Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

was aber die Deutschen betrift, machten wir
uns anheischig darzulegen, daß diese sich wirk¬
lich also geäußert, wie unsern Behauptungen
zufolge das Volk einer Ursprache sich äußern
müsse. Wir gehen heute an die Erfüllung un¬
sers Versprechens, und zwar legen wir das
zu erweisende zunächst dar an der lezten gro¬
ßen, und in gewissem Sinne, vollendeten Welt-
That des deutschen Volkes, an der kirchlichen
Reformation.

Das aus Asien stammende, und durch seine
Verderbung erst recht asiatisch gewordene, nur
stumme Ergebung und blinden Glauben pre¬
digende Christenthum war schon für die Rö¬
mer etwas fremdartiges, und ausländisches; es
wurde niemals von ihnen wahrhaft durchdrun¬
gen, und angeeignet, und theilte ihr Wesen
in zwei nicht an einander passende Hälften;
wobei jedoch die Anfügung des fremden Theils
durch den angestammten schwermüthigen Aber¬
glauben vermittelt wurde. An den eingewan¬
derten Germaniern erhielt diese Religion Zög¬
linge, in denen keine frühere Verstandesbil¬
dung ihr hinderlich war, aber auch kein ange¬

was aber die Deutſchen betrift, machten wir
uns anheiſchig darzulegen, daß dieſe ſich wirk¬
lich alſo geaͤußert, wie unſern Behauptungen
zufolge das Volk einer Urſprache ſich aͤußern
muͤſſe. Wir gehen heute an die Erfuͤllung un¬
ſers Verſprechens, und zwar legen wir das
zu erweiſende zunaͤchſt dar an der lezten gro¬
ßen, und in gewiſſem Sinne, vollendeten Welt-
That des deutſchen Volkes, an der kirchlichen
Reformation.

Das aus Aſien ſtammende, und durch ſeine
Verderbung erſt recht aſiatiſch gewordene, nur
ſtumme Ergebung und blinden Glauben pre¬
digende Chriſtenthum war ſchon fuͤr die Roͤ¬
mer etwas fremdartiges, und auslaͤndiſches; es
wurde niemals von ihnen wahrhaft durchdrun¬
gen, und angeeignet, und theilte ihr Weſen
in zwei nicht an einander paſſende Haͤlften;
wobei jedoch die Anfuͤgung des fremden Theils
durch den angeſtammten ſchwermuͤthigen Aber¬
glauben vermittelt wurde. An den eingewan¬
derten Germaniern erhielt dieſe Religion Zoͤg¬
linge, in denen keine fruͤhere Verſtandesbil¬
dung ihr hinderlich war, aber auch kein ange¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0184" n="178"/>
was aber die Deut&#x017F;chen betrift, machten wir<lb/>
uns anhei&#x017F;chig darzulegen, daß die&#x017F;e &#x017F;ich wirk¬<lb/>
lich al&#x017F;o gea&#x0364;ußert, wie un&#x017F;ern Behauptungen<lb/>
zufolge das Volk einer Ur&#x017F;prache &#x017F;ich a&#x0364;ußern<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Wir gehen heute an die Erfu&#x0364;llung un¬<lb/>
&#x017F;ers Ver&#x017F;prechens, und zwar legen wir das<lb/>
zu erwei&#x017F;ende zuna&#x0364;ch&#x017F;t dar an der lezten gro¬<lb/>
ßen, und in gewi&#x017F;&#x017F;em Sinne, vollendeten Welt-<lb/>
That des deut&#x017F;chen Volkes, an der kirchlichen<lb/>
Reformation.</p><lb/>
        <p>Das aus A&#x017F;ien &#x017F;tammende, und durch &#x017F;eine<lb/>
Verderbung er&#x017F;t recht a&#x017F;iati&#x017F;ch gewordene, nur<lb/>
&#x017F;tumme Ergebung und blinden Glauben pre¬<lb/>
digende Chri&#x017F;tenthum war &#x017F;chon fu&#x0364;r die Ro&#x0364;¬<lb/>
mer etwas fremdartiges, und ausla&#x0364;ndi&#x017F;ches; es<lb/>
wurde niemals von ihnen wahrhaft durchdrun¬<lb/>
gen, und angeeignet, und theilte ihr We&#x017F;en<lb/>
in zwei nicht an einander pa&#x017F;&#x017F;ende Ha&#x0364;lften;<lb/>
wobei jedoch die Anfu&#x0364;gung des fremden Theils<lb/>
durch den ange&#x017F;tammten &#x017F;chwermu&#x0364;thigen Aber¬<lb/>
glauben vermittelt wurde. An den eingewan¬<lb/>
derten Germaniern erhielt die&#x017F;e Religion Zo&#x0364;<lb/>
linge, in denen keine fru&#x0364;here Ver&#x017F;tandesbil¬<lb/>
dung ihr hinderlich war, aber auch kein ange¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0184] was aber die Deutſchen betrift, machten wir uns anheiſchig darzulegen, daß dieſe ſich wirk¬ lich alſo geaͤußert, wie unſern Behauptungen zufolge das Volk einer Urſprache ſich aͤußern muͤſſe. Wir gehen heute an die Erfuͤllung un¬ ſers Verſprechens, und zwar legen wir das zu erweiſende zunaͤchſt dar an der lezten gro¬ ßen, und in gewiſſem Sinne, vollendeten Welt- That des deutſchen Volkes, an der kirchlichen Reformation. Das aus Aſien ſtammende, und durch ſeine Verderbung erſt recht aſiatiſch gewordene, nur ſtumme Ergebung und blinden Glauben pre¬ digende Chriſtenthum war ſchon fuͤr die Roͤ¬ mer etwas fremdartiges, und auslaͤndiſches; es wurde niemals von ihnen wahrhaft durchdrun¬ gen, und angeeignet, und theilte ihr Weſen in zwei nicht an einander paſſende Haͤlften; wobei jedoch die Anfuͤgung des fremden Theils durch den angeſtammten ſchwermuͤthigen Aber¬ glauben vermittelt wurde. An den eingewan¬ derten Germaniern erhielt dieſe Religion Zoͤg¬ linge, in denen keine fruͤhere Verſtandesbil¬ dung ihr hinderlich war, aber auch kein ange¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/184
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/184>, abgerufen am 25.11.2024.