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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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II Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abschnitt.
gerschaft fähig war, auch ausser der Mutter
sein Leben fortzusetzen *) 4) dass es durch eine,
gleichviel, ob positive oder negative, Hand-
lung, der Mutter seines Lebens beraubt wor-
den ist, 6) dass dieses kurz nach der Geburth,
ehe noch andere Personen ausser den etwanigen
Vertrauten, von der Geburth Nachricht er-
halten konnten, geschehen ist **), und endlich
7) dass die Mutter die Schwangerschaft ver-
heimlicht hat, so dass ein schon zur Zeit der
Schwangerschaft gefasster Vorsatz, das Kind
zu töden, anzunehmen ist ***).


§. 273.
*) Ein "Kind, das Leben und Gliedmass empfangen hat",
ein "lebendig gliedmässig Kindlein". cf. Boehmer
ad art. 131. §. 25. Koch inst. j. c. §. 466. not. 2.
**) Klein peinl. R. §. 345.
***) Wegen des Worts "heimlich" Gewöhnlich wird
dieses nur so erklärt, als habe damit Carl den Um-
stand angeben wollen, unter welchem gewöhnlich
dieses Verbrechen begangen wird Allein dann ist
der Zusatz ganz überflüssig, da, wenige ausgenom-
men, alle Verbrechen heimlich geschehen. Schon
dieser Umstand, ausser dem aber besonders, die sich
von selbst darbietende ratio legis rechtfertigen das
obige Requisit. Wird kein dem Akt der Geburt
vorausgehender Entschluss zur Tödung angenom-
men, so sinkt die Strafbarkeit des Kindermords, we-
gen der mancherley concurrirenden Umstände, so
sehr, dass Carl die Todesstrafe nicht angemessen
finden musste. Aber unter dem vorausgesetzten Re-
quisit, ist ein in den Zustand völliger Besonnenheit
fallender Dolus anzunehmen, der nun wieder die
Strafbarkeit erhöht.

II Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
gerſchaft fähig war, auch auſſer der Mutter
ſein Leben fortzuſetzen *) 4) daſs es durch eine,
gleichviel, ob poſitive oder negative, Hand-
lung, der Mutter ſeines Lebens beraubt wor-
den iſt, 6) daſs dieſes kurz nach der Geburth,
ehe noch andere Perſonen auſſer den etwanigen
Vertrauten, von der Geburth Nachricht er-
halten konnten, geſchehen iſt **), und endlich
7) daſs die Mutter die Schwangerſchaft ver-
heimlicht hat, ſo daſs ein ſchon zur Zeit der
Schwangerſchaft gefaſster Vorſatz, das Kind
zu töden, anzunehmen iſt ***).


§. 273.
*) Ein „Kind, das Leben und Gliedmaſs empfangen hat“,
ein „lebendig gliedmäſsig Kindlein“. cf. Boehmer
ad art. 131. §. 25. Koch inſt. j. c. §. 466. not. 2.
**) Klein peinl. R. §. 345.
***) Wegen des Worts „heimlich“ Gewöhnlich wird
dieſes nur ſo erklärt, als habe damit Carl den Um-
ſtand angeben wollen, unter welchem gewöhnlich
dieſes Verbrechen begangen wird Allein dann iſt
der Zuſatz ganz überflüſſig, da, wenige ausgenom-
men, alle Verbrechen heimlich geſchehen. Schon
dieſer Umſtand, auſser dem aber beſonders, die ſich
von ſelbſt darbietende ratio legis rechtfertigen das
obige Requiſit. Wird kein dem Akt der Geburt
vorausgehender Entſchluſs zur Tödung angenom-
men, ſo ſinkt die Strafbarkeit des Kindermords, we-
gen der mancherley concurrirenden Umſtände, ſo
ſehr, daſs Carl die Todesſtrafe nicht angemeſſen
finden muſste. Aber unter dem vorausgeſetzten Re-
quiſit, iſt ein in den Zuſtand völliger Beſonnenheit
fallender Dolus anzunehmen, der nun wieder die
Strafbarkeit erhöht.
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[212/0240] II Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. gerſchaft fähig war, auch auſſer der Mutter ſein Leben fortzuſetzen *) 4) daſs es durch eine, gleichviel, ob poſitive oder negative, Hand- lung, der Mutter ſeines Lebens beraubt wor- den iſt, 6) daſs dieſes kurz nach der Geburth, ehe noch andere Perſonen auſſer den etwanigen Vertrauten, von der Geburth Nachricht er- halten konnten, geſchehen iſt **), und endlich 7) daſs die Mutter die Schwangerſchaft ver- heimlicht hat, ſo daſs ein ſchon zur Zeit der Schwangerſchaft gefaſster Vorſatz, das Kind zu töden, anzunehmen iſt ***). §. 273. *) Ein „Kind, das Leben und Gliedmaſs empfangen hat“, ein „lebendig gliedmäſsig Kindlein“. cf. Boehmer ad art. 131. §. 25. Koch inſt. j. c. §. 466. not. 2. **) Klein peinl. R. §. 345. ***) Wegen des Worts „heimlich“ Gewöhnlich wird dieſes nur ſo erklärt, als habe damit Carl den Um- ſtand angeben wollen, unter welchem gewöhnlich dieſes Verbrechen begangen wird Allein dann iſt der Zuſatz ganz überflüſſig, da, wenige ausgenom- men, alle Verbrechen heimlich geſchehen. Schon dieſer Umſtand, auſser dem aber beſonders, die ſich von ſelbſt darbietende ratio legis rechtfertigen das obige Requiſit. Wird kein dem Akt der Geburt vorausgehender Entſchluſs zur Tödung angenom- men, ſo ſinkt die Strafbarkeit des Kindermords, we- gen der mancherley concurrirenden Umſtände, ſo ſehr, daſs Carl die Todesſtrafe nicht angemeſſen finden muſste. Aber unter dem vorausgeſetzten Re- quiſit, iſt ein in den Zuſtand völliger Beſonnenheit fallender Dolus anzunehmen, der nun wieder die Strafbarkeit erhöht.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/240>, abgerufen am 27.11.2024.