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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Vorrede.
Päbsten, daß sie Doctores, Licentiatos, Magistros, Bac-
calaureos &c. creir
en können. Allein sie sollen lauter ge-
lehrte, tüchtige, geschickte, mit Tugenden und guten Quali-
täten geschmückte Subjecta darzu nehmen; Jgnoranten, Pe-
dant
en, grobe und unvernünfftige Leute hingegen abgewie-
sen werden. Handelt man darwider, so gereichet es der ge-
lehrten Welt zur Schande, und dem Publico zum Schaden.
Denn man vertrauet bißweilen einer graduirten Person ein
Amt an, und vermeynet mit ihr wohl versorget zu seyn, weil
sie einen Academischen Titel führet. In kurtzer Zeit aber
äussert sich das Widerspiel, und da leiden gantze Gemeinden
darüber Noth.

Ein sehr grosses Elend, bey dem gantzen gelehrten Wesen,
ist bißhero auch wohl dieses mit gewesen, daß man sich so gar
genau u. streng an die Meynungen alter Philosophorum, u.
anderer längst verstorbenen Gelehrten gebunden, und kein ei-
genes gesundes Urtheil dargegen auf kommen noch gültig
seyn lassen wollen. Darüber haben die wackersten gelehrten
Männer vielfältig geklaget, wie auch noch gantz neulich ge-
schehen, da man den hohen Geist des vor sechs Monaten er-
blasseten, und zu seiner ewigen Ruhe gegangenen weltbe-
rühmten Thomasii in einer gewissen, über seinen Todt gehal-
tenen vortrefflichen Rede, auf das löblichste und gerechte-
ste bewundert hat.

Der Freyheit-liebende Thomasius heisset es in
derselben Rede unter andern, trat zu einer solchen Zeit

auf

Vorrede.
Paͤbſten, daß ſie Doctores, Licentiatos, Magiſtros, Bac-
calaureos &c. creir
en koͤnnen. Allein ſie ſollen lauter ge-
lehrte, tuͤchtige, geſchickte, mit Tugenden und guten Quali-
taͤten geſchmuͤckte Subjecta darzu nehmen; Jgnoranten, Pe-
dant
en, grobe und unvernuͤnfftige Leute hingegen abgewie-
ſen werden. Handelt man darwider, ſo gereichet es der ge-
lehrten Welt zur Schande, und dem Publico zum Schaden.
Denn man vertrauet bißweilen einer graduirten Perſon ein
Amt an, und vermeynet mit ihr wohl verſorget zu ſeyn, weil
ſie einen Academiſchen Titel fuͤhret. In kurtzer Zeit aber
aͤuſſert ſich das Widerſpiel, und da leiden gantze Gemeinden
daruͤber Noth.

Ein ſehr groſſes Elend, bey dem gantzen gelehrten Weſen,
iſt bißhero auch wohl dieſes mit geweſen, daß man ſich ſo gar
genau u. ſtreng an die Meynungen alter Philoſophorum, u.
anderer laͤngſt verſtorbenen Gelehrten gebunden, und kein ei-
genes geſundes Urtheil dargegen auf kommen noch guͤltig
ſeyn laſſen wollen. Daruͤber haben die wackerſten gelehrten
Maͤnner vielfaͤltig geklaget, wie auch noch gantz neulich ge-
ſchehen, da man den hohen Geiſt des vor ſechs Monaten er-
blaſſeten, und zu ſeiner ewigen Ruhe gegangenen weltbe-
ruͤhmten Thomaſii in einer gewiſſen, uͤber ſeinen Todt gehal-
tenen vortrefflichen Rede, auf das loͤblichſte und gerechte-
ſte bewundert hat.

Der Freyheit-liebende Thomaſius heiſſet es in
derſelben Rede unter andern, trat zu einer ſolchen Zeit

auf
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[0034] Vorrede. Paͤbſten, daß ſie Doctores, Licentiatos, Magiſtros, Bac- calaureos &c. creiren koͤnnen. Allein ſie ſollen lauter ge- lehrte, tuͤchtige, geſchickte, mit Tugenden und guten Quali- taͤten geſchmuͤckte Subjecta darzu nehmen; Jgnoranten, Pe- danten, grobe und unvernuͤnfftige Leute hingegen abgewie- ſen werden. Handelt man darwider, ſo gereichet es der ge- lehrten Welt zur Schande, und dem Publico zum Schaden. Denn man vertrauet bißweilen einer graduirten Perſon ein Amt an, und vermeynet mit ihr wohl verſorget zu ſeyn, weil ſie einen Academiſchen Titel fuͤhret. In kurtzer Zeit aber aͤuſſert ſich das Widerſpiel, und da leiden gantze Gemeinden daruͤber Noth. Ein ſehr groſſes Elend, bey dem gantzen gelehrten Weſen, iſt bißhero auch wohl dieſes mit geweſen, daß man ſich ſo gar genau u. ſtreng an die Meynungen alter Philoſophorum, u. anderer laͤngſt verſtorbenen Gelehrten gebunden, und kein ei- genes geſundes Urtheil dargegen auf kommen noch guͤltig ſeyn laſſen wollen. Daruͤber haben die wackerſten gelehrten Maͤnner vielfaͤltig geklaget, wie auch noch gantz neulich ge- ſchehen, da man den hohen Geiſt des vor ſechs Monaten er- blaſſeten, und zu ſeiner ewigen Ruhe gegangenen weltbe- ruͤhmten Thomaſii in einer gewiſſen, uͤber ſeinen Todt gehal- tenen vortrefflichen Rede, auf das loͤblichſte und gerechte- ſte bewundert hat. Der Freyheit-liebende Thomaſius heiſſet es in derſelben Rede unter andern, trat zu einer ſolchen Zeit auf

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/34>, abgerufen am 25.04.2024.