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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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Gemüths in eine andere kommen sollte, was
würde sodann nothwendig erfolgen müssen?

Hier ist der Ort, wo es der in unsrer ersten
Rede in Anspruch genommenen Geneigtheit,
sich über die eignen Angelegenheiten nicht täu¬
schen zu wollen, und des Muthes, die Wahr¬
heit sehen zu wollen, und sie sich zu gestehen,
vorzüglich bedarf; auch ist es, so viel mir be¬
kannt, noch immer erlaubt, in deutscher
Sprache mit einander vom Vaterlande zu re¬
den, wenigstens zu seufzen, und wir würden,
glaube ich, nicht wohl thun, wenn wir aus
unsrer eignen Mitte heraus ein solches Verbot
verfrühten, und dem Muthe, der ohne Zwei¬
fel über das Wagniß schon vorher mit sich zu
Rathe gegangen seyn wird, die Fessel der Zag¬
haftigkeit Einzelner anlegen wollten.

Mahlen Sie sich also die vorausgesezte
neue Gewalt so gütig, und so wohlwollend vor,
als Sie irgend wollen, machen Sie sie gut,
wie Gott; werden Sie ihr auch göttlichen Ver¬
stand einsetzen können? Mag sie alles Ernstes
das höchste Glück und Wohlsein aller wollen,
wird das höchste Wohlseyn, das sie zu fassen

Gemuͤths in eine andere kommen ſollte, was
wuͤrde ſodann nothwendig erfolgen muͤſſen?

Hier iſt der Ort, wo es der in unſrer erſten
Rede in Anſpruch genommenen Geneigtheit,
ſich uͤber die eignen Angelegenheiten nicht taͤu¬
ſchen zu wollen, und des Muthes, die Wahr¬
heit ſehen zu wollen, und ſie ſich zu geſtehen,
vorzuͤglich bedarf; auch iſt es, ſo viel mir be¬
kannt, noch immer erlaubt, in deutſcher
Sprache mit einander vom Vaterlande zu re¬
den, wenigſtens zu ſeufzen, und wir wuͤrden,
glaube ich, nicht wohl thun, wenn wir aus
unſrer eignen Mitte heraus ein ſolches Verbot
verfruͤhten, und dem Muthe, der ohne Zwei¬
fel uͤber das Wagniß ſchon vorher mit ſich zu
Rathe gegangen ſeyn wird, die Feſſel der Zag¬
haftigkeit Einzelner anlegen wollten.

Mahlen Sie ſich alſo die vorausgeſezte
neue Gewalt ſo guͤtig, und ſo wohlwollend vor,
als Sie irgend wollen, machen Sie ſie gut,
wie Gott; werden Sie ihr auch goͤttlichen Ver¬
ſtand einſetzen koͤnnen? Mag ſie alles Ernſtes
das hoͤchſte Gluͤck und Wohlſein aller wollen,
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[276/0282] Gemuͤths in eine andere kommen ſollte, was wuͤrde ſodann nothwendig erfolgen muͤſſen? Hier iſt der Ort, wo es der in unſrer erſten Rede in Anſpruch genommenen Geneigtheit, ſich uͤber die eignen Angelegenheiten nicht taͤu¬ ſchen zu wollen, und des Muthes, die Wahr¬ heit ſehen zu wollen, und ſie ſich zu geſtehen, vorzuͤglich bedarf; auch iſt es, ſo viel mir be¬ kannt, noch immer erlaubt, in deutſcher Sprache mit einander vom Vaterlande zu re¬ den, wenigſtens zu ſeufzen, und wir wuͤrden, glaube ich, nicht wohl thun, wenn wir aus unſrer eignen Mitte heraus ein ſolches Verbot verfruͤhten, und dem Muthe, der ohne Zwei¬ fel uͤber das Wagniß ſchon vorher mit ſich zu Rathe gegangen ſeyn wird, die Feſſel der Zag¬ haftigkeit Einzelner anlegen wollten. Mahlen Sie ſich alſo die vorausgeſezte neue Gewalt ſo guͤtig, und ſo wohlwollend vor, als Sie irgend wollen, machen Sie ſie gut, wie Gott; werden Sie ihr auch goͤttlichen Ver¬ ſtand einſetzen koͤnnen? Mag ſie alles Ernſtes das hoͤchſte Gluͤck und Wohlſein aller wollen, wird das hoͤchſte Wohlſeyn, das ſie zu faſſen

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/282>, abgerufen am 16.07.2024.