Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.5. Die Periode des Zopfes und die Revolution. Halstuch und Frack bis auf "lange, weite Matrosenhosen vonNanking im Winter" nichts von der ganzen revolutionären Stutzerherrlichkeit abgeht. Die Wirkungen der französischen Moderevolution auf Aber die Mode selbst und der Uebergang der revolutionären 5. Die Periode des Zopfes und die Revolution. Halstuch und Frack bis auf „lange, weite Matroſenhoſen vonNanking im Winter“ nichts von der ganzen revolutionären Stutzerherrlichkeit abgeht. Die Wirkungen der franzöſiſchen Moderevolution auf Aber die Mode ſelbſt und der Uebergang der revolutionären <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0329" n="317"/><fw place="top" type="header">5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.</fw><lb/> Halstuch und Frack bis auf „lange, weite Matroſenhoſen von<lb/> Nanking im Winter“ nichts von der ganzen revolutionären<lb/> Stutzerherrlichkeit abgeht.</p><lb/> <p>Die Wirkungen der franzöſiſchen Moderevolution auf<lb/> Deutſchland machen ſich zuerſt in ächt deutſcher Weiſe bemerk-<lb/> lich: man beginnt mit dem Raiſonnement. Man zieht die Zweck-<lb/> mäßigkeit der bisherigen Tracht, ſowie nicht minder ihre Un-<lb/> ſchönheit und Unnatürlichkeit in Zweifel und unterzieht ſie einer<lb/> öffentlichen Discuſſion. Man kann freilich an dem, was von<lb/> jenſeits des Rheins als Neues geboten wird, auch nicht viel<lb/> Vorzüge entdecken. In dieſem Dilemma macht man verſchiedene<lb/> Vorſchläge zu völlig neuen, willkürlich erſonnenen Coſtümen, als<lb/> ob es nicht in der Geſchichte und in der Natur der Sache liege,<lb/> das Vorhandene fort- und umzubilden, ſondern als ob der Ge-<lb/> genſtand eine <hi rendition="#aq">tabula rasa</hi> ſei und der Menſch eine nackte Sta-<lb/> tue, die man zu drapiren habe. Eine Frage, die unter ſolchen<lb/> Umſtänden angeregt wurde, grade in der Zeit, als Deutſchland<lb/> wenige Jahre vor ſeiner tiefſten Erniedrigung ſtand, war die<lb/> Einführung einer <hi rendition="#g">Nationaltracht</hi>. Ein Patriot machte den<lb/> Vorſchlag, es auf dem Wege der Subſcription und der Vereinigung<lb/> durchzuführen: patriotiſch geſinnte Männer ſollten an allen grö-<lb/> ßeren und kleineren Orten Deutſchlands auftreten, Vereine<lb/> bilden und Unterſchriften ſammeln, die Anzahl derſelben dem<lb/> unbekannten Erfinder der Idee mittheilen, und wenn ſie in hin-<lb/> länglicher Weiſe vorhanden, ſollten nach einem währenddeß ver-<lb/> breiteten Modell an einem und demſelben Tage durch ganz<lb/> Deutſchland die Freunde und Freundinnen des Nationalcoſtüms<lb/> in der neuen Tracht öffentlich erſcheinen. Der Plan wurde im<lb/> Journal des Luxus und der Moden von einer Dame mit ſieg-<lb/> reichen Gründen bekämpft, und ſeitdem hörte man nichts mehr<lb/> davon.</p><lb/> <p>Aber die Mode ſelbſt und der Uebergang der revolutionären<lb/> Tracht nach Deutſchland kümmerte ſich wenig darum und ging<lb/> mit ſichrem Schritt dem Siege entgegen, freilich nicht ohne daß<lb/> von oben her mannigfache Oppoſition gemacht wurde. Der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [317/0329]
5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
Halstuch und Frack bis auf „lange, weite Matroſenhoſen von
Nanking im Winter“ nichts von der ganzen revolutionären
Stutzerherrlichkeit abgeht.
Die Wirkungen der franzöſiſchen Moderevolution auf
Deutſchland machen ſich zuerſt in ächt deutſcher Weiſe bemerk-
lich: man beginnt mit dem Raiſonnement. Man zieht die Zweck-
mäßigkeit der bisherigen Tracht, ſowie nicht minder ihre Un-
ſchönheit und Unnatürlichkeit in Zweifel und unterzieht ſie einer
öffentlichen Discuſſion. Man kann freilich an dem, was von
jenſeits des Rheins als Neues geboten wird, auch nicht viel
Vorzüge entdecken. In dieſem Dilemma macht man verſchiedene
Vorſchläge zu völlig neuen, willkürlich erſonnenen Coſtümen, als
ob es nicht in der Geſchichte und in der Natur der Sache liege,
das Vorhandene fort- und umzubilden, ſondern als ob der Ge-
genſtand eine tabula rasa ſei und der Menſch eine nackte Sta-
tue, die man zu drapiren habe. Eine Frage, die unter ſolchen
Umſtänden angeregt wurde, grade in der Zeit, als Deutſchland
wenige Jahre vor ſeiner tiefſten Erniedrigung ſtand, war die
Einführung einer Nationaltracht. Ein Patriot machte den
Vorſchlag, es auf dem Wege der Subſcription und der Vereinigung
durchzuführen: patriotiſch geſinnte Männer ſollten an allen grö-
ßeren und kleineren Orten Deutſchlands auftreten, Vereine
bilden und Unterſchriften ſammeln, die Anzahl derſelben dem
unbekannten Erfinder der Idee mittheilen, und wenn ſie in hin-
länglicher Weiſe vorhanden, ſollten nach einem währenddeß ver-
breiteten Modell an einem und demſelben Tage durch ganz
Deutſchland die Freunde und Freundinnen des Nationalcoſtüms
in der neuen Tracht öffentlich erſcheinen. Der Plan wurde im
Journal des Luxus und der Moden von einer Dame mit ſieg-
reichen Gründen bekämpft, und ſeitdem hörte man nichts mehr
davon.
Aber die Mode ſelbſt und der Uebergang der revolutionären
Tracht nach Deutſchland kümmerte ſich wenig darum und ging
mit ſichrem Schritt dem Siege entgegen, freilich nicht ohne daß
von oben her mannigfache Oppoſition gemacht wurde. Der
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