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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
dazu war so ein Landsknechtshaufe das Staunen und der
Schrecken aller Leute, wohin er kam. Der Anblick war so fürch-
terlich, daß sie bei Hans Sachs -- es war aber schon in der spä-
teren Zeit ihrer Entartung -- selbst dem Teufel Grausen erre-
gen. In dem Schwank: "der Teuffel lest kein Landsknecht zur
Helle faren" (1558) spricht Beelzebub zu Lucifer:

"Wilder Leut hab ich nie gesehn:
Ihr Kleider auf den wildsten Sitten
Zerflambt, zerhauen und zerschnitten,
Eins Theils ihr Schenkel blecken theten,
Die andern groß weit Hosen hetten,
Die ihnen bis auf die Füß rab hingen,
Wie die behosten Tauber gingen;
Ihr Angesicht schramet und knebelpartet,
Auf das allerwildest geartet:
In Summa wüst aller Gestalt,
Wie man vor Jahrn uns Teufel malt."

Schon zu Lebzeiten Maximilians hatten sie die tolle Will-
kür ihrer Kleidung so ins Maßlose getrieben, daß die feinen Hof-
herren dem Kaiser Vorstellungen machten und ihm riethen, der-
gleichen Uebermaß öffentlich zu verbieten. Allein Maximilian,
der zwar früher von dem stattlichen Häuflein der Nürnberger,
das ihm Wilibald Pirkheimer ganz gleich in Roth gekleidet zu-
geführt hatte, herzlich erfreut worden war, dachte hier anders
und antwortete lachend: "Ach was närrischer Bekümmerniß ist
das! Gönnet ihnen doch für ihr unselig und kümmerlich Leben,
dessen Endschaft sie stündlich gewärtig sein müssen, ein wenig
Freud und Ergötzlichkeit; sie müssen oftmals, wenn ihr dahinten
steht, davornen die Köpfe zerstoßen. Es ist der Speck auf der
Falle, darmit man solche Mäuse fängt. Seid ihr zufrieden und
lasset sie machen; wann diese Hoffart aufspringt, wagen sie ge-
meinlich all ihr Gut, und es währet nicht länger dann von der
Vesper bis die Hühner auffliegen." Spaniern und Franzosen
waren sie in solchem Aufzug ein Greuel; die feinen Leute konn-
ten der wilden maßlosen Weise keinen Geschmack abgewinnen.

1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
dazu war ſo ein Landsknechtshaufe das Staunen und der
Schrecken aller Leute, wohin er kam. Der Anblick war ſo fürch-
terlich, daß ſie bei Hans Sachs — es war aber ſchon in der ſpä-
teren Zeit ihrer Entartung — ſelbſt dem Teufel Grauſen erre-
gen. In dem Schwank: „der Teuffel leſt kein Landsknecht zur
Helle faren“ (1558) ſpricht Beelzebub zu Lucifer:

„Wilder Leut hab ich nie geſehn:
Ihr Kleider auf den wildſten Sitten
Zerflambt, zerhauen und zerſchnitten,
Eins Theils ihr Schenkel blecken theten,
Die andern groß weit Hoſen hetten,
Die ihnen bis auf die Füß rab hingen,
Wie die behoſten Tauber gingen;
Ihr Angeſicht ſchramet und knebelpartet,
Auf das allerwildeſt geartet:
In Summa wüſt aller Geſtalt,
Wie man vor Jahrn uns Teufel malt.“

Schon zu Lebzeiten Maximilians hatten ſie die tolle Will-
kür ihrer Kleidung ſo ins Maßloſe getrieben, daß die feinen Hof-
herren dem Kaiſer Vorſtellungen machten und ihm riethen, der-
gleichen Uebermaß öffentlich zu verbieten. Allein Maximilian,
der zwar früher von dem ſtattlichen Häuflein der Nürnberger,
das ihm Wilibald Pirkheimer ganz gleich in Roth gekleidet zu-
geführt hatte, herzlich erfreut worden war, dachte hier anders
und antwortete lachend: „Ach was närriſcher Bekümmerniß iſt
das! Gönnet ihnen doch für ihr unſelig und kümmerlich Leben,
deſſen Endſchaft ſie ſtündlich gewärtig ſein müſſen, ein wenig
Freud und Ergötzlichkeit; ſie müſſen oftmals, wenn ihr dahinten
ſteht, davornen die Köpfe zerſtoßen. Es iſt der Speck auf der
Falle, darmit man ſolche Mäuſe fängt. Seid ihr zufrieden und
laſſet ſie machen; wann dieſe Hoffart aufſpringt, wagen ſie ge-
meinlich all ihr Gut, und es währet nicht länger dann von der
Vesper bis die Hühner auffliegen.“ Spaniern und Franzoſen
waren ſie in ſolchem Aufzug ein Greuel; die feinen Leute konn-
ten der wilden maßloſen Weiſe keinen Geſchmack abgewinnen.

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[39/0051] 1. Die Reformation an Haupt und Gliedern. dazu war ſo ein Landsknechtshaufe das Staunen und der Schrecken aller Leute, wohin er kam. Der Anblick war ſo fürch- terlich, daß ſie bei Hans Sachs — es war aber ſchon in der ſpä- teren Zeit ihrer Entartung — ſelbſt dem Teufel Grauſen erre- gen. In dem Schwank: „der Teuffel leſt kein Landsknecht zur Helle faren“ (1558) ſpricht Beelzebub zu Lucifer: „Wilder Leut hab ich nie geſehn: Ihr Kleider auf den wildſten Sitten Zerflambt, zerhauen und zerſchnitten, Eins Theils ihr Schenkel blecken theten, Die andern groß weit Hoſen hetten, Die ihnen bis auf die Füß rab hingen, Wie die behoſten Tauber gingen; Ihr Angeſicht ſchramet und knebelpartet, Auf das allerwildeſt geartet: In Summa wüſt aller Geſtalt, Wie man vor Jahrn uns Teufel malt.“ Schon zu Lebzeiten Maximilians hatten ſie die tolle Will- kür ihrer Kleidung ſo ins Maßloſe getrieben, daß die feinen Hof- herren dem Kaiſer Vorſtellungen machten und ihm riethen, der- gleichen Uebermaß öffentlich zu verbieten. Allein Maximilian, der zwar früher von dem ſtattlichen Häuflein der Nürnberger, das ihm Wilibald Pirkheimer ganz gleich in Roth gekleidet zu- geführt hatte, herzlich erfreut worden war, dachte hier anders und antwortete lachend: „Ach was närriſcher Bekümmerniß iſt das! Gönnet ihnen doch für ihr unſelig und kümmerlich Leben, deſſen Endſchaft ſie ſtündlich gewärtig ſein müſſen, ein wenig Freud und Ergötzlichkeit; ſie müſſen oftmals, wenn ihr dahinten ſteht, davornen die Köpfe zerſtoßen. Es iſt der Speck auf der Falle, darmit man ſolche Mäuſe fängt. Seid ihr zufrieden und laſſet ſie machen; wann dieſe Hoffart aufſpringt, wagen ſie ge- meinlich all ihr Gut, und es währet nicht länger dann von der Vesper bis die Hühner auffliegen.“ Spaniern und Franzoſen waren ſie in ſolchem Aufzug ein Greuel; die feinen Leute konn- ten der wilden maßloſen Weiſe keinen Geſchmack abgewinnen.

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/51>, abgerufen am 27.04.2024.