Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Abschnitt.
Gesetz, noch die Natur der Sache für sie eine
Ausnahme begründet *).

Anmerk. Die gewöhnliche Eintheilung in delicta publica
und delicta privata principum reicht nicht zu. Aeltere,
wie Titius Jus Publ. L. VI. c. II. §. 57. theilen
sie ein in Verbrechen gegen Kaiser und Reich, Ver-
brechen gegen Mitstände und Verbrechen gegen ihre
Unterthanen. Aber auch diese Eintheilung ist in vieler
Rücksicht falsch. Zu der zweyten Klasse rechnet
z. B. Titius den Landsfriedensbruch; dieser ist aber
ein wirkliches Verbrechen gegen das Reich selbst.

§. 35.

Verbrechen können B. von mittelbaren
Reichsunterthanen
begangen werden, welche
nicht nur den Reichsgesetzen, sondern auch
den Particular-Criminalgesetzen ihres Teri-
torii unterworfen sind.


§. 36.
*) Leibes- und Lebensstrafen können also gegen sie
angewendet werden, sobald sie ein Reichsgesetz
übertreten, das dieselben droht. Ich weiss wohl,
dass man das Gegentheil behauptet, dass man weder
die C. C C. noch andere Reichsgesetze in Ansehung
dieser Privatverbrechen auf sie anwendbar hält,
dass man sogar alle Privatverbrechen der Reichs-
stände für straflos erklärt und überhaupt blos von
der Reichsacht, von Geldstrafen und der Beraubung
einzelner Rechte, als Strafen der Reichsstände spricht
(Cramer l. c. §. 11 et 12. Treuer Progr. de iure
publico criminali cautissime dijudicando
. Goett. 1740.
§. 4) Aber ich weiss auch, dass man noch nicht einen
einzigen Grund angeführt hat, der das zu Beweisen-
de auch nur zum Schein bewiesen hätte. Dass
solche Strafen nicht exequirt werden, davon suche
man den Grund nicht in dem Recht, sondern in
der Schwäche unsrer executiven Macht und in den
vermoderten Fugen des deutschen Reichsverbandes.

I. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt.
Geſetz, noch die Natur der Sache für ſie eine
Ausnahme begründet *).

Anmerk. Die gewöhnliche Eintheilung in delicta publica
und delicta privata principum reicht nicht zu. Aeltere,
wie Titius Jus Publ. L. VI. c. II. §. 57. theilen
ſie ein in Verbrechen gegen Kaiſer und Reich, Ver-
brechen gegen Mitſtände und Verbrechen gegen ihre
Unterthanen. Aber auch dieſe Eintheilung iſt in vieler
Rückſicht falſch. Zu der zweyten Klaſſe rechnet
z. B. Titius den Landsfriedensbruch; dieſer iſt aber
ein wirkliches Verbrechen gegen das Reich ſelbſt.

§. 35.

Verbrechen können B. von mittelbaren
Reichsunterthanen
begangen werden, welche
nicht nur den Reichsgeſetzen, ſondern auch
den Particular-Criminalgeſetzen ihres Teri-
torii unterworfen ſind.


§. 36.
*) Leibes- und Lebensſtrafen können alſo gegen ſie
angewendet werden, ſobald ſie ein Reichsgeſetz
übertreten, das dieſelben droht. Ich weiſs wohl,
daſs man das Gegentheil behauptet, daſs man weder
die C. C C. noch andere Reichsgeſetze in Anſehung
dieſer Privatverbrechen auf ſie anwendbar hält,
daſs man ſogar alle Privatverbrechen der Reichs-
ſtände für ſtraflos erklärt und überhaupt blos von
der Reichsacht, von Geldſtrafen und der Beraubung
einzelner Rechte, als Strafen der Reichsſtände ſpricht
(Cramer l. c. §. 11 et 12. Treuer Progr. de iure
publico criminali cautiſsime dijudicando
. Goett. 1740.
§. 4) Aber ich weiſs auch, daſs man noch nicht einen
einzigen Grund angeführt hat, der das zu Beweiſen-
de auch nur zum Schein bewieſen hätte. Daſs
ſolche Strafen nicht exequirt werden, davon ſuche
man den Grund nicht in dem Recht, ſondern in
der Schwäche unſrer executiven Macht und in den
vermoderten Fugen des deutſchen Reichsverbandes.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0056" n="28"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">I. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
Ge&#x017F;etz, noch die Natur der Sache für &#x017F;ie eine<lb/>
Ausnahme begründet <note place="foot" n="*)">Leibes- und Lebens&#x017F;trafen können al&#x017F;o gegen &#x017F;ie<lb/>
angewendet werden, &#x017F;obald &#x017F;ie ein Reichsge&#x017F;etz<lb/>
übertreten, das die&#x017F;elben droht. <choice><sic>lch</sic><corr>Ich</corr></choice> wei&#x017F;s wohl,<lb/>
da&#x017F;s man das Gegentheil behauptet, da&#x017F;s man weder<lb/>
die C. C C. noch andere Reichsge&#x017F;etze in An&#x017F;ehung<lb/>
die&#x017F;er Privatverbrechen auf &#x017F;ie anwendbar hält,<lb/>
da&#x017F;s man &#x017F;ogar alle Privatverbrechen der Reichs-<lb/>
&#x017F;tände für &#x017F;traflos erklärt und überhaupt blos von<lb/>
der Reichsacht, von Geld&#x017F;trafen und der Beraubung<lb/>
einzelner Rechte, als Strafen der Reichs&#x017F;tände &#x017F;pricht<lb/>
(<hi rendition="#g">Cramer</hi> l. c. §. 11 et 12. <hi rendition="#g">Treuer</hi> <hi rendition="#i">Progr. de iure<lb/>
publico criminali cauti&#x017F;sime dijudicando</hi>. Goett. 1740.<lb/>
§. 4) Aber ich wei&#x017F;s auch, da&#x017F;s man noch nicht einen<lb/>
einzigen Grund angeführt hat, der das zu Bewei&#x017F;en-<lb/>
de auch nur zum Schein bewie&#x017F;en hätte. Da&#x017F;s<lb/>
&#x017F;olche Strafen nicht exequirt werden, davon &#x017F;uche<lb/>
man den Grund nicht in dem Recht, &#x017F;ondern in<lb/>
der Schwäche un&#x017F;rer executiven Macht und in den<lb/>
vermoderten Fugen des deut&#x017F;chen Reichsverbandes.</note>.</p><lb/>
                  <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#i">Anmerk</hi>. Die gewöhnliche Eintheilung in delicta publica<lb/>
und delicta privata principum reicht nicht zu. Aeltere,<lb/>
wie <hi rendition="#g">Titius</hi> Jus Publ. L. VI. c. II. §. 57. theilen<lb/>
&#x017F;ie ein in Verbrechen gegen <hi rendition="#i">Kai&#x017F;er</hi> und <hi rendition="#i">Reich</hi>, Ver-<lb/>
brechen gegen <hi rendition="#i">Mit&#x017F;tände</hi> und Verbrechen gegen ihre<lb/><hi rendition="#i">Unterthanen</hi>. Aber auch die&#x017F;e Eintheilung i&#x017F;t in vieler<lb/>
Rück&#x017F;icht fal&#x017F;ch. Zu der zweyten Kla&#x017F;&#x017F;e rechnet<lb/>
z. B. <hi rendition="#i">Titius</hi> den Landsfriedensbruch; die&#x017F;er i&#x017F;t aber<lb/>
ein wirkliches Verbrechen gegen das Reich &#x017F;elb&#x017F;t.</hi> </p>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§. 35.</head><lb/>
                  <p>Verbrechen können B. von <hi rendition="#i">mittelbaren<lb/>
Reichsunterthanen</hi> begangen werden, welche<lb/>
nicht nur den Reichsge&#x017F;etzen, &#x017F;ondern auch<lb/>
den Particular-Criminalge&#x017F;etzen ihres Teri-<lb/>
torii unterworfen &#x017F;ind.</p>
                </div><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch">§. 36.</fw><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0056] I. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. Geſetz, noch die Natur der Sache für ſie eine Ausnahme begründet *). Anmerk. Die gewöhnliche Eintheilung in delicta publica und delicta privata principum reicht nicht zu. Aeltere, wie Titius Jus Publ. L. VI. c. II. §. 57. theilen ſie ein in Verbrechen gegen Kaiſer und Reich, Ver- brechen gegen Mitſtände und Verbrechen gegen ihre Unterthanen. Aber auch dieſe Eintheilung iſt in vieler Rückſicht falſch. Zu der zweyten Klaſſe rechnet z. B. Titius den Landsfriedensbruch; dieſer iſt aber ein wirkliches Verbrechen gegen das Reich ſelbſt. §. 35. Verbrechen können B. von mittelbaren Reichsunterthanen begangen werden, welche nicht nur den Reichsgeſetzen, ſondern auch den Particular-Criminalgeſetzen ihres Teri- torii unterworfen ſind. §. 36. *) Leibes- und Lebensſtrafen können alſo gegen ſie angewendet werden, ſobald ſie ein Reichsgeſetz übertreten, das dieſelben droht. Ich weiſs wohl, daſs man das Gegentheil behauptet, daſs man weder die C. C C. noch andere Reichsgeſetze in Anſehung dieſer Privatverbrechen auf ſie anwendbar hält, daſs man ſogar alle Privatverbrechen der Reichs- ſtände für ſtraflos erklärt und überhaupt blos von der Reichsacht, von Geldſtrafen und der Beraubung einzelner Rechte, als Strafen der Reichsſtände ſpricht (Cramer l. c. §. 11 et 12. Treuer Progr. de iure publico criminali cautiſsime dijudicando. Goett. 1740. §. 4) Aber ich weiſs auch, daſs man noch nicht einen einzigen Grund angeführt hat, der das zu Beweiſen- de auch nur zum Schein bewieſen hätte. Daſs ſolche Strafen nicht exequirt werden, davon ſuche man den Grund nicht in dem Recht, ſondern in der Schwäche unſrer executiven Macht und in den vermoderten Fugen des deutſchen Reichsverbandes.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/56
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/56>, abgerufen am 28.11.2024.