Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

das Ausland eine andere Aufgabe der Ver¬
nunft und der Philosophie an die neue Welt,
die Errichtung des vollkommnen Staats,
leicht, und mit feuriger Kühnheit ergriffen,
und kurz darauf dieselbe also fallen lassen,
daß es durch seinen jetzigen Zustand genö¬
thiget ist, den bloßen Gedanken der Aufgabe
als ein Verbrechen zu verdammen, und alles
anwenden müßte, um, wenn es könnte, jene
Bestrebungen aus den Jahrbüchern seiner
Geschichte auszutilgen. Der Grund dieses
Erfolgs liegt am Tage: Der vernunftge¬
mäße Staat läßt sich nicht durch künstliche
Vorkehrungen aus jedem vorhandenen Stoffe
aufbauen, sondern die Nation muß zu dem¬
selben erst gebildet, und herauferzogen wer¬
den. Nur diejenige Nation, welche zuför¬
derst die Aufgabe der Erziehung zum voll¬
kommnen Menschen, durch die wirkliche Aus¬
übung, gelößt haben wird, wird sodann auch
jene des vollkommnen Staats lösen.

Auch die zulezt genannte Aufgabe der Er¬
ziehung ist seit unsrer Kirchen-Verbesserung
vom Auslande geistvoll, aber im Sinne

das Ausland eine andere Aufgabe der Ver¬
nunft und der Philoſophie an die neue Welt,
die Errichtung des vollkommnen Staats,
leicht, und mit feuriger Kuͤhnheit ergriffen,
und kurz darauf dieſelbe alſo fallen laſſen,
daß es durch ſeinen jetzigen Zuſtand genoͤ¬
thiget iſt, den bloßen Gedanken der Aufgabe
als ein Verbrechen zu verdammen, und alles
anwenden muͤßte, um, wenn es koͤnnte, jene
Beſtrebungen aus den Jahrbuͤchern ſeiner
Geſchichte auszutilgen. Der Grund dieſes
Erfolgs liegt am Tage: Der vernunftge¬
maͤße Staat laͤßt ſich nicht durch kuͤnſtliche
Vorkehrungen aus jedem vorhandenen Stoffe
aufbauen, ſondern die Nation muß zu dem¬
ſelben erſt gebildet, und herauferzogen wer¬
den. Nur diejenige Nation, welche zufoͤr¬
derſt die Aufgabe der Erziehung zum voll¬
kommnen Menſchen, durch die wirkliche Aus¬
uͤbung, geloͤßt haben wird, wird ſodann auch
jene des vollkommnen Staats loͤſen.

Auch die zulezt genannte Aufgabe der Er¬
ziehung iſt ſeit unſrer Kirchen-Verbeſſerung
vom Auslande geiſtvoll, aber im Sinne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0203" n="197"/>
das Ausland eine andere Aufgabe der Ver¬<lb/>
nunft und der Philo&#x017F;ophie an die neue Welt,<lb/>
die Errichtung des vollkommnen Staats,<lb/>
leicht, und mit feuriger Ku&#x0364;hnheit ergriffen,<lb/>
und kurz darauf die&#x017F;elbe al&#x017F;o fallen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß es durch &#x017F;einen jetzigen Zu&#x017F;tand geno&#x0364;¬<lb/>
thiget i&#x017F;t, den bloßen Gedanken der Aufgabe<lb/>
als ein Verbrechen zu verdammen, und alles<lb/>
anwenden mu&#x0364;ßte, um, wenn es ko&#x0364;nnte, jene<lb/>
Be&#x017F;trebungen aus den Jahrbu&#x0364;chern &#x017F;einer<lb/>
Ge&#x017F;chichte auszutilgen. Der Grund die&#x017F;es<lb/>
Erfolgs liegt am Tage: Der vernunftge¬<lb/>
ma&#x0364;ße Staat la&#x0364;ßt &#x017F;ich nicht durch ku&#x0364;n&#x017F;tliche<lb/>
Vorkehrungen aus jedem vorhandenen Stoffe<lb/>
aufbauen, &#x017F;ondern die Nation muß zu dem¬<lb/>
&#x017F;elben er&#x017F;t gebildet, und herauferzogen wer¬<lb/>
den. Nur diejenige Nation, welche zufo&#x0364;<lb/>
der&#x017F;t die Aufgabe der Erziehung zum voll¬<lb/>
kommnen Men&#x017F;chen, durch die wirkliche Aus¬<lb/>
u&#x0364;bung, gelo&#x0364;ßt haben wird, wird &#x017F;odann auch<lb/>
jene des vollkommnen Staats lo&#x0364;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Auch die zulezt genannte Aufgabe der Er¬<lb/>
ziehung i&#x017F;t &#x017F;eit un&#x017F;rer Kirchen-Verbe&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
vom Auslande gei&#x017F;tvoll, aber im Sinne<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0203] das Ausland eine andere Aufgabe der Ver¬ nunft und der Philoſophie an die neue Welt, die Errichtung des vollkommnen Staats, leicht, und mit feuriger Kuͤhnheit ergriffen, und kurz darauf dieſelbe alſo fallen laſſen, daß es durch ſeinen jetzigen Zuſtand genoͤ¬ thiget iſt, den bloßen Gedanken der Aufgabe als ein Verbrechen zu verdammen, und alles anwenden muͤßte, um, wenn es koͤnnte, jene Beſtrebungen aus den Jahrbuͤchern ſeiner Geſchichte auszutilgen. Der Grund dieſes Erfolgs liegt am Tage: Der vernunftge¬ maͤße Staat laͤßt ſich nicht durch kuͤnſtliche Vorkehrungen aus jedem vorhandenen Stoffe aufbauen, ſondern die Nation muß zu dem¬ ſelben erſt gebildet, und herauferzogen wer¬ den. Nur diejenige Nation, welche zufoͤr¬ derſt die Aufgabe der Erziehung zum voll¬ kommnen Menſchen, durch die wirkliche Aus¬ uͤbung, geloͤßt haben wird, wird ſodann auch jene des vollkommnen Staats loͤſen. Auch die zulezt genannte Aufgabe der Er¬ ziehung iſt ſeit unſrer Kirchen-Verbeſſerung vom Auslande geiſtvoll, aber im Sinne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/203
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/203>, abgerufen am 22.11.2024.