geboren. Ohne dieß vorausgehende Dunkel gibt es keine Realität der Creatur." "Mit solchen abgezognen Begrif- fen von Gott als Actus purissimus, dergleichen die ältere Philosophie aufstellte, oder solchen, wie sie die neuere, aus Für- sorge, Gott ja recht weit von aller Natur zu entfernen, immer wieder hervorbringt, läßt sich überall nichts ausrichten. Gott ist etwas Realeres, als eine bloße moralische Weltord- nung und hat ganz andre und lebendigere Bewegungs- kräfte in sich, als ihm die dürftige Subtilität abstracter Idealisten zuschreibt. -- Der Idealismus, wenn er nicht ei- nen lebendigen Realismus zur Basis erhält, wird ein eben so leeres und abgezogenes System, als das Leibnitzische, Spi- nozische oder irgend ein anderes dogmatisches." "So lange der Gott des modernen Theismus das einfache, rein wesenhaft sein sollende, in der That aber wesenlose -- Wesen bleibt, das er in allen neuern Systemen ist, so lange nicht in Gott eine wirk- liche Zweiheit erkannt und der bejahenden, ausbreitenden Kraft eine einschränkende, verneinende entgegengesetzt wird; so lange wird die Läugnung eines persönlichen Gottes wissen- schaftliche Aufrichtigkeit sein." "Alles Bewußtsein ist Concen- tration, ist Sammlung, ist Zusammennehmen, Zusammenfassen seiner selbst. Diese verneinende, auf es selbst zurückgehende Kraft eines Wesens, ist die wahre Kraft der Persönlichkeit in ihm, die Kraft der Selbstheit, der Egoität." "Wie sollte eine Furcht Gottes sein, wenn keine Stärke in ihm wäre? Daß aber Etwas in Gott sei, das bloß Kraft und Stärke sei, kann nicht befremden, wenn man nur nicht behauptet, daß er allein dieses und sonst nichts andres sei." *)
*)Schelling über das Wesen der menschlichen Freiheit. 429. 432. 427. Denkmal Jacobi's S. 82, 97--99.
geboren. Ohne dieß vorausgehende Dunkel gibt es keine Realität der Creatur.“ „Mit ſolchen abgezognen Begrif- fen von Gott als Actus purissimus, dergleichen die ältere Philoſophie aufſtellte, oder ſolchen, wie ſie die neuere, aus Für- ſorge, Gott ja recht weit von aller Natur zu entfernen, immer wieder hervorbringt, läßt ſich überall nichts ausrichten. Gott iſt etwas Realeres, als eine bloße moraliſche Weltord- nung und hat ganz andre und lebendigere Bewegungs- kräfte in ſich, als ihm die dürftige Subtilität abſtracter Idealiſten zuſchreibt. — Der Idealismus, wenn er nicht ei- nen lebendigen Realismus zur Baſis erhält, wird ein eben ſo leeres und abgezogenes Syſtem, als das Leibnitziſche, Spi- noziſche oder irgend ein anderes dogmatiſches.“ „So lange der Gott des modernen Theismus das einfache, rein weſenhaft ſein ſollende, in der That aber weſenloſe — Weſen bleibt, das er in allen neuern Syſtemen iſt, ſo lange nicht in Gott eine wirk- liche Zweiheit erkannt und der bejahenden, ausbreitenden Kraft eine einſchränkende, verneinende entgegengeſetzt wird; ſo lange wird die Läugnung eines perſönlichen Gottes wiſſen- ſchaftliche Aufrichtigkeit ſein.“ „Alles Bewußtſein iſt Concen- tration, iſt Sammlung, iſt Zuſammennehmen, Zuſammenfaſſen ſeiner ſelbſt. Dieſe verneinende, auf es ſelbſt zurückgehende Kraft eines Weſens, iſt die wahre Kraft der Perſönlichkeit in ihm, die Kraft der Selbſtheit, der Egoität.“ „Wie ſollte eine Furcht Gottes ſein, wenn keine Stärke in ihm wäre? Daß aber Etwas in Gott ſei, das bloß Kraft und Stärke ſei, kann nicht befremden, wenn man nur nicht behauptet, daß er allein dieſes und ſonſt nichts andres ſei.“ *)
*)Schelling über das Weſen der menſchlichen Freiheit. 429. 432. 427. Denkmal Jacobi’s S. 82, 97—99.
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Philoſophie aufſtellte, oder ſolchen, wie ſie die neuere, aus Für-
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wieder hervorbringt, läßt ſich überall nichts ausrichten. Gott
iſt etwas Realeres, als eine bloße moraliſche Weltord-
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ſo leeres und abgezogenes Syſtem, als das Leibnitziſche, Spi-
noziſche oder irgend ein anderes dogmatiſches.“ „So lange
der Gott des modernen Theismus das einfache, rein weſenhaft
ſein ſollende, in der That aber weſenloſe — Weſen bleibt, das er
in allen neuern Syſtemen iſt, ſo lange nicht in Gott eine wirk-
liche Zweiheit erkannt und der bejahenden, ausbreitenden Kraft
eine einſchränkende, verneinende entgegengeſetzt wird; ſo
lange wird die Läugnung eines perſönlichen Gottes wiſſen-
ſchaftliche Aufrichtigkeit ſein.“ „Alles Bewußtſein iſt Concen-
tration, iſt Sammlung, iſt Zuſammennehmen, Zuſammenfaſſen
ſeiner ſelbſt. Dieſe verneinende, auf es ſelbſt zurückgehende
Kraft eines Weſens, iſt die wahre Kraft der Perſönlichkeit in
ihm, die Kraft der Selbſtheit, der Egoität.“ „Wie ſollte eine
Furcht Gottes ſein, wenn keine Stärke in ihm wäre? Daß
aber Etwas in Gott ſei, das bloß Kraft und Stärke ſei,
kann nicht befremden, wenn man nur nicht behauptet, daß er
allein dieſes und ſonſt nichts andres ſei.“ *)
*) Schelling über das Weſen der menſchlichen Freiheit. 429. 432.
427. Denkmal Jacobi’s S. 82, 97—99.
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/128>, abgerufen am 24.11.2024.
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