Füße treten, und alle Welt mag zuse¬ hen; dabei ist für sie weder Schande noch Uebel: wenn aber darauf ein Gespräch erho¬ ben würde, vom Treten mit Füßen, so wäre dies ein unleidliches Aergerniß, und nun erst höbe das Uebel an; da doch auch über¬ dies kein Vernünftiger und Wohlwollender ein solches Gespräch erheben wird, aus Scha¬ denfreude, sondern lediglich, um die Mittel ausfindig zu machen, daß der Fall nicht wieder eintrete. Eben so mit den zukünftigen Uebeln; sie wollen nicht gestört seyn in ih¬ rem süßen Traume, und schließen drum fest zu ihr Auge vor der Zukunft. Da aber da¬ durch andre, welche die Augen offen behal¬ ten, nicht verhindert werden, zu sehen, was herannaht, und in Versuchung kommen könn¬ ten, zu sagen, und mit Namen zu benen¬ nen, was sie sehen, so dünkt ihnen gegen diese Gefahr das sicherste Mittel dieses, daß sie den Sehenden dieses Sagen und Benen¬ nen verkümmern; als ob nun, in umgekehr¬
Fuͤße treten, und alle Welt mag zuſe¬ hen; dabei iſt fuͤr ſie weder Schande noch Uebel: wenn aber darauf ein Geſpraͤch erho¬ ben wuͤrde, vom Treten mit Fuͤßen, ſo waͤre dies ein unleidliches Aergerniß, und nun erſt hoͤbe das Uebel an; da doch auch uͤber¬ dies kein Vernuͤnftiger und Wohlwollender ein ſolches Geſpraͤch erheben wird, aus Scha¬ denfreude, ſondern lediglich, um die Mittel ausfindig zu machen, daß der Fall nicht wieder eintrete. Eben ſo mit den zukuͤnftigen Uebeln; ſie wollen nicht geſtoͤrt ſeyn in ih¬ rem ſuͤßen Traume, und ſchließen drum feſt zu ihr Auge vor der Zukunft. Da aber da¬ durch andre, welche die Augen offen behal¬ ten, nicht verhindert werden, zu ſehen, was herannaht, und in Verſuchung kommen koͤnn¬ ten, zu ſagen, und mit Namen zu benen¬ nen, was ſie ſehen, ſo duͤnkt ihnen gegen dieſe Gefahr das ſicherſte Mittel dieſes, daß ſie den Sehenden dieſes Sagen und Benen¬ nen verkuͤmmern; als ob nun, in umgekehr¬
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Fuͤße treten, und alle Welt mag zuſe¬
hen; dabei iſt fuͤr ſie weder Schande noch
Uebel: wenn aber darauf ein Geſpraͤch erho¬
ben wuͤrde, vom Treten mit Fuͤßen, ſo waͤre
dies ein unleidliches Aergerniß, und nun
erſt hoͤbe das Uebel an; da doch auch uͤber¬
dies kein Vernuͤnftiger und Wohlwollender
ein ſolches Geſpraͤch erheben wird, aus Scha¬
denfreude, ſondern lediglich, um die Mittel
ausfindig zu machen, daß der Fall nicht
wieder eintrete. Eben ſo mit den zukuͤnftigen
Uebeln; ſie wollen nicht geſtoͤrt ſeyn in ih¬
rem ſuͤßen Traume, und ſchließen drum feſt
zu ihr Auge vor der Zukunft. Da aber da¬
durch andre, welche die Augen offen behal¬
ten, nicht verhindert werden, zu ſehen, was
herannaht, und in Verſuchung kommen koͤnn¬
ten, zu ſagen, und mit Namen zu benen¬
nen, was ſie ſehen, ſo duͤnkt ihnen gegen
dieſe Gefahr das ſicherſte Mittel dieſes, daß
ſie den Sehenden dieſes Sagen und Benen¬
nen verkuͤmmern; als ob nun, in umgekehr¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/13>, abgerufen am 22.11.2024.
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