Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

man selbst bis jezt noch nicht den eigentlichen
Inhalt, und die Absicht dieser unsrer Reden,
und den Sinn, in welchem alle unsere Aeuße¬
rungen zu nehmen sind, zu fassen vermöchte.

Um es noch kürzer zu fassen: immer unter
unsrer Voraussetzung, sind den unmündigen
ihre väterlichen, und blutsverwandten Vor¬
münder abgegangen, und Herren an ihre
Stelle getreten; sollen jene unmündige nicht
gar Sklaven werden, so müssen sie eben der
Vormundschaft entlassen, und, damit sie dieses
können, zu allererst zur Mündigkeit erzogen
werden. Die deutsche Vaterlandsliebe hat
ihren Sitz verloren; sie soll einen andern brei¬
tern, und tiefern erhalten, in welcher sie in ru¬
higer Verborgenheit sich begründe und stähle,
und zu rechter Zeit in jugendlicher Kraft hervor¬
breche, und auch dem Staate die verlorne
Selbstständigkeit wieder gebe. Wegen des lez¬
tern können nun, sowohl das Ausland als die
kleinlichen und engherzigen Trübseeligkeiten
unter uns selbst, in Ruhe verbleiben; man kann
zu ihrer aller Troste sie versichern, daß sie es
insgesammt nicht erleben werden, und daß die

man ſelbſt bis jezt noch nicht den eigentlichen
Inhalt, und die Abſicht dieſer unſrer Reden,
und den Sinn, in welchem alle unſere Aeuße¬
rungen zu nehmen ſind, zu faſſen vermoͤchte.

Um es noch kuͤrzer zu faſſen: immer unter
unſrer Vorausſetzung, ſind den unmuͤndigen
ihre vaͤterlichen, und blutsverwandten Vor¬
muͤnder abgegangen, und Herren an ihre
Stelle getreten; ſollen jene unmuͤndige nicht
gar Sklaven werden, ſo muͤſſen ſie eben der
Vormundſchaft entlaſſen, und, damit ſie dieſes
koͤnnen, zu allererſt zur Muͤndigkeit erzogen
werden. Die deutſche Vaterlandsliebe hat
ihren Sitz verloren; ſie ſoll einen andern brei¬
tern, und tiefern erhalten, in welcher ſie in ru¬
higer Verborgenheit ſich begruͤnde und ſtaͤhle,
und zu rechter Zeit in jugendlicher Kraft hervor¬
breche, und auch dem Staate die verlorne
Selbſtſtaͤndigkeit wieder gebe. Wegen des lez¬
tern koͤnnen nun, ſowohl das Ausland als die
kleinlichen und engherzigen Truͤbſeeligkeiten
unter uns ſelbſt, in Ruhe verbleiben; man kann
zu ihrer aller Troſte ſie verſichern, daß ſie es
insgeſammt nicht erleben werden, und daß die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0292" n="286"/>
man &#x017F;elb&#x017F;t bis jezt noch nicht den eigentlichen<lb/>
Inhalt, und die Ab&#x017F;icht die&#x017F;er un&#x017F;rer Reden,<lb/>
und den Sinn, in welchem alle un&#x017F;ere Aeuße¬<lb/>
rungen zu nehmen &#x017F;ind, zu fa&#x017F;&#x017F;en vermo&#x0364;chte.</p><lb/>
        <p>Um es noch ku&#x0364;rzer zu fa&#x017F;&#x017F;en: immer unter<lb/>
un&#x017F;rer Voraus&#x017F;etzung, &#x017F;ind den unmu&#x0364;ndigen<lb/>
ihre va&#x0364;terlichen, und blutsverwandten Vor¬<lb/>
mu&#x0364;nder abgegangen, und Herren an ihre<lb/>
Stelle getreten; &#x017F;ollen jene unmu&#x0364;ndige nicht<lb/>
gar Sklaven werden, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie eben der<lb/>
Vormund&#x017F;chaft entla&#x017F;&#x017F;en, und, damit &#x017F;ie die&#x017F;es<lb/>
ko&#x0364;nnen, zu allerer&#x017F;t zur Mu&#x0364;ndigkeit erzogen<lb/>
werden. Die deut&#x017F;che Vaterlandsliebe hat<lb/>
ihren Sitz verloren; &#x017F;ie &#x017F;oll einen andern brei¬<lb/>
tern, und tiefern erhalten, in welcher &#x017F;ie in ru¬<lb/>
higer Verborgenheit &#x017F;ich begru&#x0364;nde und &#x017F;ta&#x0364;hle,<lb/>
und zu rechter Zeit in jugendlicher Kraft hervor¬<lb/>
breche, und auch dem Staate die verlorne<lb/>
Selb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit wieder gebe. Wegen des lez¬<lb/>
tern ko&#x0364;nnen nun, &#x017F;owohl das Ausland als die<lb/>
kleinlichen und engherzigen Tru&#x0364;b&#x017F;eeligkeiten<lb/>
unter uns &#x017F;elb&#x017F;t, in Ruhe verbleiben; man kann<lb/>
zu ihrer aller Tro&#x017F;te &#x017F;ie ver&#x017F;ichern, daß &#x017F;ie es<lb/>
insge&#x017F;ammt nicht erleben werden, und daß die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0292] man ſelbſt bis jezt noch nicht den eigentlichen Inhalt, und die Abſicht dieſer unſrer Reden, und den Sinn, in welchem alle unſere Aeuße¬ rungen zu nehmen ſind, zu faſſen vermoͤchte. Um es noch kuͤrzer zu faſſen: immer unter unſrer Vorausſetzung, ſind den unmuͤndigen ihre vaͤterlichen, und blutsverwandten Vor¬ muͤnder abgegangen, und Herren an ihre Stelle getreten; ſollen jene unmuͤndige nicht gar Sklaven werden, ſo muͤſſen ſie eben der Vormundſchaft entlaſſen, und, damit ſie dieſes koͤnnen, zu allererſt zur Muͤndigkeit erzogen werden. Die deutſche Vaterlandsliebe hat ihren Sitz verloren; ſie ſoll einen andern brei¬ tern, und tiefern erhalten, in welcher ſie in ru¬ higer Verborgenheit ſich begruͤnde und ſtaͤhle, und zu rechter Zeit in jugendlicher Kraft hervor¬ breche, und auch dem Staate die verlorne Selbſtſtaͤndigkeit wieder gebe. Wegen des lez¬ tern koͤnnen nun, ſowohl das Ausland als die kleinlichen und engherzigen Truͤbſeeligkeiten unter uns ſelbſt, in Ruhe verbleiben; man kann zu ihrer aller Troſte ſie verſichern, daß ſie es insgeſammt nicht erleben werden, und daß die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/292
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/292>, abgerufen am 17.05.2024.