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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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ihn an und für sich selbst, ihn ohne Beziehung auf den
Menschen zu betrachten. Die Philosophie, die Mathematik,
die Astronomie, die Physik, kurz die Wissenschaft überhaupt, ist
der thatsächliche Beweis, weil das Product, dieser in Wahrheit
unendlichen und göttlichen Thätigkeit. Dem Verstande wider-
sprechen
daher auch die religiösen Anthropomorphis-
men
; er negirt sie von Gott. Aber dieser anthropomor-
phismenfreie, rücksichtslose, affectlose Gott
ist nichts
andres, als das eigne gegenständliche Wesen des Ver-
standes
.

Das Wesen des Verstandes, wie es dem Menschen in-
nerhalb der Religion Gegenstand wird, ist Gott als allge-
meines, unpersönliches, abstractes, d. i. metaphysi-
sches
Wesen, Gott als Gott, Gott als Gegensatz der mensch-
lichen Nichtigkeit. Aber dieses Wesen hat für die Religion
nicht mehr Bedeutung, als für eine besondere Wissenschaft ein
allgemeiner Grundsatz, von welchem sie anhebt: es ist nur der
oberste, letzte Anhalts- und Anknüpfungspunkt, gleichsam der
mathematische Punkt der Religion. Das Bewußtsein der mensch-
lichen Nichtigkeit, welches sich mit dem Bewußtsein dieses We-
sens verbindet, ist keineswegs ein religiöses Bewußtsein; es
bezeichnet vielmehr den Skeptiker, den Materialisten, den Na-
turalisten, den Pantheisten. Der Skeptiker, der Materialist
verliert den Glauben an Gott -- wenigstens den Gott der
Religion -- weil er den Glauben an den Menschen, we-
nigstens den Menschen der Religion, verliert. So wenig
es daher der Religion mit der menschlichen Nichtigkeit Ernst
ist und sein kann, so wenig ist ihr Ernst mit dem Wesen, wel-
ches eins ist mit dem Bewußtsein dieser Nichtigkeit. Ernst ist
es der Religion nur mit den Bestimmungen, welche dem Men-

ihn an und für ſich ſelbſt, ihn ohne Beziehung auf den
Menſchen zu betrachten. Die Philoſophie, die Mathematik,
die Aſtronomie, die Phyſik, kurz die Wiſſenſchaft überhaupt, iſt
der thatſächliche Beweis, weil das Product, dieſer in Wahrheit
unendlichen und göttlichen Thätigkeit. Dem Verſtande wider-
ſprechen
daher auch die religiöſen Anthropomorphis-
men
; er negirt ſie von Gott. Aber dieſer anthropomor-
phismenfreie, rückſichtsloſe, affectloſe Gott
iſt nichts
andres, als das eigne gegenſtändliche Weſen des Ver-
ſtandes
.

Das Weſen des Verſtandes, wie es dem Menſchen in-
nerhalb der Religion Gegenſtand wird, iſt Gott als allge-
meines, unperſönliches, abſtractes, d. i. metaphyſi-
ſches
Weſen, Gott als Gott, Gott als Gegenſatz der menſch-
lichen Nichtigkeit. Aber dieſes Weſen hat für die Religion
nicht mehr Bedeutung, als für eine beſondere Wiſſenſchaft ein
allgemeiner Grundſatz, von welchem ſie anhebt: es iſt nur der
oberſte, letzte Anhalts- und Anknüpfungspunkt, gleichſam der
mathematiſche Punkt der Religion. Das Bewußtſein der menſch-
lichen Nichtigkeit, welches ſich mit dem Bewußtſein dieſes We-
ſens verbindet, iſt keineswegs ein religiöſes Bewußtſein; es
bezeichnet vielmehr den Skeptiker, den Materialiſten, den Na-
turaliſten, den Pantheiſten. Der Skeptiker, der Materialiſt
verliert den Glauben an Gott — wenigſtens den Gott der
Religion — weil er den Glauben an den Menſchen, we-
nigſtens den Menſchen der Religion, verliert. So wenig
es daher der Religion mit der menſchlichen Nichtigkeit Ernſt
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[40/0058] ihn an und für ſich ſelbſt, ihn ohne Beziehung auf den Menſchen zu betrachten. Die Philoſophie, die Mathematik, die Aſtronomie, die Phyſik, kurz die Wiſſenſchaft überhaupt, iſt der thatſächliche Beweis, weil das Product, dieſer in Wahrheit unendlichen und göttlichen Thätigkeit. Dem Verſtande wider- ſprechen daher auch die religiöſen Anthropomorphis- men; er negirt ſie von Gott. Aber dieſer anthropomor- phismenfreie, rückſichtsloſe, affectloſe Gott iſt nichts andres, als das eigne gegenſtändliche Weſen des Ver- ſtandes. Das Weſen des Verſtandes, wie es dem Menſchen in- nerhalb der Religion Gegenſtand wird, iſt Gott als allge- meines, unperſönliches, abſtractes, d. i. metaphyſi- ſches Weſen, Gott als Gott, Gott als Gegenſatz der menſch- lichen Nichtigkeit. Aber dieſes Weſen hat für die Religion nicht mehr Bedeutung, als für eine beſondere Wiſſenſchaft ein allgemeiner Grundſatz, von welchem ſie anhebt: es iſt nur der oberſte, letzte Anhalts- und Anknüpfungspunkt, gleichſam der mathematiſche Punkt der Religion. Das Bewußtſein der menſch- lichen Nichtigkeit, welches ſich mit dem Bewußtſein dieſes We- ſens verbindet, iſt keineswegs ein religiöſes Bewußtſein; es bezeichnet vielmehr den Skeptiker, den Materialiſten, den Na- turaliſten, den Pantheiſten. Der Skeptiker, der Materialiſt verliert den Glauben an Gott — wenigſtens den Gott der Religion — weil er den Glauben an den Menſchen, we- nigſtens den Menſchen der Religion, verliert. So wenig es daher der Religion mit der menſchlichen Nichtigkeit Ernſt iſt und ſein kann, ſo wenig iſt ihr Ernſt mit dem Weſen, wel- ches eins iſt mit dem Bewußtſein dieſer Nichtigkeit. Ernſt iſt es der Religion nur mit den Beſtimmungen, welche dem Men-

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/58>, abgerufen am 27.11.2024.