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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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also das Natürliche nicht zurückgesetzt; es bleibt vielmehr immer
noch eine gewisse Analogie, ein Schein von Natürlichkeit
übrig. Der Wein repräsentirt das Blut, das Brot das
Fleisch *). Auch das Wunder richtet sich nach Aehnlichkeiten;
es verwandelt Wasser in Wein oder Blut, eine Species in
eine andere, unter Beibehaltung des unbestimmten Gattungs-
begriffs der Flüssigkeit. So also auch hier. Das Wasser ist
die reinste, klarste sichtbare Flüssigkeit: vermöge dieser seiner
Naturbeschaffenheit das Bild von dem fleckenlosen Wesen des
göttlichen Geistes. Kurz, das Wasser hat zugleich für sich
selbst
, als Wasser, Bedeutung; es wird ob seiner natürli-
chen Qualität
geheiligt, zum Organ oder Vehikel des heiligen
Geistes erkoren. Insofern liegt der Taufe ein schöner tiefer
Natursinn zu Grunde. Indeß dieser schöne Sinn geht sogleich
wieder verloren, indem das Wasser eine transcendente Wirkung
hat -- eine Wirkung, die es nur durch die übernatürliche
Kraft des heiligen Geistes, nicht durch sich selbst hat. Die
natürliche Qualität wird insofern wieder gleichgültig: wer aus
Wein Wasser macht, kann willkührlich mit jedem Stoffe die
Wirkungen des Taufwassers verbinden.

Die Taufe kann daher nicht ohne den Begriff des Wun-
ders gefaßt werden. Die Taufe ist selbst ein Wunder. Dieselbe
Kraft, welche die Wunder gewirkt, und durch sie, als that-
sächliche Beweise der Gottheit Christi die Juden und Heiden
in Christen umgewandelt, dieselbe Kraft hat die Taufe einge-
setzt und wirkt in ihr. Mit Wundern hat das Christenthum
angefangen, mit Wundern setzt es sich fort. Will man die
Wunderkraft der Taufe läugnen, so muß man auch die Wunder

*) Sacramentum ejus rei similitudinem gerit, cujus signum
est. Petrus Lomb. l. IV. dist. 1. c
. 1.

alſo das Natürliche nicht zurückgeſetzt; es bleibt vielmehr immer
noch eine gewiſſe Analogie, ein Schein von Natürlichkeit
übrig. Der Wein repräſentirt das Blut, das Brot das
Fleiſch *). Auch das Wunder richtet ſich nach Aehnlichkeiten;
es verwandelt Waſſer in Wein oder Blut, eine Species in
eine andere, unter Beibehaltung des unbeſtimmten Gattungs-
begriffs der Flüſſigkeit. So alſo auch hier. Das Waſſer iſt
die reinſte, klarſte ſichtbare Flüſſigkeit: vermöge dieſer ſeiner
Naturbeſchaffenheit das Bild von dem fleckenloſen Weſen des
göttlichen Geiſtes. Kurz, das Waſſer hat zugleich für ſich
ſelbſt
, als Waſſer, Bedeutung; es wird ob ſeiner natürli-
chen Qualität
geheiligt, zum Organ oder Vehikel des heiligen
Geiſtes erkoren. Inſofern liegt der Taufe ein ſchöner tiefer
Naturſinn zu Grunde. Indeß dieſer ſchöne Sinn geht ſogleich
wieder verloren, indem das Waſſer eine transcendente Wirkung
hat — eine Wirkung, die es nur durch die übernatürliche
Kraft des heiligen Geiſtes, nicht durch ſich ſelbſt hat. Die
natürliche Qualität wird inſofern wieder gleichgültig: wer aus
Wein Waſſer macht, kann willkührlich mit jedem Stoffe die
Wirkungen des Taufwaſſers verbinden.

Die Taufe kann daher nicht ohne den Begriff des Wun-
ders gefaßt werden. Die Taufe iſt ſelbſt ein Wunder. Dieſelbe
Kraft, welche die Wunder gewirkt, und durch ſie, als that-
ſächliche Beweiſe der Gottheit Chriſti die Juden und Heiden
in Chriſten umgewandelt, dieſelbe Kraft hat die Taufe einge-
ſetzt und wirkt in ihr. Mit Wundern hat das Chriſtenthum
angefangen, mit Wundern ſetzt es ſich fort. Will man die
Wunderkraft der Taufe läugnen, ſo muß man auch die Wunder

*) Sacramentum ejus rei similitudinem gerit, cujus signum
est. Petrus Lomb. l. IV. dist. 1. c
. 1.
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[322/0340] alſo das Natürliche nicht zurückgeſetzt; es bleibt vielmehr immer noch eine gewiſſe Analogie, ein Schein von Natürlichkeit übrig. Der Wein repräſentirt das Blut, das Brot das Fleiſch *). Auch das Wunder richtet ſich nach Aehnlichkeiten; es verwandelt Waſſer in Wein oder Blut, eine Species in eine andere, unter Beibehaltung des unbeſtimmten Gattungs- begriffs der Flüſſigkeit. So alſo auch hier. Das Waſſer iſt die reinſte, klarſte ſichtbare Flüſſigkeit: vermöge dieſer ſeiner Naturbeſchaffenheit das Bild von dem fleckenloſen Weſen des göttlichen Geiſtes. Kurz, das Waſſer hat zugleich für ſich ſelbſt, als Waſſer, Bedeutung; es wird ob ſeiner natürli- chen Qualität geheiligt, zum Organ oder Vehikel des heiligen Geiſtes erkoren. Inſofern liegt der Taufe ein ſchöner tiefer Naturſinn zu Grunde. Indeß dieſer ſchöne Sinn geht ſogleich wieder verloren, indem das Waſſer eine transcendente Wirkung hat — eine Wirkung, die es nur durch die übernatürliche Kraft des heiligen Geiſtes, nicht durch ſich ſelbſt hat. Die natürliche Qualität wird inſofern wieder gleichgültig: wer aus Wein Waſſer macht, kann willkührlich mit jedem Stoffe die Wirkungen des Taufwaſſers verbinden. Die Taufe kann daher nicht ohne den Begriff des Wun- ders gefaßt werden. Die Taufe iſt ſelbſt ein Wunder. Dieſelbe Kraft, welche die Wunder gewirkt, und durch ſie, als that- ſächliche Beweiſe der Gottheit Chriſti die Juden und Heiden in Chriſten umgewandelt, dieſelbe Kraft hat die Taufe einge- ſetzt und wirkt in ihr. Mit Wundern hat das Chriſtenthum angefangen, mit Wundern ſetzt es ſich fort. Will man die Wunderkraft der Taufe läugnen, ſo muß man auch die Wunder *) Sacramentum ejus rei similitudinem gerit, cujus signum est. Petrus Lomb. l. IV. dist. 1. c. 1.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/340>, abgerufen am 24.11.2024.