Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

stesbildung ein ins Leben; beim Gegentheile
geht geistige Bildung, und Leben jedes seinen
Gang für sich fort. 2) Aus demselben Grunde
ist es einem Volke der ersten Art mit aller Gei¬
stesbildung rechter eigentlicher Ernst, und es
will, daß dieselbe ins Leben eingreife; dage¬
gen einem von der letztern Art diese vielmehr
ein genialisches Spiel ist, mit dem sie nichts
weiter wollen. Die leztern haben Geist; die
erstern haben zum Geiste auch noch Gemüth.
3) Was aus dem zweiten folgt; die erstern
haben redlichen Fleiß und Ernst in allen Din¬
gen, und sind mühsam, dagegen die leztern
sich im Geleite ihrer glücklichen Natur gehen
lassen. 4) Was aus allem zusammen folgt:
In einer Nation von der ersten Art ist das
große Volk bildsam, und die Bildner einer
solchen erproben ihre Entdeckungen an dem
Volke, und wollen auf dieses einfließen; da¬
gegen in einer Nation von der zweiten Art
die gebildeten Stände vom Volke sich scheiden,
und des leztern nicht weiter, denn als eines
blinden Werkzeugs ihrer Pläne achten. Die
weitere Erörterung dieser angegebnen Merk¬
male behalte ich der folgenden Stunde vor.


ſtesbildung ein ins Leben; beim Gegentheile
geht geiſtige Bildung, und Leben jedes ſeinen
Gang fuͤr ſich fort. 2) Aus demſelben Grunde
iſt es einem Volke der erſten Art mit aller Gei¬
ſtesbildung rechter eigentlicher Ernſt, und es
will, daß dieſelbe ins Leben eingreife; dage¬
gen einem von der letztern Art dieſe vielmehr
ein genialiſches Spiel iſt, mit dem ſie nichts
weiter wollen. Die leztern haben Geiſt; die
erſtern haben zum Geiſte auch noch Gemuͤth.
3) Was aus dem zweiten folgt; die erſtern
haben redlichen Fleiß und Ernſt in allen Din¬
gen, und ſind muͤhſam, dagegen die leztern
ſich im Geleite ihrer gluͤcklichen Natur gehen
laſſen. 4) Was aus allem zuſammen folgt:
In einer Nation von der erſten Art iſt das
große Volk bildſam, und die Bildner einer
ſolchen erproben ihre Entdeckungen an dem
Volke, und wollen auf dieſes einfließen; da¬
gegen in einer Nation von der zweiten Art
die gebildeten Staͤnde vom Volke ſich ſcheiden,
und des leztern nicht weiter, denn als eines
blinden Werkzeugs ihrer Plaͤne achten. Die
weitere Eroͤrterung dieſer angegebnen Merk¬
male behalte ich der folgenden Stunde vor.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0150" n="144"/>
&#x017F;tesbildung ein ins Leben; beim Gegentheile<lb/>
geht gei&#x017F;tige Bildung, und Leben jedes &#x017F;einen<lb/>
Gang fu&#x0364;r &#x017F;ich fort. 2) Aus dem&#x017F;elben Grunde<lb/>
i&#x017F;t es einem Volke der er&#x017F;ten Art mit aller Gei¬<lb/>
&#x017F;tesbildung rechter eigentlicher Ern&#x017F;t, und es<lb/>
will, daß die&#x017F;elbe ins Leben eingreife; dage¬<lb/>
gen einem von der letztern Art die&#x017F;e vielmehr<lb/>
ein geniali&#x017F;ches Spiel i&#x017F;t, mit dem &#x017F;ie nichts<lb/>
weiter wollen. Die leztern haben Gei&#x017F;t; die<lb/>
er&#x017F;tern haben zum Gei&#x017F;te auch noch Gemu&#x0364;th.<lb/>
3) Was aus dem zweiten folgt; die er&#x017F;tern<lb/>
haben redlichen Fleiß und Ern&#x017F;t in allen Din¬<lb/>
gen, und &#x017F;ind mu&#x0364;h&#x017F;am, dagegen die leztern<lb/>
&#x017F;ich im Geleite ihrer glu&#x0364;cklichen Natur gehen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. 4) Was aus allem zu&#x017F;ammen folgt:<lb/>
In einer Nation von der er&#x017F;ten Art i&#x017F;t das<lb/>
große Volk bild&#x017F;am, und die Bildner einer<lb/>
&#x017F;olchen erproben ihre Entdeckungen an dem<lb/>
Volke, und wollen auf die&#x017F;es einfließen; da¬<lb/>
gegen in einer Nation von der zweiten Art<lb/>
die gebildeten Sta&#x0364;nde vom Volke &#x017F;ich &#x017F;cheiden,<lb/>
und des leztern nicht weiter, denn als eines<lb/>
blinden Werkzeugs ihrer Pla&#x0364;ne achten. Die<lb/>
weitere Ero&#x0364;rterung die&#x017F;er angegebnen Merk¬<lb/>
male behalte ich der folgenden Stunde vor.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0150] ſtesbildung ein ins Leben; beim Gegentheile geht geiſtige Bildung, und Leben jedes ſeinen Gang fuͤr ſich fort. 2) Aus demſelben Grunde iſt es einem Volke der erſten Art mit aller Gei¬ ſtesbildung rechter eigentlicher Ernſt, und es will, daß dieſelbe ins Leben eingreife; dage¬ gen einem von der letztern Art dieſe vielmehr ein genialiſches Spiel iſt, mit dem ſie nichts weiter wollen. Die leztern haben Geiſt; die erſtern haben zum Geiſte auch noch Gemuͤth. 3) Was aus dem zweiten folgt; die erſtern haben redlichen Fleiß und Ernſt in allen Din¬ gen, und ſind muͤhſam, dagegen die leztern ſich im Geleite ihrer gluͤcklichen Natur gehen laſſen. 4) Was aus allem zuſammen folgt: In einer Nation von der erſten Art iſt das große Volk bildſam, und die Bildner einer ſolchen erproben ihre Entdeckungen an dem Volke, und wollen auf dieſes einfließen; da¬ gegen in einer Nation von der zweiten Art die gebildeten Staͤnde vom Volke ſich ſcheiden, und des leztern nicht weiter, denn als eines blinden Werkzeugs ihrer Plaͤne achten. Die weitere Eroͤrterung dieſer angegebnen Merk¬ male behalte ich der folgenden Stunde vor.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/150
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/150>, abgerufen am 23.11.2024.