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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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das Princip der Ehe als ein sündiges, ein zu negirendes;
denn das sündlose, das positive Leben ist das himmlische*).


Der christliche Himmel oder die persönliche Unsterb-
lichkeit.

Das ehelose, überhaupt ascetische Leben ist der directe
Weg zum himmlischen unsterblichen Leben, denn der Himmel
ist nichts andres als das übernatürliche, gattungsfreie,
geschlechtslose, absolut subjective Leben. Dem Glauben an
die persönliche Unsterblichkeit liegt der Glaube zu Grunde, daß
die Geschlechtsdifferenz nur ein äußerlicher Anflug der Indi-
vidualität, daß an sich das Individuum ein geschlechtsloses,
für sich selbst vollständiges, absolutes Wesen ist. Wer aber
keinem Geschlecht angehört, gehört keiner Gattung an -- die
Geschlechtsdifferenz ist die Nabelschnur, durch welche die Indi-
vidualität mit der Gattung zusammenhängt -- und wer keiner
Gattung angehört, der gehört nur sich selbst an, ist ein schlecht-
hin bedürfnißloses, göttliches, absolutes Wesen. Nur da daher,
wo die Gattung aus dem Bewußtsein verschwindet, wird das
himmlische Leben zur Gewißheit. Wer im Bewußtsein der
Gattung
und folglich ihrer Realität lebt, der lebt auch

*) Insofern das religiöse Bewußtsein alles zuletzt wieder setzt,
was es anfangs aufhebt, das jenseitige Leben daher zuletzt nichts andres
ist als das wiederhergestellte dießseitige Leben, so muß consequent auch das
Geschlecht wiederhergestellt werden. Erunt ... similes angelorum.
Ergo homines esse non desinent .... ut apostolus apostolus sit et
Maria Maria. Hieronymus (ad Theodoram viduam.)
Aber wie
der jenseitige Körper ein unkörperlicher Körper, so ist nothwendig
das dortige Geschlecht ein differenzloses, d. i. geschlechtloses
Geschlecht.
Feuerbach. 15

das Princip der Ehe als ein ſündiges, ein zu negirendes;
denn das ſündloſe, das poſitive Leben iſt das himmliſche*).


Der chriſtliche Himmel oder die perſönliche Unſterb-
lichkeit.

Das eheloſe, überhaupt ascetiſche Leben iſt der directe
Weg zum himmliſchen unſterblichen Leben, denn der Himmel
iſt nichts andres als das übernatürliche, gattungsfreie,
geſchlechtsloſe, abſolut ſubjective Leben. Dem Glauben an
die perſönliche Unſterblichkeit liegt der Glaube zu Grunde, daß
die Geſchlechtsdifferenz nur ein äußerlicher Anflug der Indi-
vidualität, daß an ſich das Individuum ein geſchlechtsloſes,
für ſich ſelbſt vollſtändiges, abſolutes Weſen iſt. Wer aber
keinem Geſchlecht angehört, gehört keiner Gattung an — die
Geſchlechtsdifferenz iſt die Nabelſchnur, durch welche die Indi-
vidualität mit der Gattung zuſammenhängt — und wer keiner
Gattung angehört, der gehört nur ſich ſelbſt an, iſt ein ſchlecht-
hin bedürfnißloſes, göttliches, abſolutes Weſen. Nur da daher,
wo die Gattung aus dem Bewußtſein verſchwindet, wird das
himmliſche Leben zur Gewißheit. Wer im Bewußtſein der
Gattung
und folglich ihrer Realität lebt, der lebt auch

*) Inſofern das religiöſe Bewußtſein alles zuletzt wieder ſetzt,
was es anfangs aufhebt, das jenſeitige Leben daher zuletzt nichts andres
iſt als das wiederhergeſtellte dießſeitige Leben, ſo muß conſequent auch das
Geſchlecht wiederhergeſtellt werden. Erunt … similes angelorum.
Ergo homines esse non desinent .... ut apostolus apostolus sit et
Maria Maria. Hieronymus (ad Theodoram viduam.)
Aber wie
der jenſeitige Körper ein unkörperlicher Körper, ſo iſt nothwendig
das dortige Geſchlecht ein differenzloſes, d. i. geſchlechtloſes
Geſchlecht.
Feuerbach. 15
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[225/0243] das Princip der Ehe als ein ſündiges, ein zu negirendes; denn das ſündloſe, das poſitive Leben iſt das himmliſche *). Der chriſtliche Himmel oder die perſönliche Unſterb- lichkeit. Das eheloſe, überhaupt ascetiſche Leben iſt der directe Weg zum himmliſchen unſterblichen Leben, denn der Himmel iſt nichts andres als das übernatürliche, gattungsfreie, geſchlechtsloſe, abſolut ſubjective Leben. Dem Glauben an die perſönliche Unſterblichkeit liegt der Glaube zu Grunde, daß die Geſchlechtsdifferenz nur ein äußerlicher Anflug der Indi- vidualität, daß an ſich das Individuum ein geſchlechtsloſes, für ſich ſelbſt vollſtändiges, abſolutes Weſen iſt. Wer aber keinem Geſchlecht angehört, gehört keiner Gattung an — die Geſchlechtsdifferenz iſt die Nabelſchnur, durch welche die Indi- vidualität mit der Gattung zuſammenhängt — und wer keiner Gattung angehört, der gehört nur ſich ſelbſt an, iſt ein ſchlecht- hin bedürfnißloſes, göttliches, abſolutes Weſen. Nur da daher, wo die Gattung aus dem Bewußtſein verſchwindet, wird das himmliſche Leben zur Gewißheit. Wer im Bewußtſein der Gattung und folglich ihrer Realität lebt, der lebt auch *) Inſofern das religiöſe Bewußtſein alles zuletzt wieder ſetzt, was es anfangs aufhebt, das jenſeitige Leben daher zuletzt nichts andres iſt als das wiederhergeſtellte dießſeitige Leben, ſo muß conſequent auch das Geſchlecht wiederhergeſtellt werden. Erunt … similes angelorum. Ergo homines esse non desinent .... ut apostolus apostolus sit et Maria Maria. Hieronymus (ad Theodoram viduam.) Aber wie der jenſeitige Körper ein unkörperlicher Körper, ſo iſt nothwendig das dortige Geſchlecht ein differenzloſes, d. i. geſchlechtloſes Geſchlecht. Feuerbach. 15

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/243>, abgerufen am 21.11.2024.