Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

jener keine weitere Nahrung zugeführt wird,
werden von selbst verwelken und abfallen.
Jetzt vermag es das Zeitalter noch gar nicht,
unsern Worten zu glauben, und es ist noth¬
wendig, daß ihm dieselben vorkommen, wie
Mährchen. Wir wollen auch diesen Glau¬
ben nicht; wir wollen nur Raum zum
Schaffen und Handeln. Nachmals wird es
sehen, und es wird glauben seinen eigenen
Augen.

So wird z. B. jedermann, der mit den
Erzeugungen der letzten Zeit bekannt ist, schon
längst bemerkt haben, daß hier abermals die
Sätze und Ansichten ausgesprochen werden,
welche die neuere deutsche Philosophie seit
ihrer Entstehung geprediget hat, und wie¬
derum geprediget, weil sie eben nichts weiter
vermochte, denn zn predigen. Daß diese
Predigten fruchtlos verhallet sind in der lee¬
ren Luft, ist nun hinlänglich klar, auch ist
der Grund klar, warum sie also verhallen
mußten. Nur auf Lebendiges wirkt Lebendi¬
ges; in dem wirklichen Leben der Zeit aber
ist gar keine Verwandschaft zu dieser Philo¬

jener keine weitere Nahrung zugefuͤhrt wird,
werden von ſelbſt verwelken und abfallen.
Jetzt vermag es das Zeitalter noch gar nicht,
unſern Worten zu glauben, und es iſt noth¬
wendig, daß ihm dieſelben vorkommen, wie
Maͤhrchen. Wir wollen auch dieſen Glau¬
ben nicht; wir wollen nur Raum zum
Schaffen und Handeln. Nachmals wird es
ſehen, und es wird glauben ſeinen eigenen
Augen.

So wird z. B. jedermann, der mit den
Erzeugungen der letzten Zeit bekannt iſt, ſchon
laͤngſt bemerkt haben, daß hier abermals die
Saͤtze und Anſichten ausgeſprochen werden,
welche die neuere deutſche Philoſophie ſeit
ihrer Entſtehung geprediget hat, und wie¬
derum geprediget, weil ſie eben nichts weiter
vermochte, denn zn predigen. Daß dieſe
Predigten fruchtlos verhallet ſind in der lee¬
ren Luft, iſt nun hinlaͤnglich klar, auch iſt
der Grund klar, warum ſie alſo verhallen
mußten. Nur auf Lebendiges wirkt Lebendi¬
ges; in dem wirklichen Leben der Zeit aber
iſt gar keine Verwandſchaft zu dieſer Philo¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0114" n="108"/>
jener keine weitere Nahrung zugefu&#x0364;hrt wird,<lb/>
werden von &#x017F;elb&#x017F;t verwelken und abfallen.<lb/>
Jetzt vermag es das Zeitalter noch gar nicht,<lb/>
un&#x017F;ern Worten zu glauben, und es i&#x017F;t noth¬<lb/>
wendig, daß ihm die&#x017F;elben vorkommen, wie<lb/>
Ma&#x0364;hrchen. Wir wollen auch die&#x017F;en Glau¬<lb/>
ben nicht; wir wollen nur Raum zum<lb/>
Schaffen und Handeln. Nachmals wird es<lb/>
&#x017F;ehen, und es wird glauben &#x017F;einen eigenen<lb/>
Augen.</p><lb/>
        <p>So wird z. B. jedermann, der mit den<lb/>
Erzeugungen der letzten Zeit bekannt i&#x017F;t, &#x017F;chon<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t bemerkt haben, daß hier abermals die<lb/>
Sa&#x0364;tze und An&#x017F;ichten ausge&#x017F;prochen werden,<lb/>
welche die neuere deut&#x017F;che Philo&#x017F;ophie &#x017F;eit<lb/>
ihrer Ent&#x017F;tehung geprediget hat, und wie¬<lb/>
derum geprediget, weil &#x017F;ie eben nichts weiter<lb/>
vermochte, denn zn predigen. Daß die&#x017F;e<lb/>
Predigten fruchtlos verhallet &#x017F;ind in der lee¬<lb/>
ren Luft, i&#x017F;t nun hinla&#x0364;nglich klar, auch i&#x017F;t<lb/>
der Grund klar, warum &#x017F;ie al&#x017F;o verhallen<lb/>
mußten. Nur auf Lebendiges wirkt Lebendi¬<lb/>
ges; in dem wirklichen Leben der Zeit aber<lb/>
i&#x017F;t gar keine Verwand&#x017F;chaft zu die&#x017F;er Philo¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0114] jener keine weitere Nahrung zugefuͤhrt wird, werden von ſelbſt verwelken und abfallen. Jetzt vermag es das Zeitalter noch gar nicht, unſern Worten zu glauben, und es iſt noth¬ wendig, daß ihm dieſelben vorkommen, wie Maͤhrchen. Wir wollen auch dieſen Glau¬ ben nicht; wir wollen nur Raum zum Schaffen und Handeln. Nachmals wird es ſehen, und es wird glauben ſeinen eigenen Augen. So wird z. B. jedermann, der mit den Erzeugungen der letzten Zeit bekannt iſt, ſchon laͤngſt bemerkt haben, daß hier abermals die Saͤtze und Anſichten ausgeſprochen werden, welche die neuere deutſche Philoſophie ſeit ihrer Entſtehung geprediget hat, und wie¬ derum geprediget, weil ſie eben nichts weiter vermochte, denn zn predigen. Daß dieſe Predigten fruchtlos verhallet ſind in der lee¬ ren Luft, iſt nun hinlaͤnglich klar, auch iſt der Grund klar, warum ſie alſo verhallen mußten. Nur auf Lebendiges wirkt Lebendi¬ ges; in dem wirklichen Leben der Zeit aber iſt gar keine Verwandſchaft zu dieſer Philo¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/114
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/114>, abgerufen am 02.05.2024.