wissen kan, ob es genug gefressen hat, biß ihm das Futter an die Kähle gestie- gen, ja so zu reden beym Rüssel wieder hervor raget. Was aber die Kräffte unsers Leibes conserviret, oder daß ich so reden mag, in seinem baulichen We- sen erhält, und die edlen Gaben unsers Verstandes entweder excoliret, oder in einen gebesserten Zustand setzet, dasselbe, gehöret alles zu der geschickten Art einer vernünfftigen Auferziehung, weil wir dadurch die gemeinen Vorurtheile vermeiden, auf unsere eigene Erkänntniß geführet, und die Art, uns selbst alle Tage zu bessern, gar leichte lernen können. Dahero halte ich dieses, nach meinem wenigen Erachten, vor eine allgemeine Regel: Quod, qualis sit mo- dus educandi, talis quoque sit modus vivendi; das ist: Wie einer erzogen worden ist, so pfleget er auch hernachmahls beständig zu leben.
Man siehet solches sonderlich an denen eigensinnigen Grillen, und wun- derlichen Köpffen, welche eine eintzige Fliege an der Wand beleidigen, und eine eintzige Mine das gantze Concept wider aller Leute Vermuthen verrücken kan. Fraget man, woher doch solches komme, und was wohl die eigentliche Ursa- che einer solchen wunderlichen Conduite seyn mag? so ist die Raison gar leich- te zu geben, weil der Vater, oder der Praeceptor, oder der Rector, eben ein solcher wunderlicher Heiliger, als wie jetzo der Sohn gewesen ist; wovon dann der Sohn, oder der Discipul, ein solches eigensinniges Wesen wider sein Ver- mercken nach und nach gelernet, und sich halsstarrig zu leben angewöhnet hat. Dieweil uns aber, in der Auferziehung, entweder ein gutes oder böses Exempel zur Nachfolge, wie ich zuvor gemeldet, gegeben wird, so kan es unmöglich anders kommen, als das verderbte Eltern und verderbte Praeceptores, ihre Untergebene noch mehr verderben müssen; zumalen, da ein jeglicher Sohn und Schüler von seinem Vater und Praeceptor das falsche Concept heget, daß alles, was sie thäten, dieselben nothwendig in praxi imitiren müsten.
Ehe ich mich noch von dem Vorurtheil der Auferziehung wende, so muß ich noch einige handgreiffliche Irrthümer anmercken, welche die Eltern insgemein in der Auferziehung mit ihren Kindern zu begehen pflegen. Hieher gehöret vornemlich der grobe Schnützer etlicher Eltern, da sie vorgeben, daß ihre Kin- der von Natur, und zwar im Mutterleibe, zu einem gewissen Studio vom Himmel gleichsam praedestiniret worden wären. Sie schliessen gemeiniglich, wann der Vater und Groß-Vater ein Pastor paganus. Diaconus, Superinten- dens, Advocatus oder Medicus gewesen ist, so hätte es auch seine unstreitige Richtigkeit, daß der Sohn ebenfalls ein Pastor paganus, Diaconus, Superinten-
dens,
wiſſen kan, ob es genug gefreſſen hat, biß ihm das Futter an die Kaͤhle geſtie- gen, ja ſo zu reden beym Ruͤſſel wieder hervor raget. Was aber die Kraͤffte unſers Leibes conſerviret, oder daß ich ſo reden mag, in ſeinem baulichen We- ſen erhaͤlt, und die edlen Gaben unſers Verſtandes entweder excoliret, oder in einen gebeſſerten Zuſtand ſetzet, daſſelbe, gehoͤret alles zu der geſchickten Art einer vernuͤnfftigen Auferziehung, weil wir dadurch die gemeinen Vorurtheile vermeiden, auf unſere eigene Erkaͤnntniß gefuͤhret, und die Art, uns ſelbſt alle Tage zu beſſern, gar leichte lernen koͤnnen. Dahero halte ich dieſes, nach meinem wenigen Erachten, vor eine allgemeine Regel: Quod, qualis ſit mo- dus educandi, talis quoque ſit modus vivendi; das iſt: Wie einer erzogen worden iſt, ſo pfleget er auch hernachmahls beſtaͤndig zu leben.
Man ſiehet ſolches ſonderlich an denen eigenſinnigen Grillen, und wun- derlichen Koͤpffen, welche eine eintzige Fliege an der Wand beleidigen, und eine eintzige Mine das gantze Concept wider aller Leute Vermuthen verruͤcken kan. Fraget man, woher doch ſolches komme, und was wohl die eigentliche Urſa- che einer ſolchen wunderlichen Conduite ſeyn mag? ſo iſt die Raiſon gar leich- te zu geben, weil der Vater, oder der Præceptor, oder der Rector, eben ein ſolcher wunderlicher Heiliger, als wie jetzo der Sohn geweſen iſt; wovon dann der Sohn, oder der Diſcipul, ein ſolches eigenſinniges Weſen wider ſein Ver- mercken nach und nach gelernet, und ſich halsſtarrig zu leben angewoͤhnet hat. Dieweil uns aber, in der Auferziehung, entweder ein gutes oder boͤſes Exempel zur Nachfolge, wie ich zuvor gemeldet, gegeben wird, ſo kan es unmoͤglich anders kommen, als das verderbte Eltern und verderbte Præceptores, ihre Untergebene noch mehr verderben muͤſſen; zumalen, da ein jeglicher Sohn und Schuͤler von ſeinem Vater und Præceptor das falſche Concept heget, daß alles, was ſie thaͤten, dieſelben nothwendig in praxi imitiren muͤſten.
Ehe ich mich noch von dem Vorurtheil der Auferziehung wende, ſo muß ich noch einige handgreiffliche Irrthuͤmer anmercken, welche die Eltern insgemein in der Auferziehung mit ihren Kindern zu begehen pflegen. Hieher gehoͤret vornemlich der grobe Schnuͤtzer etlicher Eltern, da ſie vorgeben, daß ihre Kin- der von Natur, und zwar im Mutterleibe, zu einem gewiſſen Studio vom Himmel gleichſam prædeſtiniret worden waͤren. Sie ſchlieſſen gemeiniglich, wann der Vater und Groß-Vater ein Paſtor paganus. Diaconus, Superinten- dens, Advocatus oder Medicus geweſen iſt, ſo haͤtte es auch ſeine unſtreitige Richtigkeit, daß der Sohn ebenfalls ein Paſtor paganus, Diaconus, Superinten-
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gen, ja ſo zu reden beym Ruͤſſel wieder hervor raget. Was aber die Kraͤffte
unſers Leibes conſerviret, oder daß ich ſo reden mag, in ſeinem baulichen We-
ſen erhaͤlt, und die edlen Gaben unſers Verſtandes entweder excoliret, oder
in einen gebeſſerten Zuſtand ſetzet, daſſelbe, gehoͤret alles zu der geſchickten Art
einer vernuͤnfftigen Auferziehung, weil wir dadurch die gemeinen Vorurtheile
vermeiden, auf unſere eigene Erkaͤnntniß gefuͤhret, und die Art, uns ſelbſt
alle Tage zu beſſern, gar leichte lernen koͤnnen. Dahero halte ich dieſes, nach
meinem wenigen Erachten, vor eine allgemeine Regel: Quod, qualis ſit mo-
dus educandi, talis quoque ſit modus vivendi; das iſt: Wie einer erzogen
worden iſt, ſo pfleget er auch hernachmahls beſtaͤndig zu leben.
Man ſiehet ſolches ſonderlich an denen eigenſinnigen Grillen, und wun-
derlichen Koͤpffen, welche eine eintzige Fliege an der Wand beleidigen, und eine
eintzige Mine das gantze Concept wider aller Leute Vermuthen verruͤcken kan.
Fraget man, woher doch ſolches komme, und was wohl die eigentliche Urſa-
che einer ſolchen wunderlichen Conduite ſeyn mag? ſo iſt die Raiſon gar leich-
te zu geben, weil der Vater, oder der Præceptor, oder der Rector, eben ein
ſolcher wunderlicher Heiliger, als wie jetzo der Sohn geweſen iſt; wovon dann
der Sohn, oder der Diſcipul, ein ſolches eigenſinniges Weſen wider ſein Ver-
mercken nach und nach gelernet, und ſich halsſtarrig zu leben angewoͤhnet hat.
Dieweil uns aber, in der Auferziehung, entweder ein gutes oder boͤſes Exempel
zur Nachfolge, wie ich zuvor gemeldet, gegeben wird, ſo kan es unmoͤglich anders
kommen, als das verderbte Eltern und verderbte Præceptores, ihre Untergebene
noch mehr verderben muͤſſen; zumalen, da ein jeglicher Sohn und Schuͤler von
ſeinem Vater und Præceptor das falſche Concept heget, daß alles, was ſie
thaͤten, dieſelben nothwendig in praxi imitiren muͤſten.
Ehe ich mich noch von dem Vorurtheil der Auferziehung wende, ſo muß ich
noch einige handgreiffliche Irrthuͤmer anmercken, welche die Eltern insgemein
in der Auferziehung mit ihren Kindern zu begehen pflegen. Hieher gehoͤret
vornemlich der grobe Schnuͤtzer etlicher Eltern, da ſie vorgeben, daß ihre Kin-
der von Natur, und zwar im Mutterleibe, zu einem gewiſſen Studio vom
Himmel gleichſam prædeſtiniret worden waͤren. Sie ſchlieſſen gemeiniglich,
wann der Vater und Groß-Vater ein Paſtor paganus. Diaconus, Superinten-
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Richtigkeit, daß der Sohn ebenfalls ein Paſtor paganus, Diaconus, Superinten-
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/226>, abgerufen am 17.07.2024.
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