Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

dencket aber nur derer Römer, daß dieselben sich ewig bey ihrer
Hoheit und Glückseligkeit hätten erhalten können, wann denen
Göttern so hoch daran gelegen gewesen wäre, sie bey ihrer alten
Freyheit zu
mainteniren, als sich an ihnen zu rächen. Bedüncket
euch dann nicht,
Lipsi! wahr zu seyn, daß die Römer, so ihrer un-
ersättlichen Regiersucht niemalen weder Ziel noch Maaß zu setzen
gewust, weil sie so viele herrliche Königreiche, Fürstenthümer und
Regimenter zerstöret und verwüstet, die Welt überall bestohlen,
auch dieselbe, ihren unerlöschlichen Gelb-Durst zu sättigen, mit
Feuer und Blut überschwemmet, endlich den Zorn des Aller höch-
sten gegen sich erwecket, welcher nach dem er sie denen allergrau-
samsten Tyrannen zum Raub übergeben, die ihnen das gröste
Hertzeleyd und Drangsaal zu gefüget, letzlich über sie verhänget
hat, daß sie zur sonderlichen Schmach, Spott und Hohn, von de-
nen allerbarbarischesten Völckern in
Europa haben müssen unter-
drücket und zu Boden gerichtet werden; welches dann in der That
ein erschreckliches Ende, dessen aber doch derer Römer Ehrsucht,
Grausamkeit und Geitz wohl werth gewesen. Und dieses seynd
die Steine des Anstoßes, an welche GOtt der Allmächtige alle die-
jenigen kommen und gerathen lässet, so des Herrschens und Re-
gierens nicht können satt werden. Damit ich aber, euch eures
Irrthums zu überweisen, ein Ende mache, so frage ich, ob ihr
nicht euch zu entsinnen wisset, daß ich auch an Andern Orten dieses
Wörtlein
nostram, oder nostri, gebrauchet habe? Lipsius antwortete:
Da ihr des Königs derer Armenier, Tiridatis, Meldung thut, wel-
cher von dem
Corbulone nach Rom verschicket ward, etlicher Sa-
chen wegen, deren er beschuldiget wurde, sich bey dem Kayser
Ne-
rone
zu excusiren Dieser, ehe er sich auf den Weg begab, vergli-
che sich mit dem
Corbulone, daß er nicht als ein Gefangener gehal-
ten werden, auch an keinem Ort sein Gewehr abzulegen schuldig
seyn solte, und daß er die fremden Abgesandten besuchen, auch sich
in Rom denen Burgermeistern gleich halten dörffte. Solch des

Tiri-
Q 3

dencket aber nur derer Roͤmer, daß dieſelben ſich ewig bey ihrer
Hoheit und Gluͤckſeligkeit haͤtten erhalten koͤnnen, wann denen
Goͤttern ſo hoch daran gelegen geweſen waͤre, ſie bey ihrer alten
Freyheit zu
mainteniren, als ſich an ihnen zu raͤchen. Beduͤncket
euch dann nicht,
Lipſi! wahr zu ſeyn, daß die Roͤmer, ſo ihrer un-
erſaͤttlichen Regierſucht niemalen weder Ziel noch Maaß zu ſetzen
gewuſt, weil ſie ſo viele herrliche Koͤnigreiche, Fuͤrſtenthuͤmer und
Regimenter zerſtoͤret und verwuͤſtet, die Welt uͤberall beſtohlen,
auch dieſelbe, ihren unerloͤſchlichen Gelb-Durſt zu ſaͤttigen, mit
Feuer und Blut uͤberſchwemmet, endlich den Zorn des Aller hoͤch-
ſten gegen ſich erwecket, welcher nach dem er ſie denen allergrau-
ſamſten Tyrannen zum Raub uͤbergeben, die ihnen das groͤſte
Hertzeleyd und Drangſaal zu gefuͤget, letzlich uͤber ſie verhaͤnget
hat, daß ſie zur ſonderlichen Schmach, Spott und Hohn, von de-
nen allerbarbariſcheſten Voͤlckern in
Europa haben muͤſſen unter-
druͤcket und zu Boden gerichtet werden; welches dann in der That
ein erſchreckliches Ende, deſſen aber doch derer Roͤmer Ehrſucht,
Grauſamkeit und Geitz wohl werth geweſen. Und dieſes ſeynd
die Steine des Anſtoßes, an welche GOtt der Allmaͤchtige alle die-
jenigen kommen und gerathen laͤſſet, ſo des Herrſchens und Re-
gierens nicht koͤnnen ſatt werden. Damit ich aber, euch eures
Irrthums zu uͤberweiſen, ein Ende mache, ſo frage ich, ob ihr
nicht euch zu entſinnen wiſſet, daß ich auch an Andern Orten dieſes
Woͤrtlein
noſtram, oder noſtri, gebrauchet habe? Lipſius antwortete:
Da ihr des Koͤnigs derer Armenier, Tiridatis, Meldung thut, wel-
cher von dem
Corbulone nach Rom verſchicket ward, etlicher Sa-
chen wegen, deren er beſchuldiget wurde, ſich bey dem Kayſer
Ne-
rone
zu excuſiren Dieſer, ehe er ſich auf den Weg begab, vergli-
che ſich mit dem
Corbulone, daß er nicht als ein Gefangener gehal-
ten werden, auch an keinem Ort ſein Gewehr abzulegen ſchuldig
ſeyn ſolte, und daß er die fremden Abgeſandten beſuchen, auch ſich
in Rom denen Burgermeiſtern gleich halten doͤrffte. Solch des

Tiri-
Q 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0169" n="125"/><hi rendition="#fr">dencket aber nur derer Ro&#x0364;mer, daß die&#x017F;elben &#x017F;ich ewig bey ihrer<lb/>
Hoheit und Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit ha&#x0364;tten erhalten ko&#x0364;nnen, wann denen<lb/>
Go&#x0364;ttern &#x017F;o hoch daran gelegen gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, &#x017F;ie bey ihrer alten<lb/>
Freyheit zu</hi><hi rendition="#aq">mainteni</hi><hi rendition="#fr">ren, als &#x017F;ich an ihnen zu ra&#x0364;chen. Bedu&#x0364;ncket<lb/>
euch dann nicht,</hi><hi rendition="#aq">Lip&#x017F;i!</hi><hi rendition="#fr">wahr zu &#x017F;eyn, daß die Ro&#x0364;mer, &#x017F;o ihrer un-<lb/>
er&#x017F;a&#x0364;ttlichen Regier&#x017F;ucht niemalen weder Ziel noch Maaß zu &#x017F;etzen<lb/>
gewu&#x017F;t, weil &#x017F;ie &#x017F;o viele herrliche Ko&#x0364;nigreiche, Fu&#x0364;r&#x017F;tenthu&#x0364;mer und<lb/>
Regimenter zer&#x017F;to&#x0364;ret und verwu&#x0364;&#x017F;tet, die Welt u&#x0364;berall be&#x017F;tohlen,<lb/>
auch die&#x017F;elbe, ihren unerlo&#x0364;&#x017F;chlichen Gelb-Dur&#x017F;t zu &#x017F;a&#x0364;ttigen, mit<lb/>
Feuer und Blut u&#x0364;ber&#x017F;chwemmet, endlich den Zorn des Aller ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten gegen &#x017F;ich erwecket, welcher nach dem er &#x017F;ie denen allergrau-<lb/>
&#x017F;am&#x017F;ten Tyrannen zum Raub u&#x0364;bergeben, die ihnen das gro&#x0364;&#x017F;te<lb/>
Hertzeleyd und Drang&#x017F;aal zu gefu&#x0364;get, letzlich u&#x0364;ber &#x017F;ie verha&#x0364;nget<lb/>
hat, daß &#x017F;ie zur &#x017F;onderlichen Schmach, Spott und Hohn, von de-<lb/>
nen allerbarbari&#x017F;che&#x017F;ten Vo&#x0364;lckern in</hi><hi rendition="#aq">Europa</hi><hi rendition="#fr">haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en unter-<lb/>
dru&#x0364;cket und zu Boden gerichtet werden; welches dann in der That<lb/>
ein er&#x017F;chreckliches Ende, de&#x017F;&#x017F;en aber doch derer Ro&#x0364;mer Ehr&#x017F;ucht,<lb/>
Grau&#x017F;amkeit und Geitz wohl werth gewe&#x017F;en. Und die&#x017F;es &#x017F;eynd<lb/>
die Steine des An&#x017F;toßes, an welche GOtt der Allma&#x0364;chtige alle die-<lb/>
jenigen kommen und gerathen la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, &#x017F;o des Herr&#x017F;chens und Re-<lb/>
gierens nicht ko&#x0364;nnen &#x017F;att werden. Damit ich aber, euch eures<lb/>
Irrthums zu u&#x0364;berwei&#x017F;en, ein Ende mache, &#x017F;o frage ich, ob ihr<lb/>
nicht euch zu ent&#x017F;innen wi&#x017F;&#x017F;et, daß ich auch an Andern Orten die&#x017F;es<lb/>
Wo&#x0364;rtlein</hi><hi rendition="#aq">no&#x017F;tram,</hi><hi rendition="#fr">oder</hi><hi rendition="#aq">no&#x017F;tri,</hi><hi rendition="#fr">gebrauchet habe?</hi><hi rendition="#aq">Lip&#x017F;ius</hi> antwortete:<lb/><hi rendition="#fr">Da ihr des Ko&#x0364;nigs derer</hi> <hi rendition="#aq">Armenier, Tiridatis,</hi> <hi rendition="#fr">Meldung thut, wel-<lb/>
cher von dem</hi> <hi rendition="#aq">Corbulone</hi> <hi rendition="#fr">nach Rom ver&#x017F;chicket ward, etlicher Sa-<lb/>
chen wegen, deren er be&#x017F;chuldiget wurde, &#x017F;ich bey dem Kay&#x017F;er</hi> <hi rendition="#aq">Ne-<lb/>
rone</hi> <hi rendition="#fr">zu</hi> <hi rendition="#aq">excu&#x017F;i</hi><hi rendition="#fr">ren Die&#x017F;er, ehe er &#x017F;ich auf den Weg begab, vergli-<lb/>
che &#x017F;ich mit dem</hi> <hi rendition="#aq">Corbulone,</hi> <hi rendition="#fr">daß er nicht als ein Gefangener gehal-<lb/>
ten werden, auch an keinem Ort &#x017F;ein Gewehr abzulegen &#x017F;chuldig<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;olte, und daß er die fremden Abge&#x017F;andten be&#x017F;uchen, auch &#x017F;ich<lb/>
in Rom denen Burgermei&#x017F;tern gleich halten do&#x0364;rffte. Solch des</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Tiri-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0169] dencket aber nur derer Roͤmer, daß dieſelben ſich ewig bey ihrer Hoheit und Gluͤckſeligkeit haͤtten erhalten koͤnnen, wann denen Goͤttern ſo hoch daran gelegen geweſen waͤre, ſie bey ihrer alten Freyheit zu mainteniren, als ſich an ihnen zu raͤchen. Beduͤncket euch dann nicht, Lipſi! wahr zu ſeyn, daß die Roͤmer, ſo ihrer un- erſaͤttlichen Regierſucht niemalen weder Ziel noch Maaß zu ſetzen gewuſt, weil ſie ſo viele herrliche Koͤnigreiche, Fuͤrſtenthuͤmer und Regimenter zerſtoͤret und verwuͤſtet, die Welt uͤberall beſtohlen, auch dieſelbe, ihren unerloͤſchlichen Gelb-Durſt zu ſaͤttigen, mit Feuer und Blut uͤberſchwemmet, endlich den Zorn des Aller hoͤch- ſten gegen ſich erwecket, welcher nach dem er ſie denen allergrau- ſamſten Tyrannen zum Raub uͤbergeben, die ihnen das groͤſte Hertzeleyd und Drangſaal zu gefuͤget, letzlich uͤber ſie verhaͤnget hat, daß ſie zur ſonderlichen Schmach, Spott und Hohn, von de- nen allerbarbariſcheſten Voͤlckern in Europa haben muͤſſen unter- druͤcket und zu Boden gerichtet werden; welches dann in der That ein erſchreckliches Ende, deſſen aber doch derer Roͤmer Ehrſucht, Grauſamkeit und Geitz wohl werth geweſen. Und dieſes ſeynd die Steine des Anſtoßes, an welche GOtt der Allmaͤchtige alle die- jenigen kommen und gerathen laͤſſet, ſo des Herrſchens und Re- gierens nicht koͤnnen ſatt werden. Damit ich aber, euch eures Irrthums zu uͤberweiſen, ein Ende mache, ſo frage ich, ob ihr nicht euch zu entſinnen wiſſet, daß ich auch an Andern Orten dieſes Woͤrtlein noſtram, oder noſtri, gebrauchet habe? Lipſius antwortete: Da ihr des Koͤnigs derer Armenier, Tiridatis, Meldung thut, wel- cher von dem Corbulone nach Rom verſchicket ward, etlicher Sa- chen wegen, deren er beſchuldiget wurde, ſich bey dem Kayſer Ne- rone zu excuſiren Dieſer, ehe er ſich auf den Weg begab, vergli- che ſich mit dem Corbulone, daß er nicht als ein Gefangener gehal- ten werden, auch an keinem Ort ſein Gewehr abzulegen ſchuldig ſeyn ſolte, und daß er die fremden Abgeſandten beſuchen, auch ſich in Rom denen Burgermeiſtern gleich halten doͤrffte. Solch des Tiri- Q 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/169
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/169>, abgerufen am 03.12.2024.