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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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Punkt kommt. Wer gar kein Ziel sich gesezt
hat, sondern alles, und das höchste, was man
hienieden verlieren kann, das Leben, daran
sezt, giebt den Widerstand nie auf, und siegt,
so der Gegner ein begrenzteres Ziel hat, ohne
Zweifel. Ein Volk, das da fähig ist, sey es
auch nur in seinen höchsten Stellvertretern,
und Anführern, das Gesicht aus der Geister¬
welt, Selbstständigkeit, fest ins Auge zu fassen,
und von der Liebe dafür ergriffen zu werden,
wie unsre ältesten Vorfahren, siegt gewiß über
ein solches, das nur zum Werkzeuge fremder
Herrschsucht, und zu Unterjochung selbstständiger
Völker gebraucht wird, wie die Römischen
Heere; denn die erstern haben alles zu verlie¬
ren, die leztern bloß einiges zu gewinnen.
Ueber die Denkart aber, die den Krieg als ein
Glüksspiel ansieht, um zeitlichen Gewinn oder
Verlust, und bei der schon, ehe sie das Spiel
anfängt, fest steht, bis zu welcher Summe sie
auf die Charten setzen wolle, siegt sogar eine
Grille. Denken sie sich z. B. einen Maho¬
met, -- nicht den wirklichen der Geschichte,
über welchen ich kein Urtheil zu haben bekenne,

Punkt kommt. Wer gar kein Ziel ſich geſezt
hat, ſondern alles, und das hoͤchſte, was man
hienieden verlieren kann, das Leben, daran
ſezt, giebt den Widerſtand nie auf, und ſiegt,
ſo der Gegner ein begrenzteres Ziel hat, ohne
Zweifel. Ein Volk, das da faͤhig iſt, ſey es
auch nur in ſeinen hoͤchſten Stellvertretern,
und Anfuͤhrern, das Geſicht aus der Geiſter¬
welt, Selbſtſtaͤndigkeit, feſt ins Auge zu faſſen,
und von der Liebe dafuͤr ergriffen zu werden,
wie unſre aͤlteſten Vorfahren, ſiegt gewiß uͤber
ein ſolches, das nur zum Werkzeuge fremder
Herrſchſucht, und zu Unterjochung ſelbſtſtaͤndiger
Voͤlker gebraucht wird, wie die Roͤmiſchen
Heere; denn die erſtern haben alles zu verlie¬
ren, die leztern bloß einiges zu gewinnen.
Ueber die Denkart aber, die den Krieg als ein
Gluͤksſpiel anſieht, um zeitlichen Gewinn oder
Verluſt, und bei der ſchon, ehe ſie das Spiel
anfaͤngt, feſt ſteht, bis zu welcher Summe ſie
auf die Charten ſetzen wolle, ſiegt ſogar eine
Grille. Denken ſie ſich z. B. einen Maho¬
met, — nicht den wirklichen der Geſchichte,
uͤber welchen ich kein Urtheil zu haben bekenne,

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[270/0276] Punkt kommt. Wer gar kein Ziel ſich geſezt hat, ſondern alles, und das hoͤchſte, was man hienieden verlieren kann, das Leben, daran ſezt, giebt den Widerſtand nie auf, und ſiegt, ſo der Gegner ein begrenzteres Ziel hat, ohne Zweifel. Ein Volk, das da faͤhig iſt, ſey es auch nur in ſeinen hoͤchſten Stellvertretern, und Anfuͤhrern, das Geſicht aus der Geiſter¬ welt, Selbſtſtaͤndigkeit, feſt ins Auge zu faſſen, und von der Liebe dafuͤr ergriffen zu werden, wie unſre aͤlteſten Vorfahren, ſiegt gewiß uͤber ein ſolches, das nur zum Werkzeuge fremder Herrſchſucht, und zu Unterjochung ſelbſtſtaͤndiger Voͤlker gebraucht wird, wie die Roͤmiſchen Heere; denn die erſtern haben alles zu verlie¬ ren, die leztern bloß einiges zu gewinnen. Ueber die Denkart aber, die den Krieg als ein Gluͤksſpiel anſieht, um zeitlichen Gewinn oder Verluſt, und bei der ſchon, ehe ſie das Spiel anfaͤngt, feſt ſteht, bis zu welcher Summe ſie auf die Charten ſetzen wolle, ſiegt ſogar eine Grille. Denken ſie ſich z. B. einen Maho¬ met, — nicht den wirklichen der Geſchichte, uͤber welchen ich kein Urtheil zu haben bekenne,

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/276>, abgerufen am 16.07.2024.