Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

darin noch weit übler daran seyn, als das Bi¬
ber- oder Bienengeschlecht, daß das leztere,
wie es zwar nichts zulernt, dennoch auch in
seiner Kunst nicht zurükkommt, der Mensch
aber, wenn er auch einmal den Gipfel erreichte,
wiederum zurükgeschleudert wird, und nun
Jahrhunderte oder Tausende sich anstrengen
mag, um wiederum in den Punkt hinein zn
gerathen, in welchem man ihn lieber gleich
hätte lassen sollen. Dergleichen Scheitel-
Punkte seiner Bildung und goldene Zeitalter
wird, diesen zu Folge, das Menschengeschlecht
ohne Zweifel auch schon erreicht haben; diese
in der Geschichte aufzusuchen, und nach ihnen
alle Bestrebungen der Menschheit zu beurthei¬
len, und auf sie sie zurükzuführen, wird ihr eif¬
rigstes Bestreben seyn. Nach ihnen ist die Ge¬
schichte längst fertig, und ist schon mehrmals
fertig gewesen; nach ihnen geschieht nichts
neues unter der Sonne, denn sie haben unter
und über der Sonne den Quell des ewigen
Fortlebens ausgetilgt, und lassen nur den im¬
mer wiederkehrenden Tod sich wiederholen und
mehrere male setzen.

Es ist bekannt, daß diese Philosophie der

Ge¬

darin noch weit uͤbler daran ſeyn, als das Bi¬
ber- oder Bienengeſchlecht, daß das leztere,
wie es zwar nichts zulernt, dennoch auch in
ſeiner Kunſt nicht zuruͤkkommt, der Menſch
aber, wenn er auch einmal den Gipfel erreichte,
wiederum zuruͤkgeſchleudert wird, und nun
Jahrhunderte oder Tauſende ſich anſtrengen
mag, um wiederum in den Punkt hinein zn
gerathen, in welchem man ihn lieber gleich
haͤtte laſſen ſollen. Dergleichen Scheitel-
Punkte ſeiner Bildung und goldene Zeitalter
wird, dieſen zu Folge, das Menſchengeſchlecht
ohne Zweifel auch ſchon erreicht haben; dieſe
in der Geſchichte aufzuſuchen, und nach ihnen
alle Beſtrebungen der Menſchheit zu beurthei¬
len, und auf ſie ſie zuruͤkzufuͤhren, wird ihr eif¬
rigſtes Beſtreben ſeyn. Nach ihnen iſt die Ge¬
ſchichte laͤngſt fertig, und iſt ſchon mehrmals
fertig geweſen; nach ihnen geſchieht nichts
neues unter der Sonne, denn ſie haben unter
und uͤber der Sonne den Quell des ewigen
Fortlebens ausgetilgt, und laſſen nur den im¬
mer wiederkehrenden Tod ſich wiederholen und
mehrere male ſetzen.

Es iſt bekannt, daß dieſe Philoſophie der

Ge¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0230" n="224"/>
darin noch weit u&#x0364;bler daran &#x017F;eyn, als das Bi¬<lb/>
ber- oder Bienenge&#x017F;chlecht, daß das leztere,<lb/>
wie es zwar nichts zulernt, dennoch auch in<lb/>
&#x017F;einer Kun&#x017F;t nicht zuru&#x0364;kkommt, der Men&#x017F;ch<lb/>
aber, wenn er auch einmal den Gipfel erreichte,<lb/>
wiederum zuru&#x0364;kge&#x017F;chleudert wird, und nun<lb/>
Jahrhunderte oder Tau&#x017F;ende &#x017F;ich an&#x017F;trengen<lb/>
mag, um wiederum in den Punkt hinein zn<lb/>
gerathen, in welchem man ihn lieber gleich<lb/>
ha&#x0364;tte la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen. Dergleichen Scheitel-<lb/>
Punkte &#x017F;einer Bildung und goldene Zeitalter<lb/>
wird, die&#x017F;en zu Folge, das Men&#x017F;chenge&#x017F;chlecht<lb/>
ohne Zweifel auch &#x017F;chon erreicht haben; die&#x017F;e<lb/>
in der Ge&#x017F;chichte aufzu&#x017F;uchen, und nach ihnen<lb/>
alle Be&#x017F;trebungen der Men&#x017F;chheit zu beurthei¬<lb/>
len, und auf &#x017F;ie &#x017F;ie zuru&#x0364;kzufu&#x0364;hren, wird ihr eif¬<lb/>
rig&#x017F;tes Be&#x017F;treben &#x017F;eyn. Nach ihnen i&#x017F;t die Ge¬<lb/>
&#x017F;chichte la&#x0364;ng&#x017F;t fertig, und i&#x017F;t &#x017F;chon mehrmals<lb/>
fertig gewe&#x017F;en; nach ihnen ge&#x017F;chieht nichts<lb/>
neues unter der Sonne, denn &#x017F;ie haben unter<lb/>
und u&#x0364;ber der Sonne den Quell des ewigen<lb/>
Fortlebens ausgetilgt, und la&#x017F;&#x017F;en nur den im¬<lb/>
mer wiederkehrenden Tod &#x017F;ich wiederholen und<lb/>
mehrere male &#x017F;etzen.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t bekannt, daß die&#x017F;e Philo&#x017F;ophie der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ge¬<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0230] darin noch weit uͤbler daran ſeyn, als das Bi¬ ber- oder Bienengeſchlecht, daß das leztere, wie es zwar nichts zulernt, dennoch auch in ſeiner Kunſt nicht zuruͤkkommt, der Menſch aber, wenn er auch einmal den Gipfel erreichte, wiederum zuruͤkgeſchleudert wird, und nun Jahrhunderte oder Tauſende ſich anſtrengen mag, um wiederum in den Punkt hinein zn gerathen, in welchem man ihn lieber gleich haͤtte laſſen ſollen. Dergleichen Scheitel- Punkte ſeiner Bildung und goldene Zeitalter wird, dieſen zu Folge, das Menſchengeſchlecht ohne Zweifel auch ſchon erreicht haben; dieſe in der Geſchichte aufzuſuchen, und nach ihnen alle Beſtrebungen der Menſchheit zu beurthei¬ len, und auf ſie ſie zuruͤkzufuͤhren, wird ihr eif¬ rigſtes Beſtreben ſeyn. Nach ihnen iſt die Ge¬ ſchichte laͤngſt fertig, und iſt ſchon mehrmals fertig geweſen; nach ihnen geſchieht nichts neues unter der Sonne, denn ſie haben unter und uͤber der Sonne den Quell des ewigen Fortlebens ausgetilgt, und laſſen nur den im¬ mer wiederkehrenden Tod ſich wiederholen und mehrere male ſetzen. Es iſt bekannt, daß dieſe Philoſophie der Ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/230
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/230>, abgerufen am 08.05.2024.