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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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ut sanguinis similitudinem sumamus, ut et ita veritas
non desit et ridiculum nullum fiat a paganis, quod
cruorem occisi hominis bibamus. Petrus Lomb. (Sent.
lib. IV. dist. 11. c. 4.)

Aber wie das blutige Menschenopfer in der höchsten Ne-
gation des Menschen zugleich die höchste Position desselben
ausdrückt, denn nur deßwegen, weil das Menschenleben für
das Höchste gilt, weil also das Opfer desselben das schmerz-
lichste
ist, das Opfer, welches die größte Ueberwindung kostet,
wird es Gott dargebracht -- eben so ist auch der Widerspruch
der Eucharistie mit der menschlichen Natur nur ein scheinbarer.
Auch ganz abgesehen davon, daß Fleisch und Blut mit Wein
und Brot, wie der h. Bernhard sagt, bemäntelt werden, d. h.
in Wahrheit nicht Fleisch, sondern Brot, nicht Blut, son-
dern Wein genossen wird -- das Mysterium der Eucharistie
löst sich auf in das Geheimniß des Essens und Trinkens.
".... Alle alte christliche Lehrer .... lehren, daß der Leib Christi
nicht allein geistlich mit dem Glauben, welches auch außer-
halb
des Sacraments geschieht, sondern auch mündlich, nicht
allein von gläubigen, frommen, sondern auch von unwürdigen,
ungläubigen, falschen und bösen Christen empfangen werde."
"So ist nun zweierley Essen des Fleisches Christi, eines
geistlich .... Solch geistlich Essen aber ist nichts andres als
der Glaube .... Das andere Essen des Leibes Christi ist
mündlich oder sacramentlich." (Concordienb. Erkl. Art. 7.)
Was begründet also die specifische Differenz der Eucha-
ristie? Essen und Trinken. Außer dem Sacrament wird Gott
geistig, im Sacrament sinnlich, mündlich genossen, d. h. ge-
trunken und gegessen. Wie könntest Du aber Gott in Deinen
Leib aufnehmen, wenn er Dir für ein Gottes unwürdiges
Organ gälte? Schüttest Du den Wein in ein Wassergefäß?
Ehrst Du ihn nicht durch ein besondres Glas? Fassest Du mit
Deinen Händen oder Lippen an, was Dich ekelt? Erklärst
Du nicht dadurch das Schöne allein für das Berührungs-
würdige? Sprichst Du nicht die Hände und Lippen heilig,

Feuerbach. 29

ut sanguinis similitudinem sumamus, ut et ita veritas
non desit et ridiculum nullum fiat a paganis, quod
cruorem occisi hominis bibamus. Petrus Lomb. (Sent.
lib. IV. dist. 11. c. 4.)

Aber wie das blutige Menſchenopfer in der höchſten Ne-
gation des Menſchen zugleich die höchſte Poſition deſſelben
ausdrückt, denn nur deßwegen, weil das Menſchenleben für
das Höchſte gilt, weil alſo das Opfer deſſelben das ſchmerz-
lichſte
iſt, das Opfer, welches die größte Ueberwindung koſtet,
wird es Gott dargebracht — eben ſo iſt auch der Widerſpruch
der Euchariſtie mit der menſchlichen Natur nur ein ſcheinbarer.
Auch ganz abgeſehen davon, daß Fleiſch und Blut mit Wein
und Brot, wie der h. Bernhard ſagt, bemäntelt werden, d. h.
in Wahrheit nicht Fleiſch, ſondern Brot, nicht Blut, ſon-
dern Wein genoſſen wird — das Myſterium der Euchariſtie
löſt ſich auf in das Geheimniß des Eſſens und Trinkens.
„.... Alle alte chriſtliche Lehrer .... lehren, daß der Leib Chriſti
nicht allein geiſtlich mit dem Glauben, welches auch außer-
halb
des Sacraments geſchieht, ſondern auch mündlich, nicht
allein von gläubigen, frommen, ſondern auch von unwürdigen,
ungläubigen, falſchen und böſen Chriſten empfangen werde.“
„So iſt nun zweierley Eſſen des Fleiſches Chriſti, eines
geiſtlich .... Solch geiſtlich Eſſen aber iſt nichts andres als
der Glaube .... Das andere Eſſen des Leibes Chriſti iſt
mündlich oder ſacramentlich.“ (Concordienb. Erkl. Art. 7.)
Was begründet alſo die ſpecifiſche Differenz der Eucha-
riſtie? Eſſen und Trinken. Außer dem Sacrament wird Gott
geiſtig, im Sacrament ſinnlich, mündlich genoſſen, d. h. ge-
trunken und gegeſſen. Wie könnteſt Du aber Gott in Deinen
Leib aufnehmen, wenn er Dir für ein Gottes unwürdiges
Organ gälte? Schütteſt Du den Wein in ein Waſſergefäß?
Ehrſt Du ihn nicht durch ein beſondres Glas? Faſſeſt Du mit
Deinen Händen oder Lippen an, was Dich ekelt? Erklärſt
Du nicht dadurch das Schöne allein für das Berührungs-
würdige? Sprichſt Du nicht die Hände und Lippen heilig,

Feuerbach. 29
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[449/0467] ut sanguinis similitudinem sumamus, ut et ita veritas non desit et ridiculum nullum fiat a paganis, quod cruorem occisi hominis bibamus. Petrus Lomb. (Sent. lib. IV. dist. 11. c. 4.) Aber wie das blutige Menſchenopfer in der höchſten Ne- gation des Menſchen zugleich die höchſte Poſition deſſelben ausdrückt, denn nur deßwegen, weil das Menſchenleben für das Höchſte gilt, weil alſo das Opfer deſſelben das ſchmerz- lichſte iſt, das Opfer, welches die größte Ueberwindung koſtet, wird es Gott dargebracht — eben ſo iſt auch der Widerſpruch der Euchariſtie mit der menſchlichen Natur nur ein ſcheinbarer. Auch ganz abgeſehen davon, daß Fleiſch und Blut mit Wein und Brot, wie der h. Bernhard ſagt, bemäntelt werden, d. h. in Wahrheit nicht Fleiſch, ſondern Brot, nicht Blut, ſon- dern Wein genoſſen wird — das Myſterium der Euchariſtie löſt ſich auf in das Geheimniß des Eſſens und Trinkens. „.... Alle alte chriſtliche Lehrer .... lehren, daß der Leib Chriſti nicht allein geiſtlich mit dem Glauben, welches auch außer- halb des Sacraments geſchieht, ſondern auch mündlich, nicht allein von gläubigen, frommen, ſondern auch von unwürdigen, ungläubigen, falſchen und böſen Chriſten empfangen werde.“ „So iſt nun zweierley Eſſen des Fleiſches Chriſti, eines geiſtlich .... Solch geiſtlich Eſſen aber iſt nichts andres als der Glaube .... Das andere Eſſen des Leibes Chriſti iſt mündlich oder ſacramentlich.“ (Concordienb. Erkl. Art. 7.) Was begründet alſo die ſpecifiſche Differenz der Eucha- riſtie? Eſſen und Trinken. Außer dem Sacrament wird Gott geiſtig, im Sacrament ſinnlich, mündlich genoſſen, d. h. ge- trunken und gegeſſen. Wie könnteſt Du aber Gott in Deinen Leib aufnehmen, wenn er Dir für ein Gottes unwürdiges Organ gälte? Schütteſt Du den Wein in ein Waſſergefäß? Ehrſt Du ihn nicht durch ein beſondres Glas? Faſſeſt Du mit Deinen Händen oder Lippen an, was Dich ekelt? Erklärſt Du nicht dadurch das Schöne allein für das Berührungs- würdige? Sprichſt Du nicht die Hände und Lippen heilig, Feuerbach. 29

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/467>, abgerufen am 07.05.2024.