Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite
Horrendas canit ambages antroque remugit
Obscuris falsa invalvens.
Daß sie in tiefer Klufft viel ungewisse Dinge,
Die unerforschlich sind, mit dunckeln Worten singe.

Wer solte wohl glauben, daß es unter denen Gelehrten solche Leute gäbe,
die sich ihre einene Bücher selber zuschreiben und dediciren. Dieses erzehlet
man von H - - R. der unter dem Namen Christian Cititzens eine Historie
des Ditmarsischen Krieges verfertiget, und selbige sich selbst dediciret hat.
So hat es bey nahe auch Andreas Schotte gemachet, der sich sein erläutertes
Italien, welches er selber zusammen gesammlet, von dem Verleger, Andreas
Cambierius,
hat zuschreiben lassen. Aber nichts ist, nach des Erasmi Mey-
nung, lustiger zu sehen und zu hören, als wann sich die Gelehrten unter einan-
der um die Wette loben und bewundern, wann sie ihre beyderseitigen Ver-
dienste durch gewechselte Brieffe, Gedichte, und dergleichen Lob-Schrifften
erheben; wann der Ungelehrte den Unwissenden, der Thor den Narrn, der
Affe den Hasen, streichelt, schmeichelt und kützelt. Dieser ist nach jenes Aus-
spruch, ein neuer Alceus, und grösser als Mar[c]us Tullius, jener aber wird
von diesem ein anderer Calimachus gepriesen, und vor gelehrter als Plato ge-
halten. Der schon-erwehnte vortreffliche Herr Rath und Professor Mencke
spricht in seiner Charlatanerie, daß er sich eines Gelehrten, der zu Leipzig ge-
lebet habe, erinnere, welcher als er in ein kleines Städtgen zu einem Schul-
Dienst beruffen worden, und sich sonst Niemand gefunden, der ihn heraus-
streichen wollen, sich selber in einem, mit eigener Feder aufgesetztem Gedichte
darzu Glück gewünschet, und zugleich das liebe Leipzig beklaget, daß selbiges
an ihm ein so theures Haupt verlieren müsse.
Wem ist hiernechst der Poet
Jacob Vogel unbekannt, welcher von sich selbst folgende, noch so ziemlich
vortheilhaffte, Meynung geheget:

Teutschland hat zwar einen Lutherum,
Aber noch keinen Homerum;
Einen rechtschaffenen Propheten;
Aber noch keinen rechtschaffenen Poeten.
Doch
Horrendas canit ambages antroque remugit
Obſcuris falſa invalvens.
Daß ſie in tiefer Klufft viel ungewiſſe Dinge,
Die unerforſchlich ſind, mit dunckeln Worten ſinge.

Wer ſolte wohl glauben, daß es unter denen Gelehrten ſolche Leute gaͤbe,
die ſich ihre einene Buͤcher ſelber zuſchreiben und dediciren. Dieſes erzehlet
man von H ‒ ‒ R. der unter dem Namen Chriſtian Cititzens eine Hiſtorie
des Ditmarſiſchen Krieges verfertiget, und ſelbige ſich ſelbſt dediciret hat.
So hat es bey nahe auch Andreas Schotte gemachet, der ſich ſein erlaͤutertes
Italien, welches er ſelber zuſammen geſammlet, von dem Verleger, Andreas
Cambierius,
hat zuſchreiben laſſen. Aber nichts iſt, nach des Erasmi Mey-
nung, luſtiger zu ſehen und zu hoͤren, als wann ſich die Gelehrten unter einan-
der um die Wette loben und bewundern, wann ſie ihre beyderſeitigen Ver-
dienſte durch gewechſelte Brieffe, Gedichte, und dergleichen Lob-Schrifften
erheben; wann der Ungelehrte den Unwiſſenden, der Thor den Narrn, der
Affe den Haſen, ſtreichelt, ſchmeichelt und kuͤtzelt. Dieſer iſt nach jenes Aus-
ſpruch, ein neuer Alceus, und groͤſſer als Mar[c]us Tullius, jener aber wird
von dieſem ein anderer Calimachus geprieſen, und vor gelehrter als Plato ge-
halten. Der ſchon-erwehnte vortreffliche Herr Rath und Profeſſor Mencke
ſpricht in ſeiner Charlatanerie, daß er ſich eines Gelehrten, der zu Leipzig ge-
lebet habe, erinnere, welcher als er in ein kleines Staͤdtgen zu einem Schul-
Dienſt beruffen worden, und ſich ſonſt Niemand gefunden, der ihn heraus-
ſtreichen wollen, ſich ſelber in einem, mit eigener Feder aufgeſetztem Gedichte
darzu Gluͤck gewuͤnſchet, und zugleich das liebe Leipzig beklaget, daß ſelbiges
an ihm ein ſo theures Haupt verlieren muͤſſe.
Wem iſt hiernechſt der Poët
Jacob Vogel unbekannt, welcher von ſich ſelbſt folgende, noch ſo ziemlich
vortheilhaffte, Meynung geheget:

Teutſchland hat zwar einen Lutherum,
Aber noch keinen Homerum;
Einen rechtſchaffenen Propheten;
Aber noch keinen rechtſchaffenen Poëten.
Doch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0243" n="199"/>
          <cit>
            <quote>
              <lg type="poem">
                <l> <hi rendition="#aq">Horrendas canit ambages antroque remugit</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#aq">Ob&#x017F;curis fal&#x017F;a invalvens.</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Daß &#x017F;ie in tiefer Klufft viel ungewi&#x017F;&#x017F;e Dinge,</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Die unerfor&#x017F;chlich &#x017F;ind, mit dunckeln Worten &#x017F;inge.</hi> </l>
              </lg>
            </quote>
          </cit><lb/>
          <p>Wer &#x017F;olte wohl glauben, daß es unter denen Gelehrten &#x017F;olche Leute ga&#x0364;be,<lb/>
die &#x017F;ich ihre einene Bu&#x0364;cher &#x017F;elber zu&#x017F;chreiben und <hi rendition="#aq">dedici</hi>ren. Die&#x017F;es erzehlet<lb/>
man von H &#x2012; &#x2012; R. der unter dem Namen <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tian Cititzens</hi> eine <hi rendition="#fr">Hi&#x017F;torie</hi><lb/>
des <hi rendition="#fr">Ditmar&#x017F;i&#x017F;chen Krieges</hi> verfertiget, und &#x017F;elbige &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#aq">dedici</hi>ret hat.<lb/>
So hat es bey nahe auch <hi rendition="#fr">Andreas Schotte</hi> gemachet, der &#x017F;ich &#x017F;ein erla&#x0364;utertes<lb/>
Italien, welches er &#x017F;elber zu&#x017F;ammen ge&#x017F;ammlet, von dem Verleger, <hi rendition="#fr">Andreas<lb/>
Cambierius,</hi> hat zu&#x017F;chreiben la&#x017F;&#x017F;en. Aber nichts i&#x017F;t, nach des <hi rendition="#aq">Erasmi</hi> Mey-<lb/>
nung, lu&#x017F;tiger zu &#x017F;ehen und zu ho&#x0364;ren, als wann &#x017F;ich die Gelehrten unter einan-<lb/>
der um die Wette loben und bewundern, wann &#x017F;ie ihre beyder&#x017F;eitigen Ver-<lb/>
dien&#x017F;te durch gewech&#x017F;elte Brieffe, Gedichte, und dergleichen Lob-Schrifften<lb/>
erheben; wann der Ungelehrte den Unwi&#x017F;&#x017F;enden, der Thor den Narrn, der<lb/>
Affe den Ha&#x017F;en, &#x017F;treichelt, &#x017F;chmeichelt und ku&#x0364;tzelt. Die&#x017F;er i&#x017F;t nach jenes Aus-<lb/>
&#x017F;pruch, ein neuer <hi rendition="#aq">Alceus,</hi> und gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als <hi rendition="#aq">Mar<supplied>c</supplied>us Tullius,</hi> jener aber wird<lb/>
von die&#x017F;em ein anderer <hi rendition="#aq">Calimachus</hi> geprie&#x017F;en, und vor gelehrter als <hi rendition="#aq">Plato</hi> ge-<lb/>
halten. Der &#x017F;chon-erwehnte vortreffliche Herr <hi rendition="#fr">Rath</hi> und <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;or</hi> <hi rendition="#fr">Mencke</hi><lb/>
&#x017F;pricht in &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Charlatanerie,</hi> daß er &#x017F;ich eines Gelehrten, der zu <hi rendition="#fr">Leipzig</hi> ge-<lb/>
lebet habe, erinnere, welcher als er in ein kleines Sta&#x0364;dtgen zu einem Schul-<lb/>
Dien&#x017F;t beruffen worden, und &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t Niemand gefunden, der ihn heraus-<lb/>
&#x017F;treichen wollen, &#x017F;ich &#x017F;elber in einem, mit eigener Feder aufge&#x017F;etztem Gedichte<lb/>
darzu Glu&#x0364;ck gewu&#x0364;n&#x017F;chet, und zugleich das liebe <hi rendition="#fr">Leipzig</hi> beklaget, <hi rendition="#fr">daß &#x017F;elbiges<lb/>
an ihm ein &#x017F;o theures Haupt verlieren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</hi> Wem i&#x017F;t hiernech&#x017F;t der <hi rendition="#aq">Poët</hi><lb/><hi rendition="#fr">Jacob Vogel</hi> unbekannt, welcher von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t folgende, noch &#x017F;o ziemlich<lb/>
vortheilhaffte, Meynung geheget:</p><lb/>
          <cit>
            <quote>
              <lg type="poem">
                <l> <hi rendition="#fr">Teut&#x017F;chland hat zwar einen </hi> <hi rendition="#aq">Lutherum,</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Aber noch keinen </hi> <hi rendition="#aq">Homerum;</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Einen recht&#x017F;chaffenen Propheten;</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Aber noch keinen recht&#x017F;chaffenen </hi> <hi rendition="#aq">Poëten.</hi> </l><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Doch</hi> </fw><lb/>
              </lg>
            </quote>
          </cit>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0243] Horrendas canit ambages antroque remugit Obſcuris falſa invalvens. Daß ſie in tiefer Klufft viel ungewiſſe Dinge, Die unerforſchlich ſind, mit dunckeln Worten ſinge. Wer ſolte wohl glauben, daß es unter denen Gelehrten ſolche Leute gaͤbe, die ſich ihre einene Buͤcher ſelber zuſchreiben und dediciren. Dieſes erzehlet man von H ‒ ‒ R. der unter dem Namen Chriſtian Cititzens eine Hiſtorie des Ditmarſiſchen Krieges verfertiget, und ſelbige ſich ſelbſt dediciret hat. So hat es bey nahe auch Andreas Schotte gemachet, der ſich ſein erlaͤutertes Italien, welches er ſelber zuſammen geſammlet, von dem Verleger, Andreas Cambierius, hat zuſchreiben laſſen. Aber nichts iſt, nach des Erasmi Mey- nung, luſtiger zu ſehen und zu hoͤren, als wann ſich die Gelehrten unter einan- der um die Wette loben und bewundern, wann ſie ihre beyderſeitigen Ver- dienſte durch gewechſelte Brieffe, Gedichte, und dergleichen Lob-Schrifften erheben; wann der Ungelehrte den Unwiſſenden, der Thor den Narrn, der Affe den Haſen, ſtreichelt, ſchmeichelt und kuͤtzelt. Dieſer iſt nach jenes Aus- ſpruch, ein neuer Alceus, und groͤſſer als Marcus Tullius, jener aber wird von dieſem ein anderer Calimachus geprieſen, und vor gelehrter als Plato ge- halten. Der ſchon-erwehnte vortreffliche Herr Rath und Profeſſor Mencke ſpricht in ſeiner Charlatanerie, daß er ſich eines Gelehrten, der zu Leipzig ge- lebet habe, erinnere, welcher als er in ein kleines Staͤdtgen zu einem Schul- Dienſt beruffen worden, und ſich ſonſt Niemand gefunden, der ihn heraus- ſtreichen wollen, ſich ſelber in einem, mit eigener Feder aufgeſetztem Gedichte darzu Gluͤck gewuͤnſchet, und zugleich das liebe Leipzig beklaget, daß ſelbiges an ihm ein ſo theures Haupt verlieren muͤſſe. Wem iſt hiernechſt der Poët Jacob Vogel unbekannt, welcher von ſich ſelbſt folgende, noch ſo ziemlich vortheilhaffte, Meynung geheget: Teutſchland hat zwar einen Lutherum, Aber noch keinen Homerum; Einen rechtſchaffenen Propheten; Aber noch keinen rechtſchaffenen Poëten. Doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/243
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/243>, abgerufen am 06.05.2024.