Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.hat ein jeder gleich eine besondere Kirche, Lehre, Secte, Anhang Es ist ein vor allemal gewiß, daß man ausser denen Trivial Schulen, allwo ses C 3
hat ein jeder gleich eine beſondere Kirche, Lehre, Secte, Anhang Es iſt ein vor allemal gewiß, daß man auſſer denen Trivial Schulen, allwo ſes C 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0065" n="21"/> hat ein jeder gleich eine beſondere Kirche, Lehre, <hi rendition="#aq">Secte,</hi> Anhang<lb/> und Benahmung haben wollen. GOtt verleyte, daß an dieſem<lb/> Exempel, abſonderlich aber an dem Conſtantinopolitaniſchen Kir-<lb/> chen-Gezaͤncke, ſo gleichſam ein Vorbote geweſen deſſelben herrli-<lb/> chen gantzen Reichs Untergangs, und der Tuͤrckiſchen Sclaverey<lb/> worein es gerathen, auch wir heutiges Tages uns ſpiegeln, und<lb/> bey Zeiten dem, vor der Thiere bißhero gelauerten, nunmehro<lb/> aber gantz augenſcheinlich herein dringenden allgemeinen Unheil<lb/> und Verderben, mit wahrer Chriſtlicher Buſſe, Demuth, Einig-<lb/> keit, Liebe und Vertraͤglichkeit zuvor kommen!</p><lb/> <p>Es iſt ein vor allemal gewiß, daß man auſſer denen <hi rendition="#aq">Trivial</hi> Schulen, allwo<lb/> man mehr als den Unterricht im Chriſtenthum genieſſet; item Leſen, Schreiben,<lb/> Rechnen; und dann ferner einen <hi rendition="#aq">Caſum</hi> und <hi rendition="#aq">Terminum</hi> verſtehen lernet, nicht<lb/> allemal nach Wunſch <hi rendition="#aq">reuſſi</hi>ret. Dieſe nun ſeynd die hoͤhern Schulen, <hi rendition="#aq">Gymna-<lb/> ſia</hi> und <hi rendition="#aq">Univerſitæ</hi>ten; vornehmlich aber dieſe Letztern. Wer ein <hi rendition="#aq">excellentes<lb/> Naturel</hi> hat, ſtarck am Geiſte iſt, ein herrliches <hi rendition="#aq">Judicium,</hi> und eine gluͤckſelige<lb/><hi rendition="#aq">Memoriam</hi> beſitzet, deſſen Hertze zu keinem Stoltz und Hochmuth <hi rendition="#aq">inclini</hi>ret, in<lb/> dem auch eine beſcheidene vernuͤnfftige Auffuͤhrung, und im uͤbrigen Luſt, nebſt ei-<lb/> nem ſtarcken Trieb zum Studieren ſtecket, der mag ſich <hi rendition="#aq">gratuli</hi>ren, wann ihn ſeyn<lb/> Leit-Stern auf <hi rendition="#aq">Univerſitæ</hi>ten fuͤhret. Er wird gewißlich ein gelehrter, weiſſer,<lb/> kluger und geehrter, ja recht <hi rendition="#aq">admirabler</hi> Mann. Mit dem es aber anders be-<lb/> ſchaffen iſt, der bleibe davon. Denn einer, welcher eine herrliche <hi rendition="#aq">Memoriam,</hi><lb/> und kein gutes <hi rendition="#aq">Judicium</hi> beſitzet anbey aber zum Stoltz und Hochmuth <hi rendition="#aq">inclini-</hi><lb/> ret, der wird ein gantz greulicher und unertraͤglicher gelehrter Narr. Eben ſo ge-<lb/> het es denenjenigen, bey welchen <hi rendition="#aq">Judicium</hi> und <hi rendition="#aq">Memoria</hi> zugleich gut, die aber ſonſt<lb/> ſchwach am Geiſte, folglich <hi rendition="#aq">incapable</hi> ſind, die mit denen <hi rendition="#aq">Studiis</hi> verknuͤpffte<lb/><hi rendition="#aq">Fatiguen</hi> zu ertragen. Gantz erbaͤrmliche und elende Leute, hingegen werden<lb/> vollends aus denenjenigen, welchen ſowohl das <hi rendition="#aq">Judicium</hi> als die <hi rendition="#aq">Memoria</hi> ge-<lb/> bricht, und die noch darzu keine Luſt zu dem Studieren haben, ſondern bey denen<lb/> Haaren darzu muͤſſen gezogen werden. Aus dieſen werden Stock-Narren, Ertz-<lb/> Matzen und Lappen, ja rechte Schand-Flecken derer Gelehrten, die theils in<lb/> Anſehung ihrer ſtoltzen Einbildungen, theils in Betrachtung der groſſen Einfalt<lb/> und Tummheit, die ſich, ſtatt der Weisheit und wahren Gelehrſamkeit, ihrer<lb/> Sinnen bemaͤchtigen, der gantzen Welt zum Spott und Gelaͤchter dienen.<lb/> Was am meiſten, dieſer Leute halber, zubejammern und zu beklagen, iſt die-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ſes</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0065]
hat ein jeder gleich eine beſondere Kirche, Lehre, Secte, Anhang
und Benahmung haben wollen. GOtt verleyte, daß an dieſem
Exempel, abſonderlich aber an dem Conſtantinopolitaniſchen Kir-
chen-Gezaͤncke, ſo gleichſam ein Vorbote geweſen deſſelben herrli-
chen gantzen Reichs Untergangs, und der Tuͤrckiſchen Sclaverey
worein es gerathen, auch wir heutiges Tages uns ſpiegeln, und
bey Zeiten dem, vor der Thiere bißhero gelauerten, nunmehro
aber gantz augenſcheinlich herein dringenden allgemeinen Unheil
und Verderben, mit wahrer Chriſtlicher Buſſe, Demuth, Einig-
keit, Liebe und Vertraͤglichkeit zuvor kommen!
Es iſt ein vor allemal gewiß, daß man auſſer denen Trivial Schulen, allwo
man mehr als den Unterricht im Chriſtenthum genieſſet; item Leſen, Schreiben,
Rechnen; und dann ferner einen Caſum und Terminum verſtehen lernet, nicht
allemal nach Wunſch reuſſiret. Dieſe nun ſeynd die hoͤhern Schulen, Gymna-
ſia und Univerſitæten; vornehmlich aber dieſe Letztern. Wer ein excellentes
Naturel hat, ſtarck am Geiſte iſt, ein herrliches Judicium, und eine gluͤckſelige
Memoriam beſitzet, deſſen Hertze zu keinem Stoltz und Hochmuth incliniret, in
dem auch eine beſcheidene vernuͤnfftige Auffuͤhrung, und im uͤbrigen Luſt, nebſt ei-
nem ſtarcken Trieb zum Studieren ſtecket, der mag ſich gratuliren, wann ihn ſeyn
Leit-Stern auf Univerſitæten fuͤhret. Er wird gewißlich ein gelehrter, weiſſer,
kluger und geehrter, ja recht admirabler Mann. Mit dem es aber anders be-
ſchaffen iſt, der bleibe davon. Denn einer, welcher eine herrliche Memoriam,
und kein gutes Judicium beſitzet anbey aber zum Stoltz und Hochmuth inclini-
ret, der wird ein gantz greulicher und unertraͤglicher gelehrter Narr. Eben ſo ge-
het es denenjenigen, bey welchen Judicium und Memoria zugleich gut, die aber ſonſt
ſchwach am Geiſte, folglich incapable ſind, die mit denen Studiis verknuͤpffte
Fatiguen zu ertragen. Gantz erbaͤrmliche und elende Leute, hingegen werden
vollends aus denenjenigen, welchen ſowohl das Judicium als die Memoria ge-
bricht, und die noch darzu keine Luſt zu dem Studieren haben, ſondern bey denen
Haaren darzu muͤſſen gezogen werden. Aus dieſen werden Stock-Narren, Ertz-
Matzen und Lappen, ja rechte Schand-Flecken derer Gelehrten, die theils in
Anſehung ihrer ſtoltzen Einbildungen, theils in Betrachtung der groſſen Einfalt
und Tummheit, die ſich, ſtatt der Weisheit und wahren Gelehrſamkeit, ihrer
Sinnen bemaͤchtigen, der gantzen Welt zum Spott und Gelaͤchter dienen.
Was am meiſten, dieſer Leute halber, zubejammern und zu beklagen, iſt die-
ſes
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