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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
kreuzte sich über der Brust ungefähr so, doch breiter, wie wir es
heute noch hier und da in der Volkstracht wiederfinden. Auch
seinen Ursprung dürfen wir in England suchen, aber die Eng-
länderinnen, denen sonst die maßvolle Eleganz nachgerühmt
wird, mißbrauchten es in arger Weise. So schreibt man schon
vom 14. December 1785 aus London: "Ich muß noch einer
Sonderbarkeit gedenken, die heuer hier im Schwunge ging. Es
wurde nämlich unter unsern Damen Mode, sich den Busen durch
das Halstuch außerordentlich hoch aufzubauen und dick zu machen.
Man trug zu dem Ende in den Halstüchern Bügel und Car-
cassen von Draht, die solch einen sonderbaren Florberg unter
dem Kinn einer Dame empor schwellten, daß sie nicht darüber
wegsehen konnte. Zum Glück aber sind diese unnatürlichen Ge-
schwulste zu ihrer natürlichen schönen Form und Niveau wieder
herabgesunken." Das letzte dürfte in diesem Maße zu bezweifeln
sein, denn nicht nur werden in den nächsten Jahren zum öftern
Anspielungen auf die Busengestelle von Draht gemacht, wir
sehen es auch den Bildern an, daß sie noch in Gebrauch sind.
Die Mode kam auch mit den Fichus nach Frankreich und Deutsch-
land, und in jenem Lande mögen wir sie an den Pariserinnen
der ersten Revolutionsjahre deutlich erkennen, bis sie vor dem
griechischen Costüm verschwanden. Aber in anderer Gestalt be-
gegnen wir den falschen Busen im Jahr 1798 wieder zuerst in
England. "Die Damen haben", so wird dem Journal des Luxus
geschrieben, "die Sitte, durch wächserne Anlagen ihren Armen
Füllung und Rundung zu geben, auf etwas noch Substantielleres
angewandt, und sich statt der Busen, wenn die Natur die ihnen
versagte, künstliche Stellvertreter von Wachs zugelegt, die so
künstlich angepaßt und eingerichtet sind, daß Argus selbst mit
allen seinen hundert Augen den kleinen, unschuldigen Betrug
nicht gemerkt haben würde, wenn nicht ein unbescheidener Plau-
derer, der die neue Erfindung bei den Busenfabrikanten ausge-
kundschaftet hatte, durch eine öffentliche Bekanntmachung zum
Verräther geworden wäre." Farbe und Geäder waren so kunst-
voll nachgemacht, daß auch die natürlichen und ächten in den

Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 20

5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
kreuzte ſich über der Bruſt ungefähr ſo, doch breiter, wie wir es
heute noch hier und da in der Volkstracht wiederfinden. Auch
ſeinen Urſprung dürfen wir in England ſuchen, aber die Eng-
länderinnen, denen ſonſt die maßvolle Eleganz nachgerühmt
wird, mißbrauchten es in arger Weiſe. So ſchreibt man ſchon
vom 14. December 1785 aus London: „Ich muß noch einer
Sonderbarkeit gedenken, die heuer hier im Schwunge ging. Es
wurde nämlich unter unſern Damen Mode, ſich den Buſen durch
das Halstuch außerordentlich hoch aufzubauen und dick zu machen.
Man trug zu dem Ende in den Halstüchern Bügel und Car-
caſſen von Draht, die ſolch einen ſonderbaren Florberg unter
dem Kinn einer Dame empor ſchwellten, daß ſie nicht darüber
wegſehen konnte. Zum Glück aber ſind dieſe unnatürlichen Ge-
ſchwulſte zu ihrer natürlichen ſchönen Form und Niveau wieder
herabgeſunken.“ Das letzte dürfte in dieſem Maße zu bezweifeln
ſein, denn nicht nur werden in den nächſten Jahren zum öftern
Anſpielungen auf die Buſengeſtelle von Draht gemacht, wir
ſehen es auch den Bildern an, daß ſie noch in Gebrauch ſind.
Die Mode kam auch mit den Fichus nach Frankreich und Deutſch-
land, und in jenem Lande mögen wir ſie an den Pariſerinnen
der erſten Revolutionsjahre deutlich erkennen, bis ſie vor dem
griechiſchen Coſtüm verſchwanden. Aber in anderer Geſtalt be-
gegnen wir den falſchen Buſen im Jahr 1798 wieder zuerſt in
England. „Die Damen haben“, ſo wird dem Journal des Luxus
geſchrieben, „die Sitte, durch wächſerne Anlagen ihren Armen
Füllung und Rundung zu geben, auf etwas noch Subſtantielleres
angewandt, und ſich ſtatt der Buſen, wenn die Natur die ihnen
verſagte, künſtliche Stellvertreter von Wachs zugelegt, die ſo
künſtlich angepaßt und eingerichtet ſind, daß Argus ſelbſt mit
allen ſeinen hundert Augen den kleinen, unſchuldigen Betrug
nicht gemerkt haben würde, wenn nicht ein unbeſcheidener Plau-
derer, der die neue Erfindung bei den Buſenfabrikanten ausge-
kundſchaftet hatte, durch eine öffentliche Bekanntmachung zum
Verräther geworden wäre.“ Farbe und Geäder waren ſo kunſt-
voll nachgemacht, daß auch die natürlichen und ächten in den

Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 20
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[305/0317] 5. Die Periode des Zopfes und die Revolution. kreuzte ſich über der Bruſt ungefähr ſo, doch breiter, wie wir es heute noch hier und da in der Volkstracht wiederfinden. Auch ſeinen Urſprung dürfen wir in England ſuchen, aber die Eng- länderinnen, denen ſonſt die maßvolle Eleganz nachgerühmt wird, mißbrauchten es in arger Weiſe. So ſchreibt man ſchon vom 14. December 1785 aus London: „Ich muß noch einer Sonderbarkeit gedenken, die heuer hier im Schwunge ging. Es wurde nämlich unter unſern Damen Mode, ſich den Buſen durch das Halstuch außerordentlich hoch aufzubauen und dick zu machen. Man trug zu dem Ende in den Halstüchern Bügel und Car- caſſen von Draht, die ſolch einen ſonderbaren Florberg unter dem Kinn einer Dame empor ſchwellten, daß ſie nicht darüber wegſehen konnte. Zum Glück aber ſind dieſe unnatürlichen Ge- ſchwulſte zu ihrer natürlichen ſchönen Form und Niveau wieder herabgeſunken.“ Das letzte dürfte in dieſem Maße zu bezweifeln ſein, denn nicht nur werden in den nächſten Jahren zum öftern Anſpielungen auf die Buſengeſtelle von Draht gemacht, wir ſehen es auch den Bildern an, daß ſie noch in Gebrauch ſind. Die Mode kam auch mit den Fichus nach Frankreich und Deutſch- land, und in jenem Lande mögen wir ſie an den Pariſerinnen der erſten Revolutionsjahre deutlich erkennen, bis ſie vor dem griechiſchen Coſtüm verſchwanden. Aber in anderer Geſtalt be- gegnen wir den falſchen Buſen im Jahr 1798 wieder zuerſt in England. „Die Damen haben“, ſo wird dem Journal des Luxus geſchrieben, „die Sitte, durch wächſerne Anlagen ihren Armen Füllung und Rundung zu geben, auf etwas noch Subſtantielleres angewandt, und ſich ſtatt der Buſen, wenn die Natur die ihnen verſagte, künſtliche Stellvertreter von Wachs zugelegt, die ſo künſtlich angepaßt und eingerichtet ſind, daß Argus ſelbſt mit allen ſeinen hundert Augen den kleinen, unſchuldigen Betrug nicht gemerkt haben würde, wenn nicht ein unbeſcheidener Plau- derer, der die neue Erfindung bei den Buſenfabrikanten ausge- kundſchaftet hatte, durch eine öffentliche Bekanntmachung zum Verräther geworden wäre.“ Farbe und Geäder waren ſo kunſt- voll nachgemacht, daß auch die natürlichen und ächten in den Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 20

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/317>, abgerufen am 24.11.2024.