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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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geladen wurde, fragte: Ist er dann gestorben? Man autwortete ihm Ja.
Warlich!
sagte der Syndicus ferner, in der grösten Verwirrung, es ist mir
leyd. Unser HErr GOtt verleihe ihm ein langes Leben.

Ein Pfaffe gieng zu Cölln am Rhein in denen Hunds-Tagen spatzieren.
Weil er nun viel Kühe auf der Weyde, und darunter den Brumm-Ochsen lie-
gen sahe, sprach er, wer doch auch ein Ochse bey so vielem Frauenzimmer
wäre.

Ein Praeceptor bey einem Edelmann, als er hörte, daß man an einem
Ort die Vorstadt vermittelst Aufführung eines neuen Walls mit in die Stadt
einschliessen wolte, lobete dieses Vornehmen gewaltig, und solches darum, weil
die von Adel, welche lieber in der Vorstadt, als an einem lufftigen fri-
schen Orte wohneten, auf diese Weise näher als zuvor allen ihren
Bequemlichkeiten wären, nemlich näher bey dem Schloß, näher bey
dem grossen Marckt, näher bey der Cantzley, näher bey der Keit-
Schule etc.
Er meynet also die Vorstadt würde näher an die Stadt fort ge-
rücket werden.

Ein Stutzer hatte einen andern adelichen Studiosum Lügen gestrafft. Als
dieser hernach dem Stutzer von ungefehr begegnete, fragte er denselben, wa-
rum er ihn hätte heissen Lügen?
Der Stutzer antwortete, er hätte ihn
nicht Lügen heissen, sondern seye viel zu
honnette, solche Worte zu ge-
brauchen. Wie
sagte der andere, ich habe es doch von etlichen gehöret.
Zuletzt sagte der Stutzer, wann ihr saget, daß ich euch Lügen gestraffet,
so sage ich euch, und will es auch sagen, daß ihr lüget.
Darauf sagte
der adeliche Studiosus. Warlich! das hieß euch GOtt reden. Denn
sonsten soltet ihr entweder mein Leben gehabt haben, oder ich das
eurige.

Ein Philosophus, als er hörte, daß einer von seinen Schuldleuten ge-
storben, sagte, ich wolte etwas wetten, daß er darum gestorben, weil er
besorget, er müste mich bezahlen.

Ein junger Doctor, als er in einen Brunnen, nach einer Flasche mit
Wein, die man in das kalte Wasser hinein gehencket hatte, sehen wolte, er-
blickte, in dem klaren Wasser, seinen eigenen Schatten. Hierüber erschrack

er,
L

geladen wurde, fragte: Iſt er dann geſtorben? Man autwortete ihm Ja.
Warlich!
ſagte der Syndicus ferner, in der groͤſten Verwirrung, es iſt mir
leyd. Unſer HErr GOtt verleihe ihm ein langes Leben.

Ein Pfaffe gieng zu Coͤlln am Rhein in denen Hunds-Tagen ſpatzieren.
Weil er nun viel Kuͤhe auf der Weyde, und darunter den Brumm-Ochſen lie-
gen ſahe, ſprach er, wer doch auch ein Ochſe bey ſo vielem Frauenzimmer
waͤre.

Ein Præceptor bey einem Edelmann, als er hoͤrte, daß man an einem
Ort die Vorſtadt vermittelſt Auffuͤhrung eines neuen Walls mit in die Stadt
einſchlieſſen wolte, lobete dieſes Vornehmen gewaltig, und ſolches darum, weil
die von Adel, welche lieber in der Vorſtadt, als an einem lufftigen fri-
ſchen Orte wohneten, auf dieſe Weiſe naͤher als zuvor allen ihren
Bequemlichkeiten waͤren, nemlich naͤher bey dem Schloß, naͤher bey
dem groſſen Marckt, naͤher bey der Cantzley, naͤher bey der Keit-
Schule ꝛc.
Er meynet alſo die Vorſtadt wuͤrde naͤher an die Stadt fort ge-
ruͤcket werden.

Ein Stutzer hatte einen andern adelichen Studioſum Luͤgen geſtrafft. Als
dieſer hernach dem Stutzer von ungefehr begegnete, fragte er denſelben, wa-
rum er ihn haͤtte heiſſen Luͤgen?
Der Stutzer antwortete, er haͤtte ihn
nicht Luͤgen heiſſen, ſondern ſeye viel zu
honnette, ſolche Worte zu ge-
brauchen. Wie
ſagte der andere, ich habe es doch von etlichen gehoͤret.
Zuletzt ſagte der Stutzer, wann ihr ſaget, daß ich euch Luͤgen geſtraffet,
ſo ſage ich euch, und will es auch ſagen, daß ihr luͤget.
Darauf ſagte
der adeliche Studioſus. Warlich! das hieß euch GOtt reden. Denn
ſonſten ſoltet ihr entweder mein Leben gehabt haben, oder ich das
eurige.

Ein Philoſophus, als er hoͤrte, daß einer von ſeinen Schuldleuten ge-
ſtorben, ſagte, ich wolte etwas wetten, daß er darum geſtorben, weil er
beſorget, er muͤſte mich bezahlen.

Ein junger Doctor, als er in einen Brunnen, nach einer Flaſche mit
Wein, die man in das kalte Waſſer hinein gehencket hatte, ſehen wolte, er-
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[81/0125] geladen wurde, fragte: Iſt er dann geſtorben? Man autwortete ihm Ja. Warlich! ſagte der Syndicus ferner, in der groͤſten Verwirrung, es iſt mir leyd. Unſer HErr GOtt verleihe ihm ein langes Leben. Ein Pfaffe gieng zu Coͤlln am Rhein in denen Hunds-Tagen ſpatzieren. Weil er nun viel Kuͤhe auf der Weyde, und darunter den Brumm-Ochſen lie- gen ſahe, ſprach er, wer doch auch ein Ochſe bey ſo vielem Frauenzimmer waͤre. Ein Præceptor bey einem Edelmann, als er hoͤrte, daß man an einem Ort die Vorſtadt vermittelſt Auffuͤhrung eines neuen Walls mit in die Stadt einſchlieſſen wolte, lobete dieſes Vornehmen gewaltig, und ſolches darum, weil die von Adel, welche lieber in der Vorſtadt, als an einem lufftigen fri- ſchen Orte wohneten, auf dieſe Weiſe naͤher als zuvor allen ihren Bequemlichkeiten waͤren, nemlich naͤher bey dem Schloß, naͤher bey dem groſſen Marckt, naͤher bey der Cantzley, naͤher bey der Keit- Schule ꝛc. Er meynet alſo die Vorſtadt wuͤrde naͤher an die Stadt fort ge- ruͤcket werden. Ein Stutzer hatte einen andern adelichen Studioſum Luͤgen geſtrafft. Als dieſer hernach dem Stutzer von ungefehr begegnete, fragte er denſelben, wa- rum er ihn haͤtte heiſſen Luͤgen? Der Stutzer antwortete, er haͤtte ihn nicht Luͤgen heiſſen, ſondern ſeye viel zu honnette, ſolche Worte zu ge- brauchen. Wie ſagte der andere, ich habe es doch von etlichen gehoͤret. Zuletzt ſagte der Stutzer, wann ihr ſaget, daß ich euch Luͤgen geſtraffet, ſo ſage ich euch, und will es auch ſagen, daß ihr luͤget. Darauf ſagte der adeliche Studioſus. Warlich! das hieß euch GOtt reden. Denn ſonſten ſoltet ihr entweder mein Leben gehabt haben, oder ich das eurige. Ein Philoſophus, als er hoͤrte, daß einer von ſeinen Schuldleuten ge- ſtorben, ſagte, ich wolte etwas wetten, daß er darum geſtorben, weil er beſorget, er muͤſte mich bezahlen. Ein junger Doctor, als er in einen Brunnen, nach einer Flaſche mit Wein, die man in das kalte Waſſer hinein gehencket hatte, ſehen wolte, er- blickte, in dem klaren Waſſer, ſeinen eigenen Schatten. Hieruͤber erſchrack er, L

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/125>, abgerufen am 21.11.2024.