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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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Wunders. Der Beweis der Vorsehung ist das Wunder *).
Der Glaube an die Vorsehung ist der Glaube an eine Macht,
der alle Dinge zu beliebigem Gebrauche und Gebote stehen,
deren Kraft gegenüber alle Macht der Wirklichkeit Nichts
ist
. Die Vorsehung hebt die Gesetze der Natur auf; sie un-
terbricht den Gang der Nothwendigkeit, das eiserne Band, das
unvermeidlich die Folge an die Ursache knüpft; kurz sie ist der-
selbe unbeschränkte, allgewaltige Wille
, der die Welt
aus Nichts ins Sein gerufen. Das Wunder ist eine Crea-
tio ex nihilo,
eine Schöpfung aus Nichts. Wer Wein
aus Wasser macht, der macht Wein aus Nichts, denn der Stoff
zum Wein liegt nicht im Wasser; widrigensfalls wäre die Her-
vorbringung des Weins keine wunderbare, sondern natürliche
Handlung. Aber nur im Wunder bewährt, beweist sich
die Vorsehung. Dasselbe, was die Schöpfung aus Nichts,
sagt daher die Vorsehung aus. Die Schöpfung aus Nichts
kann nur im Zusammenhang mit der Vorsehung, mit
dem Wunder begriffen und erklärt werden
; denn das
Wunder will eigentlich nichts weiter aussagen, als daß der
Wunderthäter Derselbe ist, welcher die Dinge durch sei-
nen bloßen Willen aus Nichts hervorgebracht -- Gott, der
Schöpfer.

Die Vorsehung bezieht sich aber wesentlich auf den
Menschen. Um des Menschen willen
macht die Vor-
sehung mit den Dingen, was sie nur immer will, um seinet-
willen hebt sie die Gültigkeit und Realität des sonst allmäch-
tigen Gesetzes auf. Die Bewunderung der Vorsehung in der
Natur, namentlich der Thierwelt, ist nichts andres als eine

*) Certissimum divinae providentiae testimonium praebent
miracula. H. Grotius de verit. rel. christ. l. I.
§. 13.
Feuerbach. 9

Wunders. Der Beweis der Vorſehung iſt das Wunder *).
Der Glaube an die Vorſehung iſt der Glaube an eine Macht,
der alle Dinge zu beliebigem Gebrauche und Gebote ſtehen,
deren Kraft gegenüber alle Macht der Wirklichkeit Nichts
iſt
. Die Vorſehung hebt die Geſetze der Natur auf; ſie un-
terbricht den Gang der Nothwendigkeit, das eiſerne Band, das
unvermeidlich die Folge an die Urſache knüpft; kurz ſie iſt der-
ſelbe unbeſchränkte, allgewaltige Wille
, der die Welt
aus Nichts ins Sein gerufen. Das Wunder iſt eine Crea-
tio ex nihilo,
eine Schöpfung aus Nichts. Wer Wein
aus Waſſer macht, der macht Wein aus Nichts, denn der Stoff
zum Wein liegt nicht im Waſſer; widrigensfalls wäre die Her-
vorbringung des Weins keine wunderbare, ſondern natürliche
Handlung. Aber nur im Wunder bewährt, beweiſt ſich
die Vorſehung. Daſſelbe, was die Schöpfung aus Nichts,
ſagt daher die Vorſehung aus. Die Schöpfung aus Nichts
kann nur im Zuſammenhang mit der Vorſehung, mit
dem Wunder begriffen und erklärt werden
; denn das
Wunder will eigentlich nichts weiter ausſagen, als daß der
Wunderthäter Derſelbe iſt, welcher die Dinge durch ſei-
nen bloßen Willen aus Nichts hervorgebracht — Gott, der
Schöpfer.

Die Vorſehung bezieht ſich aber weſentlich auf den
Menſchen. Um des Menſchen willen
macht die Vor-
ſehung mit den Dingen, was ſie nur immer will, um ſeinet-
willen hebt ſie die Gültigkeit und Realität des ſonſt allmäch-
tigen Geſetzes auf. Die Bewunderung der Vorſehung in der
Natur, namentlich der Thierwelt, iſt nichts andres als eine

*) Certissimum divinae providentiae testimonium praebent
miracula. H. Grotius de verit. rel. christ. l. I.
§. 13.
Feuerbach. 9
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[129/0147] Wunders. Der Beweis der Vorſehung iſt das Wunder *). Der Glaube an die Vorſehung iſt der Glaube an eine Macht, der alle Dinge zu beliebigem Gebrauche und Gebote ſtehen, deren Kraft gegenüber alle Macht der Wirklichkeit Nichts iſt. Die Vorſehung hebt die Geſetze der Natur auf; ſie un- terbricht den Gang der Nothwendigkeit, das eiſerne Band, das unvermeidlich die Folge an die Urſache knüpft; kurz ſie iſt der- ſelbe unbeſchränkte, allgewaltige Wille, der die Welt aus Nichts ins Sein gerufen. Das Wunder iſt eine Crea- tio ex nihilo, eine Schöpfung aus Nichts. Wer Wein aus Waſſer macht, der macht Wein aus Nichts, denn der Stoff zum Wein liegt nicht im Waſſer; widrigensfalls wäre die Her- vorbringung des Weins keine wunderbare, ſondern natürliche Handlung. Aber nur im Wunder bewährt, beweiſt ſich die Vorſehung. Daſſelbe, was die Schöpfung aus Nichts, ſagt daher die Vorſehung aus. Die Schöpfung aus Nichts kann nur im Zuſammenhang mit der Vorſehung, mit dem Wunder begriffen und erklärt werden; denn das Wunder will eigentlich nichts weiter ausſagen, als daß der Wunderthäter Derſelbe iſt, welcher die Dinge durch ſei- nen bloßen Willen aus Nichts hervorgebracht — Gott, der Schöpfer. Die Vorſehung bezieht ſich aber weſentlich auf den Menſchen. Um des Menſchen willen macht die Vor- ſehung mit den Dingen, was ſie nur immer will, um ſeinet- willen hebt ſie die Gültigkeit und Realität des ſonſt allmäch- tigen Geſetzes auf. Die Bewunderung der Vorſehung in der Natur, namentlich der Thierwelt, iſt nichts andres als eine *) Certissimum divinae providentiae testimonium praebent miracula. H. Grotius de verit. rel. christ. l. I. §. 13. Feuerbach. 9

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/147>, abgerufen am 27.11.2024.