Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Von einigen Teutschen Römisch-Catholischen Geistlichen aber noch
etwas mehreres zu reden, welche sich entweder in ihren Predigten, oder in
ihren Schrifften, etwas lächerlich aufgeführet, so bitte ich, mir zu glauben, wie
ich Anno 1704. zu Amberg in der Ober-Pfaltz den zweyten Tag des Wey-
nachts-Festes, in der Vesper-Predigt, einen Franciscaner gehöret, welcher
das gantze Auditorium mehr als einmal zu einem lauten Gelächter bewogen.
Er tractirte die Materie von der Jungferschafft auf der Cantzel und beschriebe
eine Jungfer, wie sie von innen und aussen, ja oben und unten, beschaffen
seyn solle. Als er seine Beschreibung gemachet hatte, fragte er, wie viel wohl
solche reine und rechtschaffene Jungfern in Amberg möchten zu finden
seyn?
und sprach anbey: Ich will nicht mit einem gewissen Geistlichen
es gesaget haben, der unlängstens an einem Orte geprediget, er ge-
traue sich alle reine Jungfern in der Stadt auf einem Schub-Karn
zum Thor hinaus zu führen. Nein, nein fuhr er fort, ich sage es nicht,
denn es möchte mir auch gehen wie es ihm gegangen hat. Wie gieng es
ihm dann?
f[r]agte er selbsten, und antwortete darauf: So gieng es ihm:
Als er nach geendigter Predigt nach Hause gehen wolte, umringten
ihn alle Jungfern, und wolten wissen, was er Böses auf sie wüste?
Dannenhero muste der arme Mann
Parole geben, sich nechstkünfftigen
Sonntag besser zu
expliciren. Da solcher herbey kam trat er wieder
auf die Cantzel und sprach: Ihr lieben Jungfern! Ich habe vor acht
Tagen geprediget, daß ich mir getrauete euch alle auf einen Schub-
Karn zum Thor hinaus zu führen. Deshalb habt ihr mich umrungen,
und
obligiret, euch zu versprechen, heute meine Worte recht zu erklä-
ren. Nun bekenne ich, daß ich es gesprochen habe, und sage es auch
nochmals. Aber ihr lieben Jungfern, ihr müsset nicht meinen, daß ich
euch alle auf einmahl aufladen wolte. Nein, nein, nein, eine nach der
andern, und auf diese Art solte ich doch wohl endlich mit euch fertig
werden.
Alsdann gab er ein Exempel von etlichen recht keuschen Jungfern.
Solches, sagte er, sind drey Bauer-Mädgen in Brabant, unweit
Brüssel gewesen, welche aufs Feld grasen gegangen. Gegen diese ka-
men drey Dragoner angesprenget, und
praetendirten, sie solten sich ih-
rem Willen
accommodiren. Hierwider mochte weder Bitten noch Fle-
hen dieselbe
garantiren; au contraire es waren die Dragoner eben an
dem, Gewalt zu gebrauchen. Demnach baten diese drey armen Crea-
turen nur noch um ein Vater-Unser lang Zeit. Was waren nun sol-

che
U

Von einigen Teutſchen Roͤmiſch-Catholiſchen Geiſtlichen aber noch
etwas mehreres zu reden, welche ſich entweder in ihren Predigten, oder in
ihren Schrifften, etwas laͤcherlich aufgefuͤhret, ſo bitte ich, mir zu glauben, wie
ich Anno 1704. zu Amberg in der Ober-Pfaltz den zweyten Tag des Wey-
nachts-Feſtes, in der Veſper-Predigt, einen Franciſcaner gehoͤret, welcher
das gantze Auditorium mehr als einmal zu einem lauten Gelaͤchter bewogen.
Er tractirte die Materie von der Jungferſchafft auf der Cantzel und beſchriebe
eine Jungfer, wie ſie von innen und auſſen, ja oben und unten, beſchaffen
ſeyn ſolle. Als er ſeine Beſchreibung gemachet hatte, fragte er, wie viel wohl
ſolche reine und rechtſchaffene Jungfern in Amberg moͤchten zu finden
ſeyn?
und ſprach anbey: Ich will nicht mit einem gewiſſen Geiſtlichen
es geſaget haben, der unlaͤngſtens an einem Orte geprediget, er ge-
traue ſich alle reine Jungfern in der Stadt auf einem Schub-Karn
zum Thor hinaus zu fuͤhren. Nein, nein fuhr er fort, ich ſage es nicht,
denn es moͤchte mir auch gehen wie es ihm gegangen hat. Wie gieng es
ihm dann?
f[r]agte er ſelbſten, und antwortete darauf: So gieng es ihm:
Als er nach geendigter Predigt nach Hauſe gehen wolte, umringten
ihn alle Jungfern, und wolten wiſſen, was er Boͤſes auf ſie wuͤſte?
Dannenhero muſte der arme Mann
Parole geben, ſich nechſtkuͤnfftigen
Sonntag beſſer zu
expliciren. Da ſolcher herbey kam trat er wieder
auf die Cantzel und ſprach: Ihr lieben Jungfern! Ich habe vor acht
Tagen geprediget, daß ich mir getrauete euch alle auf einen Schub-
Karn zum Thor hinaus zu fuͤhren. Deshalb habt ihr mich umrungen,
und
obligiret, euch zu verſprechen, heute meine Worte recht zu erklaͤ-
ren. Nun bekenne ich, daß ich es geſprochen habe, und ſage es auch
nochmals. Aber ihr lieben Jungfern, ihr muͤſſet nicht meinen, daß ich
euch alle auf einmahl aufladen wolte. Nein, nein, nein, eine nach der
andern, und auf dieſe Art ſolte ich doch wohl endlich mit euch fertig
werden.
Alsdann gab er ein Exempel von etlichen recht keuſchen Jungfern.
Solches, ſagte er, ſind drey Bauer-Maͤdgen in Brabant, unweit
Bruͤſſel geweſen, welche aufs Feld graſen gegangen. Gegen dieſe ka-
men drey Dragoner angeſprenget, und
prætendirten, ſie ſolten ſich ih-
rem Willen
accommodiren. Hierwider mochte weder Bitten noch Fle-
hen dieſelbe
garantiren; au contraire es waren die Dragoner eben an
dem, Gewalt zu gebrauchen. Demnach baten dieſe drey armen Crea-
turen nur noch um ein Vater-Unſer lang Zeit. Was waren nun ſol-

che
U
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0197" n="153"/>
        <p>Von einigen <hi rendition="#fr">Teut&#x017F;chen Ro&#x0364;mi&#x017F;ch-Catholi&#x017F;chen Gei&#x017F;tlichen</hi> aber noch<lb/>
etwas mehreres zu reden, welche &#x017F;ich entweder in ihren Predigten, oder in<lb/>
ihren Schrifften, etwas la&#x0364;cherlich aufgefu&#x0364;hret, &#x017F;o bitte ich, mir zu glauben, wie<lb/>
ich <hi rendition="#aq">Anno</hi> 1704. zu Amberg in der Ober-Pfaltz den zweyten Tag des Wey-<lb/>
nachts-Fe&#x017F;tes, in der Ve&#x017F;per-Predigt, einen <hi rendition="#aq">Franci&#x017F;caner</hi> geho&#x0364;ret, welcher<lb/>
das gantze <hi rendition="#aq">Auditorium</hi> mehr als einmal zu einem lauten Gela&#x0364;chter bewogen.<lb/>
Er <hi rendition="#aq">tracti</hi>rte die <hi rendition="#aq">Materie</hi> von der <hi rendition="#fr">Jungfer&#x017F;chafft</hi> auf der Cantzel und be&#x017F;chriebe<lb/>
eine Jungfer, wie &#x017F;ie von innen und au&#x017F;&#x017F;en, ja oben und unten, be&#x017F;chaffen<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;olle. Als er &#x017F;eine Be&#x017F;chreibung gemachet hatte, fragte er, <hi rendition="#fr">wie viel wohl<lb/>
&#x017F;olche reine und recht&#x017F;chaffene Jungfern in Amberg mo&#x0364;chten zu finden<lb/>
&#x017F;eyn?</hi> und &#x017F;prach anbey: <hi rendition="#fr">Ich will nicht mit einem gewi&#x017F;&#x017F;en Gei&#x017F;tlichen<lb/>
es ge&#x017F;aget haben, der unla&#x0364;ng&#x017F;tens an einem Orte geprediget, er ge-<lb/>
traue &#x017F;ich alle reine Jungfern in der Stadt auf einem Schub-Karn<lb/>
zum Thor hinaus zu fu&#x0364;hren. Nein, nein fuhr er fort, ich &#x017F;age es nicht,<lb/>
denn es mo&#x0364;chte mir auch gehen wie es ihm gegangen hat. Wie gieng es<lb/>
ihm dann?</hi> f<supplied>r</supplied>agte er &#x017F;elb&#x017F;ten, und antwortete darauf: <hi rendition="#fr">So gieng es ihm:<lb/>
Als er nach geendigter Predigt nach Hau&#x017F;e gehen wolte, umringten<lb/>
ihn alle Jungfern, und wolten wi&#x017F;&#x017F;en, was er Bo&#x0364;&#x017F;es auf &#x017F;ie wu&#x0364;&#x017F;te?<lb/>
Dannenhero mu&#x017F;te der arme Mann</hi> <hi rendition="#aq">Parole</hi> <hi rendition="#fr">geben, &#x017F;ich nech&#x017F;tku&#x0364;nfftigen<lb/>
Sonntag be&#x017F;&#x017F;er zu</hi> <hi rendition="#aq">explici</hi><hi rendition="#fr">ren. Da &#x017F;olcher herbey kam trat er wieder<lb/>
auf die Cantzel und &#x017F;prach: Ihr lieben Jungfern! Ich habe vor acht<lb/>
Tagen geprediget, daß ich mir getrauete euch alle auf einen Schub-<lb/>
Karn zum Thor hinaus zu fu&#x0364;hren. Deshalb habt ihr mich umrungen,<lb/>
und</hi> <hi rendition="#aq">obligi</hi><hi rendition="#fr">ret, euch zu ver&#x017F;prechen, heute meine Worte recht zu erkla&#x0364;-<lb/>
ren. Nun bekenne ich, daß ich es ge&#x017F;prochen habe, und &#x017F;age es auch<lb/>
nochmals. Aber ihr lieben Jungfern, ihr mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;et nicht meinen, daß ich<lb/>
euch alle auf einmahl aufladen wolte. Nein, nein, nein, eine nach der<lb/>
andern, und auf die&#x017F;e Art &#x017F;olte ich doch wohl endlich mit euch fertig<lb/>
werden.</hi> Alsdann gab er ein Exempel von etlichen recht keu&#x017F;chen Jungfern.<lb/><hi rendition="#fr">Solches, &#x017F;agte er, &#x017F;ind drey Bauer-Ma&#x0364;dgen in Brabant, unweit<lb/>
Bru&#x0364;&#x017F;&#x017F;el gewe&#x017F;en, welche aufs Feld gra&#x017F;en gegangen. Gegen die&#x017F;e ka-<lb/>
men drey Dragoner ange&#x017F;prenget, und</hi> <hi rendition="#aq">prætendir</hi><hi rendition="#fr">ten, &#x017F;ie &#x017F;olten &#x017F;ich ih-<lb/>
rem Willen</hi> <hi rendition="#aq">accommodi</hi><hi rendition="#fr">ren. Hierwider mochte weder Bitten noch Fle-<lb/>
hen die&#x017F;elbe</hi> <hi rendition="#aq">garanti</hi><hi rendition="#fr">ren;</hi> <hi rendition="#aq">au contraire</hi> <hi rendition="#fr">es waren die Dragoner eben an<lb/>
dem, Gewalt zu gebrauchen. Demnach baten die&#x017F;e drey armen Crea-<lb/>
turen nur noch um ein Vater-Un&#x017F;er lang Zeit. Was waren nun &#x017F;ol-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">U</hi></fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">che</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0197] Von einigen Teutſchen Roͤmiſch-Catholiſchen Geiſtlichen aber noch etwas mehreres zu reden, welche ſich entweder in ihren Predigten, oder in ihren Schrifften, etwas laͤcherlich aufgefuͤhret, ſo bitte ich, mir zu glauben, wie ich Anno 1704. zu Amberg in der Ober-Pfaltz den zweyten Tag des Wey- nachts-Feſtes, in der Veſper-Predigt, einen Franciſcaner gehoͤret, welcher das gantze Auditorium mehr als einmal zu einem lauten Gelaͤchter bewogen. Er tractirte die Materie von der Jungferſchafft auf der Cantzel und beſchriebe eine Jungfer, wie ſie von innen und auſſen, ja oben und unten, beſchaffen ſeyn ſolle. Als er ſeine Beſchreibung gemachet hatte, fragte er, wie viel wohl ſolche reine und rechtſchaffene Jungfern in Amberg moͤchten zu finden ſeyn? und ſprach anbey: Ich will nicht mit einem gewiſſen Geiſtlichen es geſaget haben, der unlaͤngſtens an einem Orte geprediget, er ge- traue ſich alle reine Jungfern in der Stadt auf einem Schub-Karn zum Thor hinaus zu fuͤhren. Nein, nein fuhr er fort, ich ſage es nicht, denn es moͤchte mir auch gehen wie es ihm gegangen hat. Wie gieng es ihm dann? fragte er ſelbſten, und antwortete darauf: So gieng es ihm: Als er nach geendigter Predigt nach Hauſe gehen wolte, umringten ihn alle Jungfern, und wolten wiſſen, was er Boͤſes auf ſie wuͤſte? Dannenhero muſte der arme Mann Parole geben, ſich nechſtkuͤnfftigen Sonntag beſſer zu expliciren. Da ſolcher herbey kam trat er wieder auf die Cantzel und ſprach: Ihr lieben Jungfern! Ich habe vor acht Tagen geprediget, daß ich mir getrauete euch alle auf einen Schub- Karn zum Thor hinaus zu fuͤhren. Deshalb habt ihr mich umrungen, und obligiret, euch zu verſprechen, heute meine Worte recht zu erklaͤ- ren. Nun bekenne ich, daß ich es geſprochen habe, und ſage es auch nochmals. Aber ihr lieben Jungfern, ihr muͤſſet nicht meinen, daß ich euch alle auf einmahl aufladen wolte. Nein, nein, nein, eine nach der andern, und auf dieſe Art ſolte ich doch wohl endlich mit euch fertig werden. Alsdann gab er ein Exempel von etlichen recht keuſchen Jungfern. Solches, ſagte er, ſind drey Bauer-Maͤdgen in Brabant, unweit Bruͤſſel geweſen, welche aufs Feld graſen gegangen. Gegen dieſe ka- men drey Dragoner angeſprenget, und prætendirten, ſie ſolten ſich ih- rem Willen accommodiren. Hierwider mochte weder Bitten noch Fle- hen dieſelbe garantiren; au contraire es waren die Dragoner eben an dem, Gewalt zu gebrauchen. Demnach baten dieſe drey armen Crea- turen nur noch um ein Vater-Unſer lang Zeit. Was waren nun ſol- che U

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/197
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/197>, abgerufen am 24.11.2024.