der Staat schon Gefängnisse angelegt hat, und Zuchthäuser und andre bekannte Anstalten; und er ist weit entfernt, zu wünschen, daß das Hei- ligste, was die Menschheit hat, die Reli- gion, zum Stellvertreter der ermangelnden Scher- gen herabgewürdigt werde.
Was den Maurer selbst und die maurerische Gesellschaft anbelangt, so versteht es sich von selbst, daß derjenige, der noch der Zucht durch Lohn und Strafe bedarf, um ein ehrlicher Mann zu bleiben, in diese Gesellschaft gar nicht gehört, indem er, weit entfernt, einer Nachbesserung seiner für die Gesellschaft erhaltenen Bildung zu bedürfen, diese Bildung selbst kaum erhalten hat; daß sonach auf einen solchen in den maurerischen Einrichtungen gar nicht zu rechnen ist.
Der Maurer muß aus Pflichtgefühl, oder aufs allerwenigste aus Ehrgefühl das Gute thun und das Laster meiden, wenn er auch (obgleich dies nicht möglich ist) von Gott und Religion nicht das geringste wüßte oder glaubte; und dieses nicht als Maurer, sondern als Mensch, der der Mau- rerei, wie wir sie uns denken, auch nur fähig sey. -- Als Antrieb zur Tugend kann also der Maurer die Religion nicht betrachten oder gebrau- chen wollen; wäre es auch nur aus dem einzigen, schon oben angeführten Grunde, weil sie dieß gar nicht seyn kann, da alles Untugend ist, was sich auf einen äußeren Antrieb gründet.
Unschädlich könnte (nach Deinem Ausdruck) die Religion gebraucht werden zur Beruhigung
Zweites Bändch. C
der Staat ſchon Gefaͤngniſſe angelegt hat, und Zuchthaͤuſer und andre bekannte Anſtalten; und er iſt weit entfernt, zu wuͤnſchen, daß das Hei- ligſte, was die Menſchheit hat, die Reli- gion, zum Stellvertreter der ermangelnden Scher- gen herabgewuͤrdigt werde.
Was den Maurer ſelbſt und die maureriſche Geſellſchaft anbelangt, ſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß derjenige, der noch der Zucht durch Lohn und Strafe bedarf, um ein ehrlicher Mann zu bleiben, in dieſe Geſellſchaft gar nicht gehoͤrt, indem er, weit entfernt, einer Nachbeſſerung ſeiner fuͤr die Geſellſchaft erhaltenen Bildung zu beduͤrfen, dieſe Bildung ſelbſt kaum erhalten hat; daß ſonach auf einen ſolchen in den maureriſchen Einrichtungen gar nicht zu rechnen iſt.
Der Maurer muß aus Pflichtgefuͤhl, oder aufs allerwenigſte aus Ehrgefuͤhl das Gute thun und das Laſter meiden, wenn er auch (obgleich dies nicht moͤglich iſt) von Gott und Religion nicht das geringſte wuͤßte oder glaubte; und dieſes nicht als Maurer, ſondern als Menſch, der der Mau- rerei, wie wir ſie uns denken, auch nur faͤhig ſey. — Als Antrieb zur Tugend kann alſo der Maurer die Religion nicht betrachten oder gebrau- chen wollen; waͤre es auch nur aus dem einzigen, ſchon oben angefuͤhrten Grunde, weil ſie dieß gar nicht ſeyn kann, da alles Untugend iſt, was ſich auf einen aͤußeren Antrieb gruͤndet.
Unſchaͤdlich koͤnnte (nach Deinem Ausdruck) die Religion gebraucht werden zur Beruhigung
Zweites Baͤndch. C
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[33/0055]
der Staat ſchon Gefaͤngniſſe angelegt hat, und
Zuchthaͤuſer und andre bekannte Anſtalten; und
er iſt weit entfernt, zu wuͤnſchen, daß das Hei-
ligſte, was die Menſchheit hat, die Reli-
gion, zum Stellvertreter der ermangelnden Scher-
gen herabgewuͤrdigt werde.
Was den Maurer ſelbſt und die maureriſche
Geſellſchaft anbelangt, ſo verſteht es ſich von ſelbſt,
daß derjenige, der noch der Zucht durch Lohn und
Strafe bedarf, um ein ehrlicher Mann zu bleiben,
in dieſe Geſellſchaft gar nicht gehoͤrt, indem er,
weit entfernt, einer Nachbeſſerung ſeiner fuͤr die
Geſellſchaft erhaltenen Bildung zu beduͤrfen, dieſe
Bildung ſelbſt kaum erhalten hat; daß ſonach auf
einen ſolchen in den maureriſchen Einrichtungen
gar nicht zu rechnen iſt.
Der Maurer muß aus Pflichtgefuͤhl, oder aufs
allerwenigſte aus Ehrgefuͤhl das Gute thun und
das Laſter meiden, wenn er auch (obgleich dies
nicht moͤglich iſt) von Gott und Religion nicht
das geringſte wuͤßte oder glaubte; und dieſes nicht
als Maurer, ſondern als Menſch, der der Mau-
rerei, wie wir ſie uns denken, auch nur faͤhig
ſey. — Als Antrieb zur Tugend kann alſo der
Maurer die Religion nicht betrachten oder gebrau-
chen wollen; waͤre es auch nur aus dem einzigen,
ſchon oben angefuͤhrten Grunde, weil ſie dieß gar
nicht ſeyn kann, da alles Untugend iſt, was ſich
auf einen aͤußeren Antrieb gruͤndet.
Unſchaͤdlich koͤnnte (nach Deinem Ausdruck)
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/55>, abgerufen am 24.11.2024.
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