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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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Bilden ihn lernen zu lassen, alles, was er lernt:
denn nur von dem freientworfenen ist An¬
schauung möglich. Daß der Erfinder es wirk¬
lich also meint, und keinesweges unter An¬
schauung jene blindtappende und betastende
Wahrnehmung versteht, beweist die nachher
angegebene Ausübung. Gleichfalls ganz rich¬
tig wird dieser Anregung der Anschauung des
Zöglings durch die Erziehung das allgemeine,
und sehr tief eingreifende Gesez gegeben, hier¬
in mit dem Anfange und Fortschritte der zu
entwikelnden Kräfte des Kindes genau Schritt
zu halten.

Dagegen haben die gesammten Mißgriffe
dieses Pestalozzischen Unterrichts-Plans in
Ausdrüken und Vorschlägen die Eine gemein¬
schaftliche Quelle, daß der dürftige und be¬
grenzte Zwek, auf welchen anfangs ausgegan¬
gen wurde, äußerst vernachlässigten Kindern
aus dem Volke, unter der Voraussetzung, daß
das Ganze bliebe, so wie es ist, die nothdürf¬
tigste Hülfe zu leisten, von einer Seite, und
von der andern, das zu einem weit höhern
Zweke führende Mittel, in Vermengung und
Widerstreit mit einander gerathen; und man

Bilden ihn lernen zu laſſen, alles, was er lernt:
denn nur von dem freientworfenen iſt An¬
ſchauung moͤglich. Daß der Erfinder es wirk¬
lich alſo meint, und keinesweges unter An¬
ſchauung jene blindtappende und betaſtende
Wahrnehmung verſteht, beweiſt die nachher
angegebene Ausuͤbung. Gleichfalls ganz rich¬
tig wird dieſer Anregung der Anſchauung des
Zoͤglings durch die Erziehung das allgemeine,
und ſehr tief eingreifende Geſez gegeben, hier¬
in mit dem Anfange und Fortſchritte der zu
entwikelnden Kraͤfte des Kindes genau Schritt
zu halten.

Dagegen haben die geſammten Mißgriffe
dieſes Peſtalozziſchen Unterrichts-Plans in
Ausdruͤken und Vorſchlaͤgen die Eine gemein¬
ſchaftliche Quelle, daß der duͤrftige und be¬
grenzte Zwek, auf welchen anfangs ausgegan¬
gen wurde, aͤußerſt vernachlaͤſſigten Kindern
aus dem Volke, unter der Vorausſetzung, daß
das Ganze bliebe, ſo wie es iſt, die nothduͤrf¬
tigſte Huͤlfe zu leiſten, von einer Seite, und
von der andern, das zu einem weit hoͤhern
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[297/0303] Bilden ihn lernen zu laſſen, alles, was er lernt: denn nur von dem freientworfenen iſt An¬ ſchauung moͤglich. Daß der Erfinder es wirk¬ lich alſo meint, und keinesweges unter An¬ ſchauung jene blindtappende und betaſtende Wahrnehmung verſteht, beweiſt die nachher angegebene Ausuͤbung. Gleichfalls ganz rich¬ tig wird dieſer Anregung der Anſchauung des Zoͤglings durch die Erziehung das allgemeine, und ſehr tief eingreifende Geſez gegeben, hier¬ in mit dem Anfange und Fortſchritte der zu entwikelnden Kraͤfte des Kindes genau Schritt zu halten. Dagegen haben die geſammten Mißgriffe dieſes Peſtalozziſchen Unterrichts-Plans in Ausdruͤken und Vorſchlaͤgen die Eine gemein¬ ſchaftliche Quelle, daß der duͤrftige und be¬ grenzte Zwek, auf welchen anfangs ausgegan¬ gen wurde, aͤußerſt vernachlaͤſſigten Kindern aus dem Volke, unter der Vorausſetzung, daß das Ganze bliebe, ſo wie es iſt, die nothduͤrf¬ tigſte Huͤlfe zu leiſten, von einer Seite, und von der andern, das zu einem weit hoͤhern Zweke fuͤhrende Mittel, in Vermengung und Widerſtreit mit einander gerathen; und man

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/303>, abgerufen am 25.11.2024.