt dieſer
Zwang, zu Ergreifung einer dauernden Le¬
bensart wider den eignen Willen, weit bedenk¬
licher, und haͤufig von den nachtheiligſten Fol¬
gen fuͤr den ſittlichen Zuſtand, und fuͤr Ge¬
ſundheit und Leben der Gezwungenen; da hin¬
gegen derjenige Zwang, von dem wir reden,
nach vollendeter Erziehung, die ganze perſoͤn¬
liche Freiheit zuruͤck giebt, und gar keine an¬
dern, denn die heilbringendſten Folgen haben
kann. Wohl hat man fruͤher auch die Ergrei¬
fung der Kriegsdienſte dem freien Willen uͤber¬
laſſen; nachdem ſich aber gefunden, daß dieſer
fuͤr den beabſichtigten Zweck nicht ausreichend
war, hat man kein Bedenken getragen, ihm
durch Zwang nachzuhelfen; darum, weil die
Sache uns wichtig genug war, und die Noth
den Zwang gebot. Moͤchten nur euch in dieſer
Ruͤckſicht uns die Augen aufgehen uͤber unſere
Noth, und der Gegenſtand uns gleichfalls
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/367>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.