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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Ein reisender Studiosus von Adel schriebe den vierten Tag nach seiner An-
kunfft in Franckreich! an seinen Vater, und beklagte sich, die Frantzösische
Sprache seye dermassen schwer, daß sie ihm gar nicht in den Kopff
wolle
.

Zwey Studiosi zanckten sich mit einander. Der eine hieß den andern ei-
nen Bachanten, und dieser jener ein Pennal, welcher deswegen zu ihm sprach:
Ich bin so gut als du bist.

Ein von der Universitaet gekommener Studiosus sang bey seiner Mutter Lei-
che mit heller Stimme, deswegen sein Vater auf ihn schalte. Er aber sagte:
Ich thue recht, und ihr unrecht. Ihr bestellet Leute ums Geld, wel-
che singen müssen; ich hingegen singe umsonst
.

Ein alter Pedant hatte sich bey einem Weinschencken, der ihn als einen
Gast tractirte, einen gewaltigen Rausch getruncken, gieng noch ehe es Nacht
war, vor das Hauß heraus an eine Ecke sein Wasser abzuschlagen. Weil er
aber zu gleicherzeit den Hut in seiner Hand trug, pissete er ihn unvermerckt
gantz voll. Hernach, als er solchen, aufsetzen wolte, schüttete er ihm seine eige-
ne Lauge selbst über den Kopff. Jedoch er glaubte festiglich, das Bad käme
von oben aus einem Fenster, sahe derohalben über sich, und fieng an zu schrey-
en: O Schelm schütte! Wann ich Obrigkeit hier wäre ich wolte dich zu-
vor lernen Kopffweg schreyen, ehe du schurten soltest
.

Ein feiner junger Pennal hatte eine Jungfrau eine Hure gescholten, und
gesaget, daß sie bey einem gelegen ware. Als er deswegen vorgefodert
ward, und nichts beweisen kunte, bate er um Verzeihung, mit diesen Wor-
ten: Ich habe gemeinet, was ich sehe, das wäre wahr.

Ein hochgelehrter Narr wolte sich grosser Reisen rühmen, und sagte, er
seye in einem Lande gewesen, wo es so grosse Bienen gäbe wie unsere
Schaafe
. Als man ihn fragte, wie groß dann die Bienen-Körbe darzu
wären
? antwortete er, wie hier zu Lande. Da sagte einer; Wie können
dann die Bienen hinein kommen, und darinnen seyn
? worauf der Lügner
versetzte: davor lasse ich die Bienen Sorgen.

Ein junger Pennal, als er das erstemal des Rheins ansichtig ward, fieng

er

Ein reiſender Studioſus von Adel ſchriebe den vierten Tag nach ſeiner An-
kunfft in Franckreich! an ſeinen Vater, und beklagte ſich, die Frantzoͤſiſche
Sprache ſeye dermaſſen ſchwer, daß ſie ihm gar nicht in den Kopff
wolle
.

Zwey Studioſi zanckten ſich mit einander. Der eine hieß den andern ei-
nen Bachanten, und dieſer jener ein Pennal, welcher deswegen zu ihm ſprach:
Ich bin ſo gut als du biſt.

Ein von der Univerſitæt gekommener Studioſus ſang bey ſeiner Mutter Lei-
che mit heller Stimme, deswegen ſein Vater auf ihn ſchalte. Er aber ſagte:
Ich thue recht, und ihr unrecht. Ihr beſtellet Leute ums Geld, wel-
che ſingen muͤſſen; ich hingegen ſinge umſonſt
.

Ein alter Pedant hatte ſich bey einem Weinſchencken, der ihn als einen
Gaſt tractirte, einen gewaltigen Rauſch getruncken, gieng noch ehe es Nacht
war, vor das Hauß heraus an eine Ecke ſein Waſſer abzuſchlagen. Weil er
aber zu gleicherzeit den Hut in ſeiner Hand trug, piſſete er ihn unvermerckt
gantz voll. Hernach, als er ſolchen, aufſetzen wolte, ſchuͤttete er ihm ſeine eige-
ne Lauge ſelbſt uͤber den Kopff. Jedoch er glaubte feſtiglich, das Bad kaͤme
von oben aus einem Fenſter, ſahe derohalben uͤber ſich, und fieng an zu ſchrey-
en: O Schelm ſchuͤtte! Wann ich Obrigkeit hier waͤre ich wolte dich zu-
vor lernen Kopffweg ſchreyen, ehe du ſchůrten ſolteſt
.

Ein feiner junger Pennal hatte eine Jungfrau eine Hure geſcholten, und
geſaget, daß ſie bey einem gelegen wåre. Als er deswegen vorgefodert
ward, und nichts beweiſen kunte, bate er um Verzeihung, mit dieſen Wor-
ten: Ich habe gemeinet, was ich ſehe, das waͤre wahr.

Ein hochgelehrter Narr wolte ſich groſſer Reiſen ruͤhmen, und ſagte, er
ſeye in einem Lande geweſen, wo es ſo groſſe Bienen gaͤbe wie unſere
Schaafe
. Als man ihn fragte, wie groß dann die Bienen-Koͤrbe darzu
waͤren
? antwortete er, wie hier zu Lande. Da ſagte einer; Wie koͤnnen
dann die Bienen hinein kommen, und darinnen ſeyn
? worauf der Luͤgner
verſetzte: davor laſſe ich die Bienen Sorgen.

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[71/0115] Ein reiſender Studioſus von Adel ſchriebe den vierten Tag nach ſeiner An- kunfft in Franckreich! an ſeinen Vater, und beklagte ſich, die Frantzoͤſiſche Sprache ſeye dermaſſen ſchwer, daß ſie ihm gar nicht in den Kopff wolle. Zwey Studioſi zanckten ſich mit einander. Der eine hieß den andern ei- nen Bachanten, und dieſer jener ein Pennal, welcher deswegen zu ihm ſprach: Ich bin ſo gut als du biſt. Ein von der Univerſitæt gekommener Studioſus ſang bey ſeiner Mutter Lei- che mit heller Stimme, deswegen ſein Vater auf ihn ſchalte. Er aber ſagte: Ich thue recht, und ihr unrecht. Ihr beſtellet Leute ums Geld, wel- che ſingen muͤſſen; ich hingegen ſinge umſonſt. Ein alter Pedant hatte ſich bey einem Weinſchencken, der ihn als einen Gaſt tractirte, einen gewaltigen Rauſch getruncken, gieng noch ehe es Nacht war, vor das Hauß heraus an eine Ecke ſein Waſſer abzuſchlagen. Weil er aber zu gleicherzeit den Hut in ſeiner Hand trug, piſſete er ihn unvermerckt gantz voll. Hernach, als er ſolchen, aufſetzen wolte, ſchuͤttete er ihm ſeine eige- ne Lauge ſelbſt uͤber den Kopff. Jedoch er glaubte feſtiglich, das Bad kaͤme von oben aus einem Fenſter, ſahe derohalben uͤber ſich, und fieng an zu ſchrey- en: O Schelm ſchuͤtte! Wann ich Obrigkeit hier waͤre ich wolte dich zu- vor lernen Kopffweg ſchreyen, ehe du ſchůrten ſolteſt. Ein feiner junger Pennal hatte eine Jungfrau eine Hure geſcholten, und geſaget, daß ſie bey einem gelegen wåre. Als er deswegen vorgefodert ward, und nichts beweiſen kunte, bate er um Verzeihung, mit dieſen Wor- ten: Ich habe gemeinet, was ich ſehe, das waͤre wahr. Ein hochgelehrter Narr wolte ſich groſſer Reiſen ruͤhmen, und ſagte, er ſeye in einem Lande geweſen, wo es ſo groſſe Bienen gaͤbe wie unſere Schaafe. Als man ihn fragte, wie groß dann die Bienen-Koͤrbe darzu waͤren? antwortete er, wie hier zu Lande. Da ſagte einer; Wie koͤnnen dann die Bienen hinein kommen, und darinnen ſeyn? worauf der Luͤgner verſetzte: davor laſſe ich die Bienen Sorgen. Ein junger Pennal, als er das erſtemal des Rheins anſichtig ward, fieng er

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/115>, abgerufen am 05.05.2024.