Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.in der That das göttliche und menschliche Wesen identisch, Aller Identität, die nicht wahrhafte Identität, Identität gelöst fand. Aber in dem Gottmenschen ist eben so wohl die Einheit, als
die Unvereinbarkeit, der Zwiespalt, der Widerspruch des göttlichen und menschlichen Wesens ausgesprochen. S. hierüber im Anhang. Hegel's Philosophie, insbesondere Religionsphilosophie ist ein Kampf der Spe- culation und Religion, in welchem bald die Religion von der Speculation, bald die Speculation von der Religion überwältigt wird. in der That das göttliche und menſchliche Weſen identiſch, Aller Identität, die nicht wahrhafte Identität, Identität gelöſt fand. Aber in dem Gottmenſchen iſt eben ſo wohl die Einheit, als
die Unvereinbarkeit, der Zwieſpalt, der Widerſpruch des göttlichen und menſchlichen Weſens ausgeſprochen. S. hierüber im Anhang. Hegel’s Philoſophie, insbeſondere Religionsphiloſophie iſt ein Kampf der Spe- culation und Religion, in welchem bald die Religion von der Speculation, bald die Speculation von der Religion überwältigt wird. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0331" n="313"/> in der That das göttliche und menſchliche Weſen identiſch,<lb/> wozu noch <hi rendition="#g">Zwei</hi>? Der gerade, einfache, wahre, ſachgemäße<lb/> Ausdruck iſt: <hi rendition="#g">das göttliche Weſen iſt gar nichts andres<lb/> als das menſchliche Weſen ſelbſt</hi>. Der indirecte, ver-<lb/> kehrte, myſtiſche, aber deßwegen „<hi rendition="#g">tiefe</hi>“ Ausdruck — alles<lb/> Natürliche unnatürlich, alles Einfache verkehrt und widerſpre-<lb/> chend ausgedrückt iſt Tief, iſt Speculativ im modernen Sinn —<lb/> der myſtiſche Ausdruck iſt die <hi rendition="#g">Identität von Zweien</hi>, das<lb/><hi rendition="#g">Und</hi> — dieſes Und daher die Akme der religiöſen Speculation,<lb/> indem damit einerſeits die Religion, wenigſtens bis zu einem<lb/> gewiſſen Grade, andererſeits die Speculation zufrieden geſtellt,<lb/> beruhigt wird. <hi rendition="#g">Zwei</hi> iſt der <hi rendition="#g">Schein</hi> der Religion, der übrig<lb/> geblieben und die Augen der Speculation verblendet, die Copula<lb/> dagegen die Befriedigung des Gedankens, der in dem Göttli-<lb/> chen das Menſchliche erkennt. Der Wahrheit nach iſt aber<lb/> dieſe Identität, wie geſagt, nur der <hi rendition="#g">verſchrobene</hi> Ausdruck<lb/> der Identität des menſchlichen Weſens <hi rendition="#g">mit ſich ſelbſt</hi>, welcher<lb/> zufolge der Menſch nichts als Gott ſetzen kann, was nicht<lb/> menſchlichen Weſens iſt.</p><lb/> <p>Aller Identität, die nicht wahrhafte Identität, Identität<lb/> mit ſich ſelbſt iſt, liegt noch die Trennung in Zwei zu Grunde,<lb/> indem ſie zugleich aufgehoben wird oder aufgehoben werden<lb/> ſoll. Jede Einheit ſolcher Art iſt ein <hi rendition="#g">Widerſpruch</hi> mit ſich<lb/> ſelbſt und mit dem Verſtande — eine <hi rendition="#g">Halbheit</hi> — eine <hi rendition="#g">Phan-</hi><lb/><note xml:id="note-0331" prev="#note-0330" place="foot" n="*)">gelöſt fand. Aber in dem Gottmenſchen iſt eben ſo wohl die Einheit, als<lb/> die Unvereinbarkeit, der Zwieſpalt, der Widerſpruch des göttlichen und<lb/> menſchlichen Weſens ausgeſprochen. S. hierüber im Anhang. Hegel’s<lb/> Philoſophie, insbeſondere Religionsphiloſophie iſt ein Kampf der Spe-<lb/> culation und Religion, in welchem bald die Religion von der Speculation,<lb/> bald die Speculation von der Religion überwältigt wird.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [313/0331]
in der That das göttliche und menſchliche Weſen identiſch,
wozu noch Zwei? Der gerade, einfache, wahre, ſachgemäße
Ausdruck iſt: das göttliche Weſen iſt gar nichts andres
als das menſchliche Weſen ſelbſt. Der indirecte, ver-
kehrte, myſtiſche, aber deßwegen „tiefe“ Ausdruck — alles
Natürliche unnatürlich, alles Einfache verkehrt und widerſpre-
chend ausgedrückt iſt Tief, iſt Speculativ im modernen Sinn —
der myſtiſche Ausdruck iſt die Identität von Zweien, das
Und — dieſes Und daher die Akme der religiöſen Speculation,
indem damit einerſeits die Religion, wenigſtens bis zu einem
gewiſſen Grade, andererſeits die Speculation zufrieden geſtellt,
beruhigt wird. Zwei iſt der Schein der Religion, der übrig
geblieben und die Augen der Speculation verblendet, die Copula
dagegen die Befriedigung des Gedankens, der in dem Göttli-
chen das Menſchliche erkennt. Der Wahrheit nach iſt aber
dieſe Identität, wie geſagt, nur der verſchrobene Ausdruck
der Identität des menſchlichen Weſens mit ſich ſelbſt, welcher
zufolge der Menſch nichts als Gott ſetzen kann, was nicht
menſchlichen Weſens iſt.
Aller Identität, die nicht wahrhafte Identität, Identität
mit ſich ſelbſt iſt, liegt noch die Trennung in Zwei zu Grunde,
indem ſie zugleich aufgehoben wird oder aufgehoben werden
ſoll. Jede Einheit ſolcher Art iſt ein Widerſpruch mit ſich
ſelbſt und mit dem Verſtande — eine Halbheit — eine Phan-
*)
*) gelöſt fand. Aber in dem Gottmenſchen iſt eben ſo wohl die Einheit, als
die Unvereinbarkeit, der Zwieſpalt, der Widerſpruch des göttlichen und
menſchlichen Weſens ausgeſprochen. S. hierüber im Anhang. Hegel’s
Philoſophie, insbeſondere Religionsphiloſophie iſt ein Kampf der Spe-
culation und Religion, in welchem bald die Religion von der Speculation,
bald die Speculation von der Religion überwältigt wird.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |