sondern es war ihm erlaubt, dieselbe zu suchen. Wer durch die Richtung, die seine Bildung nahm, mit seiner nächsten Umgebung entzweit wurde, fand leicht anderwärts willige Auf¬ nahme, fand neue Freunde statt der verlohr¬ nen, fand Zeit und Ruhe, um sich näher zu erklären, vielleicht die erzürnten selbst zu ge¬ winnen und zu versöhnen, und so das Ganze zu einigen. Kein deutschgebohrner Fürst hat es je über sich vermocht, seinen Unterthanen das Vaterland innerhalb der Berge, oder Flüsse, wo er regierte, abzustekken, und diesel¬ ben zu betrachten, als gebunden an die Erd¬ scholle. Eine Wahrheit, die an einem Orte nicht laut werden durfte, durfte es an einem andern, an welchem vielleicht im Gegentheile diejenigen verboten waren, die dort erlaubt wurden; und so fand denn, bei manchen Ein¬ seitigkeiten und Engherzigkeiten der besondern Staaten, dennoch in Deutschland, dieses als ein Ganzes genommen, die höchste Freiheit der Erforschung und der Mittheilung statt, die jemals ein Volk besessen; und die höhere Bil¬ dung war und blieb allenthalben der Erfolg
ſondern es war ihm erlaubt, dieſelbe zu ſuchen. Wer durch die Richtung, die ſeine Bildung nahm, mit ſeiner naͤchſten Umgebung entzweit wurde, fand leicht anderwaͤrts willige Auf¬ nahme, fand neue Freunde ſtatt der verlohr¬ nen, fand Zeit und Ruhe, um ſich naͤher zu erklaͤren, vielleicht die erzuͤrnten ſelbſt zu ge¬ winnen und zu verſoͤhnen, und ſo das Ganze zu einigen. Kein deutſchgebohrner Fuͤrſt hat es je uͤber ſich vermocht, ſeinen Unterthanen das Vaterland innerhalb der Berge, oder Fluͤſſe, wo er regierte, abzuſtekken, und dieſel¬ ben zu betrachten, als gebunden an die Erd¬ ſcholle. Eine Wahrheit, die an einem Orte nicht laut werden durfte, durfte es an einem andern, an welchem vielleicht im Gegentheile diejenigen verboten waren, die dort erlaubt wurden; und ſo fand denn, bei manchen Ein¬ ſeitigkeiten und Engherzigkeiten der beſondern Staaten, dennoch in Deutſchland, dieſes als ein Ganzes genommen, die hoͤchſte Freiheit der Erforſchung und der Mittheilung ſtatt, die jemals ein Volk beſeſſen; und die hoͤhere Bil¬ dung war und blieb allenthalben der Erfolg
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ſondern es war ihm erlaubt, dieſelbe zu ſuchen.
Wer durch die Richtung, die ſeine Bildung
nahm, mit ſeiner naͤchſten Umgebung entzweit
wurde, fand leicht anderwaͤrts willige Auf¬
nahme, fand neue Freunde ſtatt der verlohr¬
nen, fand Zeit und Ruhe, um ſich naͤher zu
erklaͤren, vielleicht die erzuͤrnten ſelbſt zu ge¬
winnen und zu verſoͤhnen, und ſo das Ganze
zu einigen. Kein deutſchgebohrner Fuͤrſt hat
es je uͤber ſich vermocht, ſeinen Unterthanen
das Vaterland innerhalb der Berge, oder
Fluͤſſe, wo er regierte, abzuſtekken, und dieſel¬
ben zu betrachten, als gebunden an die Erd¬
ſcholle. Eine Wahrheit, die an einem Orte
nicht laut werden durfte, durfte es an einem
andern, an welchem vielleicht im Gegentheile
diejenigen verboten waren, die dort erlaubt
wurden; und ſo fand denn, bei manchen Ein¬
ſeitigkeiten und Engherzigkeiten der beſondern
Staaten, dennoch in Deutſchland, dieſes als
ein Ganzes genommen, die hoͤchſte Freiheit
der Erforſchung und der Mittheilung ſtatt, die
jemals ein Volk beſeſſen; und die hoͤhere Bil¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/280>, abgerufen am 25.11.2024.
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