fortfuhr sich eben so anzusehen, wie bisher, mit der weltlichen Macht, mit der sie bisher gar oft sogar im Widerstreite gelegen hatte, nur vereinigt; dies war der ganze Unterschied, der in dieser Rücksicht aus jener Begebenheit erfolgte. Es blieb daher auch die alte Ansicht des Erziehungswesens. Auch in den neue¬ sten Zeiten, und bis auf diesen Tag, ist die Bildung der vermögendern Stände betrach¬ tet worden, als eine Privat-Angelegenheit der Eltern, die sie nach eignem Gefallen ein¬ richten möchten, und die Kinder dieser wurden in der Regel nur dazu angeführt, daß sie sich selbst einst nüzlich würden; die einzige öffent¬ liche Erziehung aber, die des Volks, war ledig¬ lich Erziehung zur Seeligkeit im Himmel; die Hauptsache war ein wenig Christenthum, und Lesen, und falls es zu erschwingen war, Schreiben, alles um des Christenthums willen. Alle andere Entwicklung der Menschen wurde dem ohngefähren und blind wirkenden Ein¬ flusse der Gesellschaft, in welcher sie aufwuch¬ sen, und dem wirklichen Leben selbst, überlassen Sogar die Anstalten zur gelehrten Erziehung, waren vorzüglich auf die Bildung von Geistli¬
fortfuhr ſich eben ſo anzuſehen, wie bisher, mit der weltlichen Macht, mit der ſie bisher gar oft ſogar im Widerſtreite gelegen hatte, nur vereinigt; dies war der ganze Unterſchied, der in dieſer Ruͤckſicht aus jener Begebenheit erfolgte. Es blieb daher auch die alte Anſicht des Erziehungsweſens. Auch in den neue¬ ſten Zeiten, und bis auf dieſen Tag, iſt die Bildung der vermoͤgendern Staͤnde betrach¬ tet worden, als eine Privat-Angelegenheit der Eltern, die ſie nach eignem Gefallen ein¬ richten moͤchten, und die Kinder dieſer wurden in der Regel nur dazu angefuͤhrt, daß ſie ſich ſelbſt einſt nuͤzlich wuͤrden; die einzige oͤffent¬ liche Erziehung aber, die des Volks, war ledig¬ lich Erziehung zur Seeligkeit im Himmel; die Hauptſache war ein wenig Chriſtenthum, und Leſen, und falls es zu erſchwingen war, Schreiben, alles um des Chriſtenthums willen. Alle andere Entwicklung der Menſchen wurde dem ohngefaͤhren und blind wirkenden Ein¬ fluſſe der Geſellſchaft, in welcher ſie aufwuch¬ ſen, und dem wirklichen Leben ſelbſt, uͤberlaſſen Sogar die Anſtalten zur gelehrten Erziehung, waren vorzuͤglich auf die Bildung von Geiſtli¬
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fortfuhr ſich eben ſo anzuſehen, wie bisher,
mit der weltlichen Macht, mit der ſie bisher
gar oft ſogar im Widerſtreite gelegen hatte,
nur vereinigt; dies war der ganze Unterſchied,
der in dieſer Ruͤckſicht aus jener Begebenheit
erfolgte. Es blieb daher auch die alte Anſicht
des Erziehungsweſens. Auch in den neue¬
ſten Zeiten, und bis auf dieſen Tag, iſt die
Bildung der vermoͤgendern Staͤnde betrach¬
tet worden, als eine Privat-Angelegenheit
der Eltern, die ſie nach eignem Gefallen ein¬
richten moͤchten, und die Kinder dieſer wurden
in der Regel nur dazu angefuͤhrt, daß ſie ſich
ſelbſt einſt nuͤzlich wuͤrden; die einzige oͤffent¬
liche Erziehung aber, die des Volks, war ledig¬
lich Erziehung zur Seeligkeit im Himmel; die
Hauptſache war ein wenig Chriſtenthum, und
Leſen, und falls es zu erſchwingen war,
Schreiben, alles um des Chriſtenthums willen.
Alle andere Entwicklung der Menſchen wurde
dem ohngefaͤhren und blind wirkenden Ein¬
fluſſe der Geſellſchaft, in welcher ſie aufwuch¬
ſen, und dem wirklichen Leben ſelbſt, uͤberlaſſen
Sogar die Anſtalten zur gelehrten Erziehung,
waren vorzuͤglich auf die Bildung von Geiſtli¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/352>, abgerufen am 23.11.2024.
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