Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

wie das Ausland, an die schroffe Spitze, den
Fürsten, sondern sie will sich mit derselben an
die breite Fläche, an die Nation wenden, indem
ja ohne Zweifel auch der Fürst zu dieser gehö¬
ren wird. So wie der Staat an den Perso¬
nen seiner erwachsenen Bürger die fortgesezte
Erziehung des Menschengeschlechts ist, so müsse,
meint diese Staatskunst, der künftige Bürger
selbst erst zur Empfänglichkeit jener höher
Erziehung herauferzogen werden. Hierdurch
wird nun diese deutsche, und allerneueste
Staatskunst wiederum die allerälteste; denn
auch diese bei den Griechen gründete das Bür¬
gerthum auf die Erziehung, und bildete Bür¬
ger, wie die folgenden Zeitalter sie nicht wie¬
der gesehen haben. In der Form dasselbe, in
dem Gehalte mit nicht engherzigem, und aus¬
schließendem, sondern allgemeinem und welt¬
bürgerlichem Geiste, wird hinführo der Deut¬
sche thun.

Derselbe Geist des Auslandes herrscht bei
der großen Mehrzahl der unsrigen auch in ih¬
rer Ansicht des gesammten Lebens eines Men¬
schengeschlechts, und der Geschichte, als dem
Bilde jenes Lebens. Eine Nation, die eine

wie das Ausland, an die ſchroffe Spitze, den
Fuͤrſten, ſondern ſie will ſich mit derſelben an
die breite Flaͤche, an die Nation wenden, indem
ja ohne Zweifel auch der Fuͤrſt zu dieſer gehoͤ¬
ren wird. So wie der Staat an den Perſo¬
nen ſeiner erwachſenen Buͤrger die fortgeſezte
Erziehung des Menſchengeſchlechts iſt, ſo muͤſſe,
meint dieſe Staatskunſt, der kuͤnftige Buͤrger
ſelbſt erſt zur Empfaͤnglichkeit jener hoͤher
Erziehung herauferzogen werden. Hierdurch
wird nun dieſe deutſche, und allerneueſte
Staatskunſt wiederum die alleraͤlteſte; denn
auch dieſe bei den Griechen gruͤndete das Buͤr¬
gerthum auf die Erziehung, und bildete Buͤr¬
ger, wie die folgenden Zeitalter ſie nicht wie¬
der geſehen haben. In der Form daſſelbe, in
dem Gehalte mit nicht engherzigem, und aus¬
ſchließendem, ſondern allgemeinem und welt¬
buͤrgerlichem Geiſte, wird hinfuͤhro der Deut¬
ſche thun.

Derſelbe Geiſt des Auslandes herrſcht bei
der großen Mehrzahl der unſrigen auch in ih¬
rer Anſicht des geſammten Lebens eines Men¬
ſchengeſchlechts, und der Geſchichte, als dem
Bilde jenes Lebens. Eine Nation, die eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0228" n="222"/>
wie das Ausland, an die &#x017F;chroffe Spitze, den<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten, &#x017F;ondern &#x017F;ie will &#x017F;ich mit der&#x017F;elben an<lb/>
die breite Fla&#x0364;che, an die Nation wenden, indem<lb/>
ja ohne Zweifel auch der Fu&#x0364;r&#x017F;t zu die&#x017F;er geho&#x0364;¬<lb/>
ren wird. So wie der Staat an den Per&#x017F;<lb/>
nen &#x017F;einer erwach&#x017F;enen Bu&#x0364;rger die fortge&#x017F;ezte<lb/>
Erziehung des Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechts i&#x017F;t, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
meint die&#x017F;e Staatskun&#x017F;t, der ku&#x0364;nftige Bu&#x0364;rger<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;t zur Empfa&#x0364;nglichkeit jener ho&#x0364;her<lb/>
Erziehung herauferzogen werden. Hierdurch<lb/>
wird nun die&#x017F;e deut&#x017F;che, und allerneue&#x017F;te<lb/>
Staatskun&#x017F;t wiederum die allera&#x0364;lte&#x017F;te; denn<lb/>
auch die&#x017F;e bei den Griechen gru&#x0364;ndete das Bu&#x0364;<lb/>
gerthum auf die Erziehung, und bildete Bu&#x0364;<lb/>
ger, wie die folgenden Zeitalter &#x017F;ie nicht wie¬<lb/>
der ge&#x017F;ehen haben. In der Form da&#x017F;&#x017F;elbe, in<lb/>
dem Gehalte mit nicht engherzigem, und aus¬<lb/>
&#x017F;chließendem, &#x017F;ondern allgemeinem und welt¬<lb/>
bu&#x0364;rgerlichem Gei&#x017F;te, wird hinfu&#x0364;hro der Deut¬<lb/>
&#x017F;che thun.</p><lb/>
        <p>Der&#x017F;elbe Gei&#x017F;t des Auslandes herr&#x017F;cht bei<lb/>
der großen Mehrzahl der un&#x017F;rigen auch in ih¬<lb/>
rer An&#x017F;icht des ge&#x017F;ammten Lebens eines Men¬<lb/>
&#x017F;chenge&#x017F;chlechts, und der Ge&#x017F;chichte, als dem<lb/>
Bilde jenes Lebens. Eine Nation, die eine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0228] wie das Ausland, an die ſchroffe Spitze, den Fuͤrſten, ſondern ſie will ſich mit derſelben an die breite Flaͤche, an die Nation wenden, indem ja ohne Zweifel auch der Fuͤrſt zu dieſer gehoͤ¬ ren wird. So wie der Staat an den Perſo¬ nen ſeiner erwachſenen Buͤrger die fortgeſezte Erziehung des Menſchengeſchlechts iſt, ſo muͤſſe, meint dieſe Staatskunſt, der kuͤnftige Buͤrger ſelbſt erſt zur Empfaͤnglichkeit jener hoͤher Erziehung herauferzogen werden. Hierdurch wird nun dieſe deutſche, und allerneueſte Staatskunſt wiederum die alleraͤlteſte; denn auch dieſe bei den Griechen gruͤndete das Buͤr¬ gerthum auf die Erziehung, und bildete Buͤr¬ ger, wie die folgenden Zeitalter ſie nicht wie¬ der geſehen haben. In der Form daſſelbe, in dem Gehalte mit nicht engherzigem, und aus¬ ſchließendem, ſondern allgemeinem und welt¬ buͤrgerlichem Geiſte, wird hinfuͤhro der Deut¬ ſche thun. Derſelbe Geiſt des Auslandes herrſcht bei der großen Mehrzahl der unſrigen auch in ih¬ rer Anſicht des geſammten Lebens eines Men¬ ſchengeſchlechts, und der Geſchichte, als dem Bilde jenes Lebens. Eine Nation, die eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/228
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/228>, abgerufen am 08.05.2024.