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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Einem stoltzen und eingebildeten Studioso, hinter dem doch nichts steckte,
ward vorgeworffen, er studiere nichts. Der antwortete: Diejenigen stu-
dieren nur, welche nichts können. Wer aber schon alles weiß, wie ich,
darff es nicht erst lernen
.

Ein alter Pedant der vor Hochmuth stanck, gieng mit etlichen Studiosis spa-
tzieren. Da begegnete ihnen einer, der vor der gantzen Gesellschafft den Hut
abzog, weswegen er von allen und jeden den Gegen-Gruß empfieng. Weil
aber der stoltze Pedant sahe, daß es sein Bekanter war, sprach er: Ey! die
Herren lassen nur sitzen, die Ehre geschiehet mir alleine
.

Einer der binnen wenig Wochen Doctor werden wolte, erhielte Brieffe,
worinnen ein guter Freund verlangete, er solte ihm einige von der Architectur
handelnde Bücher kauffen. Derohalben gieng er in den Buchladen, und es
fiel ihm ein kleines Büchlein, Fundamentum Logices genannt in die Augen.
Da sagte er zu dem Buchhändler: Dieses ist sonder zweiffel eines von de-
nen Büchern, die ich suche, weil das vornehmste Stücke eines Gebäu-
des in dem
Fundament bestehet.

Ein Cantor, der auf allen musicalischen Instrumenten geübt seyn wolte,
solte eine Orgel probiren. Da er aber nicht recht schlug, sagte er; derjenige
ist Schuld daran, welcher die Blaßbälge ziehet
.

Ein besoffener Magister! fiel die Stiegen hinunter. Da ihm die andern
zuruffeten. Holla! Was macht ihr da? Domine Magister! sprach er:
Wann ich vollends hinunter bin, wird man es sehen.

Ungefehr acht Tage hernach, da einer Magister worden war, bekam er
eine Visite von einem seiner Verwandten, der in einer Chaise mit zweyen Pfer-
den anlangete. Als nun dieser zu dem neuen Magister sagte, seine Pferde
wären gar müde
, sprach er: Wie kommet das? Sie sind ja in der Chaise
gefahren und nicht zu Fusse gegangen.

Ein Jurist hatte grosse wehetagen im Haupte. Der Medicus verordnete
ihm derowegen ein Clystier, und der Apothecker fande sich damit ein, es ihm
beyzubringen. Zu dem Ende begehrte er, der Patient solte sich in behörige Po-
situr
legen. Allein dieser fuhr auf und sagte, der Medicus musse ein unver-
nünfftiger Esel seyn, daß er dem Hintern die Artzney verordne, da doch

die

Einem ſtoltzen und eingebildeten Studioſo, hinter dem doch nichts ſteckte,
ward vorgeworffen, er ſtudiere nichts. Der antwortete: Diejenigen ſtu-
dieren nur, welche nichts koͤnnen. Wer aber ſchon alles weiß, wie ich,
darff es nicht erſt lernen
.

Ein alter Pedant der vor Hochmuth ſtanck, gieng mit etlichen Studioſis ſpa-
tzieren. Da begegnete ihnen einer, der vor der gantzen Geſellſchafft den Hut
abzog, weswegen er von allen und jeden den Gegen-Gruß empfieng. Weil
aber der ſtoltze Pedant ſahe, daß es ſein Bekanter war, ſprach er: Ey! die
Herren laſſen nur ſitzen, die Ehre geſchiehet mir alleine
.

Einer der binnen wenig Wochen Doctor werden wolte, erhielte Brieffe,
worinnen ein guter Freund verlangete, er ſolte ihm einige von der Architectur
handelnde Buͤcher kauffen. Derohalben gieng er in den Buchladen, und es
fiel ihm ein kleines Buͤchlein, Fundamentum Logices genannt in die Augen.
Da ſagte er zu dem Buchhaͤndler: Dieſes iſt ſonder zweiffel eines von de-
nen Buͤchern, die ich ſuche, weil das vornehmſte Stuͤcke eines Gebaͤu-
des in dem
Fundament beſtehet.

Ein Cantor, der auf allen muſicaliſchen Inſtrumenten geuͤbt ſeyn wolte,
ſolte eine Orgel probiren. Da er aber nicht recht ſchlug, ſagte er; derjenige
iſt Schuld daran, welcher die Blaßbaͤlge ziehet
.

Ein beſoffener Magiſter! fiel die Stiegen hinunter. Da ihm die andern
zuruffeten. Holla! Was macht ihr da? Domine Magiſter! ſprach er:
Wann ich vollends hinunter bin, wird man es ſehen.

Ungefehr acht Tage hernach, da einer Magiſter worden war, bekam er
eine Viſite von einem ſeiner Verwandten, der in einer Chaiſe mit zweyen Pfer-
den anlangete. Als nun dieſer zu dem neuen Magiſter ſagte, ſeine Pferde
waͤren gar muͤde
, ſprach er: Wie kommet das? Sie ſind ja in der Chaiſe
gefahren und nicht zu Fuſſe gegangen.

Ein Juriſt hatte groſſe wehetagen im Haupte. Der Medicus verordnete
ihm derowegen ein Clyſtier, und der Apothecker fande ſich damit ein, es ihm
beyzubringen. Zu dem Ende begehrte er, der Patient ſolte ſich in behoͤrige Po-
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[76/0120] Einem ſtoltzen und eingebildeten Studioſo, hinter dem doch nichts ſteckte, ward vorgeworffen, er ſtudiere nichts. Der antwortete: Diejenigen ſtu- dieren nur, welche nichts koͤnnen. Wer aber ſchon alles weiß, wie ich, darff es nicht erſt lernen. Ein alter Pedant der vor Hochmuth ſtanck, gieng mit etlichen Studioſis ſpa- tzieren. Da begegnete ihnen einer, der vor der gantzen Geſellſchafft den Hut abzog, weswegen er von allen und jeden den Gegen-Gruß empfieng. Weil aber der ſtoltze Pedant ſahe, daß es ſein Bekanter war, ſprach er: Ey! die Herren laſſen nur ſitzen, die Ehre geſchiehet mir alleine. Einer der binnen wenig Wochen Doctor werden wolte, erhielte Brieffe, worinnen ein guter Freund verlangete, er ſolte ihm einige von der Architectur handelnde Buͤcher kauffen. Derohalben gieng er in den Buchladen, und es fiel ihm ein kleines Buͤchlein, Fundamentum Logices genannt in die Augen. Da ſagte er zu dem Buchhaͤndler: Dieſes iſt ſonder zweiffel eines von de- nen Buͤchern, die ich ſuche, weil das vornehmſte Stuͤcke eines Gebaͤu- des in dem Fundament beſtehet. Ein Cantor, der auf allen muſicaliſchen Inſtrumenten geuͤbt ſeyn wolte, ſolte eine Orgel probiren. Da er aber nicht recht ſchlug, ſagte er; derjenige iſt Schuld daran, welcher die Blaßbaͤlge ziehet. Ein beſoffener Magiſter! fiel die Stiegen hinunter. Da ihm die andern zuruffeten. Holla! Was macht ihr da? Domine Magiſter! ſprach er: Wann ich vollends hinunter bin, wird man es ſehen. Ungefehr acht Tage hernach, da einer Magiſter worden war, bekam er eine Viſite von einem ſeiner Verwandten, der in einer Chaiſe mit zweyen Pfer- den anlangete. Als nun dieſer zu dem neuen Magiſter ſagte, ſeine Pferde waͤren gar muͤde, ſprach er: Wie kommet das? Sie ſind ja in der Chaiſe gefahren und nicht zu Fuſſe gegangen. Ein Juriſt hatte groſſe wehetagen im Haupte. Der Medicus verordnete ihm derowegen ein Clyſtier, und der Apothecker fande ſich damit ein, es ihm beyzubringen. Zu dem Ende begehrte er, der Patient ſolte ſich in behoͤrige Po- ſitur legen. Allein dieſer fuhr auf und ſagte, der Medicus můſſe ein unver- nuͤnfftiger Eſel ſeyn, daß er dem Hintern die Artzney verordne, da doch die

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/120>, abgerufen am 05.05.2024.