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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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lehrten Narren nenne? Denn solches seynd und bleiben ein vor allemal die
stoltzen und aufgeblasenen Gelehrten, wie Petrarcha, der sich zu Rom an
keinem andern Orte zum Poeten wolte crönen lassen, als wo man sonst die
Römischen Käyser zu crönen pflegte. Wie Ludovicus Ariostus, den der vom
Kayser Carolo V. ihm aufgesetzte Lorbeer-Crantz mit so unmäßiger Freude
überschüttete: daß er, als unsinnig auf denen Gassen herum gelauffen, und
sich bey nahe rasender als der tolle Roland selbst, dessen Thorheiten doch von
ihm so lebhafft sind beschrieben worden, aufgeführet hat; ingleichen wie der
schon-gedachte Glareanus, den Kayser Maximilianus I. zum Poeten gecrönet.
Wann dieser Narr hörte, daß ein Fremder angekommen, der ihn sprechen
wolte, so setzte er augenblicklich den Lorbeer-Crantz auf, hieng die goldene
Kette
um den Hals, begab sich in ein grosses wohl ausgeputztes Zimmer, und
bliebe daselbst auf einem ansehnlichen Stuhl unbeweglich sitzen, als ob er die
angekommenen Gäste weder höre noch sähe, ließ sie auch so ungesprochen wie-
der von sich gehen. Hiermit mag genug von gelehrten Narretheyen ge-
redet seyn, und ich thue zum Beschluß den wohlgemeynten Wunsch:



ES seufftzt die kluge Welt: komm doch, gerechte Zeit,
Und hau das Unkraut weg nach deiner Strengig-
keit!
Der gute Weitzen wird von ihm gar sehr gedrücket,
Und wo es länger währt zu letzt noch gar ersticket.
Laß Kunst und Wissenschafft in nützbarn Wesen blühn,
So wird ihr Flor gar bald den Vortheil nach sich ziehn,
Und der vom eitlen Tand geplagte Creyß der Erden
Von Grillen-Fängern bloß, leer von Pedanten werden,
Wenn
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lehrten Narren nenne? Denn ſolches ſeynd und bleiben ein vor allemal die
ſtoltzen und aufgeblaſenen Gelehrten, wie Petrarcha, der ſich zu Rom an
keinem andern Orte zum Poëten wolte croͤnen laſſen, als wo man ſonſt die
Roͤmiſchen Kaͤyſer zu croͤnen pflegte. Wie Ludovicus Arioſtus, den der vom
Kayſer Carolo V. ihm aufgeſetzte Lorbeer-Crantz mit ſo unmaͤßiger Freude
uͤberſchuͤttete: daß er, als unſinnig auf denen Gaſſen herum gelauffen, und
ſich bey nahe raſender als der tolle Roland ſelbſt, deſſen Thorheiten doch von
ihm ſo lebhafft ſind beſchrieben worden, aufgefuͤhret hat; ingleichen wie der
ſchon-gedachte Glareanus, den Kayſer Maximilianus I. zum Poëten gecroͤnet.
Wann dieſer Narr hoͤrte, daß ein Fremder angekommen, der ihn ſprechen
wolte, ſo ſetzte er augenblicklich den Lorbeer-Crantz auf, hieng die goldene
Kette
um den Hals, begab ſich in ein groſſes wohl ausgeputztes Zimmer, und
bliebe daſelbſt auf einem anſehnlichen Stuhl unbeweglich ſitzen, als ob er die
angekommenen Gaͤſte weder hoͤre noch ſaͤhe, ließ ſie auch ſo ungeſprochen wie-
der von ſich gehen. Hiermit mag genug von gelehrten Narretheyen ge-
redet ſeyn, und ich thue zum Beſchluß den wohlgemeynten Wunſch:



ES ſeufftzt die kluge Welt: komm doch, gerechte Zeit,
Und hau das Unkraut weg nach deiner Strengig-
keit!
Der gute Weitzen wird von ihm gar ſehr gedruͤcket,
Und wo es laͤnger waͤhrt zu letzt noch gar erſticket.
Laß Kunſt und Wiſſenſchafft in nuͤtzbarn Weſen bluͤhn,
So wird ihr Flor gar bald den Vortheil nach ſich ziehn,
Und der vom eitlen Tand geplagte Creyß der Erden
Von Grillen-Faͤngern bloß, leer von Pedanten werden,
Wenn
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[221/0265] lehrten Narren nenne? Denn ſolches ſeynd und bleiben ein vor allemal die ſtoltzen und aufgeblaſenen Gelehrten, wie Petrarcha, der ſich zu Rom an keinem andern Orte zum Poëten wolte croͤnen laſſen, als wo man ſonſt die Roͤmiſchen Kaͤyſer zu croͤnen pflegte. Wie Ludovicus Arioſtus, den der vom Kayſer Carolo V. ihm aufgeſetzte Lorbeer-Crantz mit ſo unmaͤßiger Freude uͤberſchuͤttete: daß er, als unſinnig auf denen Gaſſen herum gelauffen, und ſich bey nahe raſender als der tolle Roland ſelbſt, deſſen Thorheiten doch von ihm ſo lebhafft ſind beſchrieben worden, aufgefuͤhret hat; ingleichen wie der ſchon-gedachte Glareanus, den Kayſer Maximilianus I. zum Poëten gecroͤnet. Wann dieſer Narr hoͤrte, daß ein Fremder angekommen, der ihn ſprechen wolte, ſo ſetzte er augenblicklich den Lorbeer-Crantz auf, hieng die goldene Kette um den Hals, begab ſich in ein groſſes wohl ausgeputztes Zimmer, und bliebe daſelbſt auf einem anſehnlichen Stuhl unbeweglich ſitzen, als ob er die angekommenen Gaͤſte weder hoͤre noch ſaͤhe, ließ ſie auch ſo ungeſprochen wie- der von ſich gehen. Hiermit mag genug von gelehrten Narretheyen ge- redet ſeyn, und ich thue zum Beſchluß den wohlgemeynten Wunſch: ES ſeufftzt die kluge Welt: komm doch, gerechte Zeit, Und hau das Unkraut weg nach deiner Strengig- keit! Der gute Weitzen wird von ihm gar ſehr gedruͤcket, Und wo es laͤnger waͤhrt zu letzt noch gar erſticket. Laß Kunſt und Wiſſenſchafft in nuͤtzbarn Weſen bluͤhn, So wird ihr Flor gar bald den Vortheil nach ſich ziehn, Und der vom eitlen Tand geplagte Creyß der Erden Von Grillen-Faͤngern bloß, leer von Pedanten werden, Wenn E e 3

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/265>, abgerufen am 24.11.2024.