schaft, noch von einer geheimen, in einer abgeson- derten engeren Verbindung. Die Menschheit reift in diesem Zustande nur erst zur Fähigkeit einer bedachten und berechneten Ausbildung heran.
Es kommt diese Reife; und es entstehen beson- dre Stände, religiöse Anstalten oder ein Priester- thum, Gesetze, Verfassung und Obrigkeit; es ent- steht mit einem Worte jener ganze Zustand des Menschengeschlechts, den ich in einem der ersten Briefe beschrieben habe.
Da, meiner Voraussetzung nach, alle von dem gleichen Punkte, aus dem Naturstande ausge- hen, kann fürs erste die Verschiedenheit ihrer Bil- dung nicht sehr merklich, und die Einseitigkeit und Halbheit dieser Bildung nicht sehr groß werden.
Aber die Absonderung dauert fort; die neuen Menschengeschlechter werden von nun an in einem gewissen Stande und für einen gewissen Stand geboren. Mit jedem neuen Zeitalter finden die verschiedenen Stände sich schärfer von einander abgeschnitten; und nun treten allmählig mit den Vortheilen der gesellschaftlichen Bildung zugleich die oben beschriebenen Nachtheile derselben ein, und mit diesem Nachtheil das Bedürfniß, ihnen auf dem einzigmöglichen Wege durch eine abge- sonderte Verbindung abzuhelfen.
Es ist mir nicht unbekannt, daß in mehreren Staaten und Verfassungen, besonders der alten Welt, mancherlei ganz öffentliche Einrichtungen und Anstalten waren, die sich einer solchen scharfen Absonderung der Stände, wie wir sie in der mo-
ſchaft, noch von einer geheimen, in einer abgeſon- derten engeren Verbindung. Die Menſchheit reift in dieſem Zuſtande nur erſt zur Faͤhigkeit einer bedachten und berechneten Ausbildung heran.
Es kommt dieſe Reife; und es entſtehen beſon- dre Staͤnde, religioͤſe Anſtalten oder ein Prieſter- thum, Geſetze, Verfaſſung und Obrigkeit; es ent- ſteht mit einem Worte jener ganze Zuſtand des Menſchengeſchlechts, den ich in einem der erſten Briefe beſchrieben habe.
Da, meiner Vorausſetzung nach, alle von dem gleichen Punkte, aus dem Naturſtande ausge- hen, kann fuͤrs erſte die Verſchiedenheit ihrer Bil- dung nicht ſehr merklich, und die Einſeitigkeit und Halbheit dieſer Bildung nicht ſehr groß werden.
Aber die Abſonderung dauert fort; die neuen Menſchengeſchlechter werden von nun an in einem gewiſſen Stande und fuͤr einen gewiſſen Stand geboren. Mit jedem neuen Zeitalter finden die verſchiedenen Staͤnde ſich ſchaͤrfer von einander abgeſchnitten; und nun treten allmaͤhlig mit den Vortheilen der geſellſchaftlichen Bildung zugleich die oben beſchriebenen Nachtheile derſelben ein, und mit dieſem Nachtheil das Beduͤrfniß, ihnen auf dem einzigmoͤglichen Wege durch eine abge- ſonderte Verbindung abzuhelfen.
Es iſt mir nicht unbekannt, daß in mehreren Staaten und Verfaſſungen, beſonders der alten Welt, mancherlei ganz oͤffentliche Einrichtungen und Anſtalten waren, die ſich einer ſolchen ſcharfen Abſonderung der Staͤnde, wie wir ſie in der mo-
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[44/0066]
ſchaft, noch von einer geheimen, in einer abgeſon-
derten engeren Verbindung. Die Menſchheit reift
in dieſem Zuſtande nur erſt zur Faͤhigkeit einer
bedachten und berechneten Ausbildung heran.
Es kommt dieſe Reife; und es entſtehen beſon-
dre Staͤnde, religioͤſe Anſtalten oder ein Prieſter-
thum, Geſetze, Verfaſſung und Obrigkeit; es ent-
ſteht mit einem Worte jener ganze Zuſtand des
Menſchengeſchlechts, den ich in einem der erſten
Briefe beſchrieben habe.
Da, meiner Vorausſetzung nach, alle von dem
gleichen Punkte, aus dem Naturſtande ausge-
hen, kann fuͤrs erſte die Verſchiedenheit ihrer Bil-
dung nicht ſehr merklich, und die Einſeitigkeit und
Halbheit dieſer Bildung nicht ſehr groß werden.
Aber die Abſonderung dauert fort; die neuen
Menſchengeſchlechter werden von nun an in einem
gewiſſen Stande und fuͤr einen gewiſſen Stand
geboren. Mit jedem neuen Zeitalter finden die
verſchiedenen Staͤnde ſich ſchaͤrfer von einander
abgeſchnitten; und nun treten allmaͤhlig mit den
Vortheilen der geſellſchaftlichen Bildung zugleich
die oben beſchriebenen Nachtheile derſelben ein,
und mit dieſem Nachtheil das Beduͤrfniß, ihnen
auf dem einzigmoͤglichen Wege durch eine abge-
ſonderte Verbindung abzuhelfen.
Es iſt mir nicht unbekannt, daß in mehreren
Staaten und Verfaſſungen, beſonders der alten
Welt, mancherlei ganz oͤffentliche Einrichtungen
und Anſtalten waren, die ſich einer ſolchen ſcharfen
Abſonderung der Staͤnde, wie wir ſie in der mo-
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/66>, abgerufen am 22.11.2024.
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