Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729."sen recitiren exponiren und glossiren sie mit magistralischer Kunst, daß denen O Coridon! Coridon! quae te dementia cepit! "Bißweilen kommen sie auch, wann sie die Andacht sticht, mit einem Dum legit in Cathedra sapiens Branchidas Poetas Allegat semper pro Cicerone Phocam. Branchitas ein sehr weiser Mann, Die Poeten schön lesen kan. Soll er aber Tullium nennen, So thut er nichts als Phocam kennen. "Wie viel besser und zuträglicher wäre es, daß an solchen Gesellen der sie
„ſen recitiren exponiren und gloſſiren ſie mit magiſtraliſcher Kunſt, daß denen O Coridon! Coridon! quæ te dementia cepit! „Bißweilen kommen ſie auch, wann ſie die Andacht ſticht, mit einem Dum legit in Cathedra ſapiens Branchidas Poëtas Allegat ſemper pro Cicerone Phocam. Branchitas ein ſehr weiſer Mann, Die Pœten ſchoͤn leſen kan. Soll er aber Tullium nennen, So thut er nichts als Phocam kennen. „Wie viel beſſer und zutraͤglicher waͤre es, daß an ſolchen Geſellen der ſie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="30"/> „ſen <hi rendition="#aq">reciti</hi>ren <hi rendition="#aq">exponi</hi>ren und <hi rendition="#aq">gloſſi</hi>ren ſie mit <hi rendition="#aq">magiſtrali</hi>ſcher Kunſt, daß denen<lb/> „Zuhoͤrern die Ohren ſchwitzen moͤchten. Solte man ihnen nicht billig entge-<lb/> „gen ruffen.</p><lb/> <cit> <quote> <hi rendition="#aq">O Coridon! Coridon! quæ te dementia cepit!</hi><lb/> <hi rendition="#fr">O Coridon! Coridon! Wie ſticht dich doch der Narr und<lb/> Geck ſo gar ſehr!</hi> </quote> <bibl/> </cit><lb/> <p>„Bißweilen kommen ſie auch, wann ſie die Andacht ſticht, mit einem<lb/> „Spruch aus heiliger Schrifft einher getreten, und machen ſeltſame <hi rendition="#aq">Gloſſen</hi><lb/> „daruͤber, daß man auch Kroͤten damit vergeben moͤchte. Was ſolle ich ſagen von<lb/> „wunderſeltſamen <hi rendition="#aq">Proſopo pœiis,</hi> mit welchen ſie herrein gepranget kommen,<lb/> „als haͤtten ſie alle Kuͤnſte gefreſſen. Da koͤmmt bißweilen ein <hi rendition="#aq">Perottus,</hi> ein<lb/> „<hi rendition="#aq">Catolicius,</hi> ein <hi rendition="#aq">Deſpaucerius,</hi> ein <hi rendition="#aq">Mancinellus,</hi> ein <hi rendition="#aq">Priſcianus</hi> ein <hi rendition="#aq">David Bri-<lb/> „tannus,</hi> ein <hi rendition="#aq">Auguſtinus Pathus,</hi> ein <hi rendition="#aq">Adamus Trajectenſis,</hi> ein <hi rendition="#aq">Magiſter Telbe-<lb/> „ne,</hi> ein <hi rendition="#aq">Terentius,</hi> ein <hi rendition="#aq">Scopus,</hi> und andere dergleichen gelehrte Leute mehr<lb/> „von welchen ſie hier ein wenig und dort ein wenig heraus geklaubet. Wann<lb/> „man ihnen das Ausgeklaubte abkauffete, wuͤrden ſie hernach ſtumme Hunde<lb/> „ſeyn. <hi rendition="#aq">Cantalicius</hi> der ſpottet eines ſolchen <hi rendition="#aq">Pedanten,</hi> welcher <hi rendition="#aq">Branchidus</hi> ge-<lb/> „heiſſen, gar artig, mit nachfolgenden Verſen:</p><lb/> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#aq">Dum legit in Cathedra ſapiens Branchidas Poëtas</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Allegat ſemper pro Cicerone Phocam.</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Branchitas</hi> <hi rendition="#fr">ein ſehr weiſer Mann,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Die <hi rendition="#aq">Pœten</hi> ſchoͤn leſen kan.</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Soll er aber <hi rendition="#aq">Tullium</hi> nennen,</hi> </l><lb/> <l>So thut er nichts als <hi rendition="#aq">Phocam</hi> kennen.</l> </lg><lb/> <p>„Wie viel beſſer und zutraͤglicher waͤre es, daß an ſolchen Geſellen der<lb/> „Wunſch des <hi rendition="#aq">Quintiliani</hi> erfuͤllet wuͤrde, da er ſaget: <hi rendition="#fr">An denen</hi> <hi rendition="#aq">Fædagogis</hi><lb/> „<hi rendition="#fr">und Schulmeiſtern moͤchte man dieſes am hoͤchſten wuͤnſchen, daß<lb/> „ſie entweder recht gelehrt waͤren, welches ſie ihnen auch am meiſten<lb/> „ſollen laſſen angelegen ſeyn, oder daß ſie zum wenigſten wuͤſten, daß</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">ſie</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [30/0074]
„ſen recitiren exponiren und gloſſiren ſie mit magiſtraliſcher Kunſt, daß denen
„Zuhoͤrern die Ohren ſchwitzen moͤchten. Solte man ihnen nicht billig entge-
„gen ruffen.
O Coridon! Coridon! quæ te dementia cepit!
O Coridon! Coridon! Wie ſticht dich doch der Narr und
Geck ſo gar ſehr!
„Bißweilen kommen ſie auch, wann ſie die Andacht ſticht, mit einem
„Spruch aus heiliger Schrifft einher getreten, und machen ſeltſame Gloſſen
„daruͤber, daß man auch Kroͤten damit vergeben moͤchte. Was ſolle ich ſagen von
„wunderſeltſamen Proſopo pœiis, mit welchen ſie herrein gepranget kommen,
„als haͤtten ſie alle Kuͤnſte gefreſſen. Da koͤmmt bißweilen ein Perottus, ein
„Catolicius, ein Deſpaucerius, ein Mancinellus, ein Priſcianus ein David Bri-
„tannus, ein Auguſtinus Pathus, ein Adamus Trajectenſis, ein Magiſter Telbe-
„ne, ein Terentius, ein Scopus, und andere dergleichen gelehrte Leute mehr
„von welchen ſie hier ein wenig und dort ein wenig heraus geklaubet. Wann
„man ihnen das Ausgeklaubte abkauffete, wuͤrden ſie hernach ſtumme Hunde
„ſeyn. Cantalicius der ſpottet eines ſolchen Pedanten, welcher Branchidus ge-
„heiſſen, gar artig, mit nachfolgenden Verſen:
Dum legit in Cathedra ſapiens Branchidas Poëtas
Allegat ſemper pro Cicerone Phocam.
Branchitas ein ſehr weiſer Mann,
Die Pœten ſchoͤn leſen kan.
Soll er aber Tullium nennen,
So thut er nichts als Phocam kennen.
„Wie viel beſſer und zutraͤglicher waͤre es, daß an ſolchen Geſellen der
„Wunſch des Quintiliani erfuͤllet wuͤrde, da er ſaget: An denen Fædagogis
„und Schulmeiſtern moͤchte man dieſes am hoͤchſten wuͤnſchen, daß
„ſie entweder recht gelehrt waͤren, welches ſie ihnen auch am meiſten
„ſollen laſſen angelegen ſeyn, oder daß ſie zum wenigſten wuͤſten, daß
ſie
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Zitationshilfe: | Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/74>, abgerufen am 16.02.2025. |