auch im Mutterlande den Deutschen an, falls er nicht durch hohen Ernst dagegen gerüstet ist. Auch unsern Ohren tönt gar leicht Römischer Laut vornehm, auch unsern Augen erscheint Römische Sitte edler, dagegen das Deutsche gemein; und da wir nicht so glücklich waren, dieses alles aus der ersten Hand zu erhalten, so lassen wir es uns auch aus der zweiten, und durch den Zwischenhandel der neuen Römer, recht wohl gefallen. So lange wir deutsch sind, erscheinen wir uns als Männer, wie an¬ dre auch; wenn wir halb oder auch über die Hälfte undeutsch reden, und abstechende Sit¬ ten, und Kleidung an uns tragen, die gar weit herzukommen scheinen, so dünken wir uns vornehm; der Gipfel aber unsers Triumphs ist es, wenn man uns gar nicht mehr für Deutsche, sondern etwa für Spanier oder Engländer hält, je nachdem nun einer von diesen gerade am meisten Mode ist. Wir ha¬ ben recht. Naturgemäßheit von Deutscher Seite, Willkührlichkeit und Künstelei von der Seite des Auslandes sind die Grund-Unter¬ schiede; bleiben wir bei der ersten, so sind wir eben, wie unser ganzes Volk, dieses begreift
auch im Mutterlande den Deutſchen an, falls er nicht durch hohen Ernſt dagegen geruͤſtet iſt. Auch unſern Ohren toͤnt gar leicht Roͤmiſcher Laut vornehm, auch unſern Augen erſcheint Roͤmiſche Sitte edler, dagegen das Deutſche gemein; und da wir nicht ſo gluͤcklich waren, dieſes alles aus der erſten Hand zu erhalten, ſo laſſen wir es uns auch aus der zweiten, und durch den Zwiſchenhandel der neuen Roͤmer, recht wohl gefallen. So lange wir deutſch ſind, erſcheinen wir uns als Maͤnner, wie an¬ dre auch; wenn wir halb oder auch uͤber die Haͤlfte undeutſch reden, und abſtechende Sit¬ ten, und Kleidung an uns tragen, die gar weit herzukommen ſcheinen, ſo duͤnken wir uns vornehm; der Gipfel aber unſers Triumphs iſt es, wenn man uns gar nicht mehr fuͤr Deutſche, ſondern etwa fuͤr Spanier oder Englaͤnder haͤlt, je nachdem nun einer von dieſen gerade am meiſten Mode iſt. Wir ha¬ ben recht. Naturgemaͤßheit von Deutſcher Seite, Willkuͤhrlichkeit und Kuͤnſtelei von der Seite des Auslandes ſind die Grund-Unter¬ ſchiede; bleiben wir bei der erſten, ſo ſind wir eben, wie unſer ganzes Volk, dieſes begreift
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auch im Mutterlande den Deutſchen an, falls
er nicht durch hohen Ernſt dagegen geruͤſtet iſt.
Auch unſern Ohren toͤnt gar leicht Roͤmiſcher
Laut vornehm, auch unſern Augen erſcheint
Roͤmiſche Sitte edler, dagegen das Deutſche
gemein; und da wir nicht ſo gluͤcklich waren,
dieſes alles aus der erſten Hand zu erhalten,
ſo laſſen wir es uns auch aus der zweiten, und
durch den Zwiſchenhandel der neuen Roͤmer,
recht wohl gefallen. So lange wir deutſch
ſind, erſcheinen wir uns als Maͤnner, wie an¬
dre auch; wenn wir halb oder auch uͤber die
Haͤlfte undeutſch reden, und abſtechende Sit¬
ten, und Kleidung an uns tragen, die gar
weit herzukommen ſcheinen, ſo duͤnken wir
uns vornehm; der Gipfel aber unſers Triumphs
iſt es, wenn man uns gar nicht mehr fuͤr
Deutſche, ſondern etwa fuͤr Spanier oder
Englaͤnder haͤlt, je nachdem nun einer von
dieſen gerade am meiſten Mode iſt. Wir ha¬
ben recht. Naturgemaͤßheit von Deutſcher
Seite, Willkuͤhrlichkeit und Kuͤnſtelei von der
Seite des Auslandes ſind die Grund-Unter¬
ſchiede; bleiben wir bei der erſten, ſo ſind wir
eben, wie unſer ganzes Volk, dieſes begreift
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/168>, abgerufen am 24.11.2024.
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