Daß Luther mit diesem rein menschlichen, und nur durch jeden selbst zu besorgenden, An¬ liegen an alle, und zunächst an die Gesammt¬ heit seiner Nation sich wendete, lag, wie ge¬ sagt, in der Sache. Wie nahm nun sein Volk diesen Antrag auf? Blieb es in seiner dumpfen Ruhe, gefesselt an den Boden durch irdische Geschäfte, und ungestört fortgehend den ge¬ wohnten Gang, oder erregte die nicht alltäg¬ liche Erscheinung gewaltiger Begeisterung bloß sein Gelächter? Keinesweges, sondern es wurde wie durch ein fortlaufendes Feuer ergriffen von derselben Sorge für das Heil der Seele, und diese Sorge eröfnete schnell auch ihr Auge der vollkommnen Klarheit, und sie nahmen auf im Fluge das ihnen Dargebotene. War diese Be¬ geisterung nur eine augenblickliche Erhebung der Einbildungskraft, die im Leben, und gegen dessen ernsthafte Kämpfe und Gefahren nicht Stand hielt? Keinesweges, sie entbehrten al¬ les, und trugen alle Martern, und kämpften in blutigen zweifelhaften Kriegen, lediglich damit sie nicht wieder unter die Gewalt des verdammlichen Papstthums geriethen, sondern
Daß Luther mit dieſem rein menſchlichen, und nur durch jeden ſelbſt zu beſorgenden, An¬ liegen an alle, und zunaͤchſt an die Geſammt¬ heit ſeiner Nation ſich wendete, lag, wie ge¬ ſagt, in der Sache. Wie nahm nun ſein Volk dieſen Antrag auf? Blieb es in ſeiner dumpfen Ruhe, gefeſſelt an den Boden durch irdiſche Geſchaͤfte, und ungeſtoͤrt fortgehend den ge¬ wohnten Gang, oder erregte die nicht alltaͤg¬ liche Erſcheinung gewaltiger Begeiſterung bloß ſein Gelaͤchter? Keinesweges, ſondern es wurde wie durch ein fortlaufendes Feuer ergriffen von derſelben Sorge fuͤr das Heil der Seele, und dieſe Sorge eroͤfnete ſchnell auch ihr Auge der vollkommnen Klarheit, und ſie nahmen auf im Fluge das ihnen Dargebotene. War dieſe Be¬ geiſterung nur eine augenblickliche Erhebung der Einbildungskraft, die im Leben, und gegen deſſen ernſthafte Kaͤmpfe und Gefahren nicht Stand hielt? Keinesweges, ſie entbehrten al¬ les, und trugen alle Martern, und kaͤmpften in blutigen zweifelhaften Kriegen, lediglich damit ſie nicht wieder unter die Gewalt des verdammlichen Papſtthums geriethen, ſondern
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Daß Luther mit dieſem rein menſchlichen,
und nur durch jeden ſelbſt zu beſorgenden, An¬
liegen an alle, und zunaͤchſt an die Geſammt¬
heit ſeiner Nation ſich wendete, lag, wie ge¬
ſagt, in der Sache. Wie nahm nun ſein Volk
dieſen Antrag auf? Blieb es in ſeiner dumpfen
Ruhe, gefeſſelt an den Boden durch irdiſche
Geſchaͤfte, und ungeſtoͤrt fortgehend den ge¬
wohnten Gang, oder erregte die nicht alltaͤg¬
liche Erſcheinung gewaltiger Begeiſterung bloß
ſein Gelaͤchter? Keinesweges, ſondern es wurde
wie durch ein fortlaufendes Feuer ergriffen von
derſelben Sorge fuͤr das Heil der Seele, und
dieſe Sorge eroͤfnete ſchnell auch ihr Auge der
vollkommnen Klarheit, und ſie nahmen auf im
Fluge das ihnen Dargebotene. War dieſe Be¬
geiſterung nur eine augenblickliche Erhebung der
Einbildungskraft, die im Leben, und gegen
deſſen ernſthafte Kaͤmpfe und Gefahren nicht
Stand hielt? Keinesweges, ſie entbehrten al¬
les, und trugen alle Martern, und kaͤmpften
in blutigen zweifelhaften Kriegen, lediglich
damit ſie nicht wieder unter die Gewalt des
verdammlichen Papſtthums geriethen, ſondern
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/191>, abgerufen am 23.11.2024.
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