natürlichem Wege entstanden zu denken, ein Interdict aller Physik und Naturphilosophie. Das religiöse Bewußtsein knüpft unmittelbar an Gott die Welt an; es leitet Alles aus Gott ab, weil ihm nichts in seiner Besonderheit und Wirklich- keit, nichts als ein Object der Theorie Gegenstand ist. Alles kommt aus Gott -- das ist genug, das befriedigt vollkom- men das religiöse Bewußtsein. Die Frage: wie Gott erschaf- fen? ist ein indirecter Zweifel, daß Gott die Welt ge- schaffen. Mit dieser Frage kam der Mensch auf den Atheis- mus, Materialismus, Naturalismus. Wer so fragt, dem ist schon die Welt Gegenstand als Object der Theorie, der Phy- sik, d. h. in ihrer Wirklichkeit, in der Bestimmtheit ihres In- halts. Dieser Inhalt widerspricht aber der Vorstellung der unbestimmten, immateriellen, stofflosen Thätigkeit. Und dieser Widerspruch führt zur Negation der Grundvorstellung.
Die Schöpfung der Allmacht ist nur da an ihrem Platze, nur da eine Wahrheit, wo alle Ereignisse und Phänomene der Welt aus Gott abgeleitet werden. Sie wird, wie schon erwähnt, zu einer Mythe aus vergangner Zeit, wo sich die Physik ins Mittel schlägt, wo die bestimmten Gründe, das Wie der Erscheinungen der Mensch zum Gegenstand seiner Forschung macht. Dem religiösen Bewußtsein ist daher auch die Schöpfung nichts Unbegreifliches, d. h. Unbefriedigendes, höchstens nur in den Momenten der Irreligiosität, des Zwei- fels, wo es sich von Gott ab und den Dingen zuwendet, wohl aber der Reflexion, der Theologie, die mit dem einen Auge in den Himmel, mit dem andern in die Welt schielt. So viel in der Ursache ist, soviel ist in der Wirkung. Eine Flöte bringt nur Flötentöne, aber keine Fagot- und Trompe- tentöne hervor. Wenn Du einen Fagotton hörst, aber außer
natürlichem Wege entſtanden zu denken, ein Interdict aller Phyſik und Naturphiloſophie. Das religiöſe Bewußtſein knüpft unmittelbar an Gott die Welt an; es leitet Alles aus Gott ab, weil ihm nichts in ſeiner Beſonderheit und Wirklich- keit, nichts als ein Object der Theorie Gegenſtand iſt. Alles kommt aus Gott — das iſt genug, das befriedigt vollkom- men das religiöſe Bewußtſein. Die Frage: wie Gott erſchaf- fen? iſt ein indirecter Zweifel, daß Gott die Welt ge- ſchaffen. Mit dieſer Frage kam der Menſch auf den Atheis- mus, Materialismus, Naturalismus. Wer ſo fragt, dem iſt ſchon die Welt Gegenſtand als Object der Theorie, der Phy- ſik, d. h. in ihrer Wirklichkeit, in der Beſtimmtheit ihres In- halts. Dieſer Inhalt widerſpricht aber der Vorſtellung der unbeſtimmten, immateriellen, ſtoffloſen Thätigkeit. Und dieſer Widerſpruch führt zur Negation der Grundvorſtellung.
Die Schöpfung der Allmacht iſt nur da an ihrem Platze, nur da eine Wahrheit, wo alle Ereigniſſe und Phänomene der Welt aus Gott abgeleitet werden. Sie wird, wie ſchon erwähnt, zu einer Mythe aus vergangner Zeit, wo ſich die Phyſik ins Mittel ſchlägt, wo die beſtimmten Gründe, das Wie der Erſcheinungen der Menſch zum Gegenſtand ſeiner Forſchung macht. Dem religiöſen Bewußtſein iſt daher auch die Schöpfung nichts Unbegreifliches, d. h. Unbefriedigendes, höchſtens nur in den Momenten der Irreligioſität, des Zwei- fels, wo es ſich von Gott ab und den Dingen zuwendet, wohl aber der Reflexion, der Theologie, die mit dem einen Auge in den Himmel, mit dem andern in die Welt ſchielt. So viel in der Urſache iſt, ſoviel iſt in der Wirkung. Eine Flöte bringt nur Flötentöne, aber keine Fagot- und Trompe- tentöne hervor. Wenn Du einen Fagotton hörſt, aber außer
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natürlichem Wege entſtanden zu denken, ein Interdict aller
Phyſik und Naturphiloſophie. Das religiöſe Bewußtſein
knüpft unmittelbar an Gott die Welt an; es leitet Alles aus
Gott ab, weil ihm nichts in ſeiner Beſonderheit und Wirklich-
keit, nichts als ein Object der Theorie Gegenſtand iſt. Alles
kommt aus Gott — das iſt genug, das befriedigt vollkom-
men das religiöſe Bewußtſein. Die Frage: wie Gott erſchaf-
fen? iſt ein indirecter Zweifel, daß Gott die Welt ge-
ſchaffen. Mit dieſer Frage kam der Menſch auf den Atheis-
mus, Materialismus, Naturalismus. Wer ſo fragt, dem iſt
ſchon die Welt Gegenſtand als Object der Theorie, der Phy-
ſik, d. h. in ihrer Wirklichkeit, in der Beſtimmtheit ihres In-
halts. Dieſer Inhalt widerſpricht aber der Vorſtellung der
unbeſtimmten, immateriellen, ſtoffloſen Thätigkeit. Und dieſer
Widerſpruch führt zur Negation der Grundvorſtellung.
Die Schöpfung der Allmacht iſt nur da an ihrem Platze,
nur da eine Wahrheit, wo alle Ereigniſſe und Phänomene
der Welt aus Gott abgeleitet werden. Sie wird, wie ſchon
erwähnt, zu einer Mythe aus vergangner Zeit, wo ſich die
Phyſik ins Mittel ſchlägt, wo die beſtimmten Gründe, das
Wie der Erſcheinungen der Menſch zum Gegenſtand ſeiner
Forſchung macht. Dem religiöſen Bewußtſein iſt daher auch
die Schöpfung nichts Unbegreifliches, d. h. Unbefriedigendes,
höchſtens nur in den Momenten der Irreligioſität, des Zwei-
fels, wo es ſich von Gott ab und den Dingen zuwendet,
wohl aber der Reflexion, der Theologie, die mit dem einen
Auge in den Himmel, mit dem andern in die Welt ſchielt.
So viel in der Urſache iſt, ſoviel iſt in der Wirkung. Eine
Flöte bringt nur Flötentöne, aber keine Fagot- und Trompe-
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/317>, abgerufen am 28.11.2024.
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