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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
höchsten Kreise, die sie abgelegt haben, und das Jahr 1720 er-
blickt sie schwerlich noch in diesen Regionen. Hier wurde sie rasch
und völlig bei Seite geworfen, während sie in der untern bürger-
lichen Welt langsam wieder zur Haube herabstieg. Es dürfte
nicht schwer halten, hier und da auf den Köpfen der Bäuerinnen
noch heutiges Tages ihre Spuren zu entdecken.

Im Anfange dieser Periode war noch das schwarze Haar
auch in der Damenwelt das am meisten geschätzte. Der Blei-
kamm wurde daher fleißig benutzt und diente dann auch zugleich
das Alter zu verbergen. Darauf bezieht sich das folgende
Epigramm:

"Ein Bleikamm schwärzt die Haare,
Doch jüngt er nicht die Jahre:
Das Alter kann er lügen,
Hilft aber nicht zum wiegen."

Da war es denn freilich den Damen, die in ewiger Jugend er-
scheinen wollten, höchst willkommen, als mit der Vorliebe für
Braun und Blond auch der Puder in größere Aufnahme kam
und Jugend und Alter, ein schönes und ein häßliches Haar, alles
vollkommen gleich machte. Aber es war nicht der Ausdruck der
Jugend, den der Puder brachte, sondern der des Greisenalters,
als ob er sagen wollte, es sei eine abgelebte Zeit, die man be-
trete. Man fühlte das freilich selber nicht und war auf's herr-
lichste mit sich und dem Puder zufrieden, wie die folgende Aeuße-
rung zeigt: "Insonderheit aber, wann man die Haarlocken mit
wohlriechenden Pulvern überstreuet, so macht des Pulvers Weiße
der Haare Schwärze so anmuthig schön, daß eine Jungfrau in
gepuderten Haaren mehr einem Engel als Menschen ist zu
gleichen."

Es war mit eine Folge des Puders, des Schnees auf dem
Haupte, daß eine Dame, wenn sie dennoch ein jugendliches An-
sehen sich bewahren wollte -- und welche hätte nicht die Absicht
gehabt! -- daß sie die Farben der Jugend, Weiß und Roth, in
ihrem Gegensatze verstärken mußte. So sehen wir schon in

III. Die Neuzeit.
höchſten Kreiſe, die ſie abgelegt haben, und das Jahr 1720 er-
blickt ſie ſchwerlich noch in dieſen Regionen. Hier wurde ſie raſch
und völlig bei Seite geworfen, während ſie in der untern bürger-
lichen Welt langſam wieder zur Haube herabſtieg. Es dürfte
nicht ſchwer halten, hier und da auf den Köpfen der Bäuerinnen
noch heutiges Tages ihre Spuren zu entdecken.

Im Anfange dieſer Periode war noch das ſchwarze Haar
auch in der Damenwelt das am meiſten geſchätzte. Der Blei-
kamm wurde daher fleißig benutzt und diente dann auch zugleich
das Alter zu verbergen. Darauf bezieht ſich das folgende
Epigramm:

„Ein Bleikamm ſchwärzt die Haare,
Doch jüngt er nicht die Jahre:
Das Alter kann er lügen,
Hilft aber nicht zum wiegen.“

Da war es denn freilich den Damen, die in ewiger Jugend er-
ſcheinen wollten, höchſt willkommen, als mit der Vorliebe für
Braun und Blond auch der Puder in größere Aufnahme kam
und Jugend und Alter, ein ſchönes und ein häßliches Haar, alles
vollkommen gleich machte. Aber es war nicht der Ausdruck der
Jugend, den der Puder brachte, ſondern der des Greiſenalters,
als ob er ſagen wollte, es ſei eine abgelebte Zeit, die man be-
trete. Man fühlte das freilich ſelber nicht und war auf’s herr-
lichſte mit ſich und dem Puder zufrieden, wie die folgende Aeuße-
rung zeigt: „Inſonderheit aber, wann man die Haarlocken mit
wohlriechenden Pulvern überſtreuet, ſo macht des Pulvers Weiße
der Haare Schwärze ſo anmuthig ſchön, daß eine Jungfrau in
gepuderten Haaren mehr einem Engel als Menſchen iſt zu
gleichen.“

Es war mit eine Folge des Puders, des Schnees auf dem
Haupte, daß eine Dame, wenn ſie dennoch ein jugendliches An-
ſehen ſich bewahren wollte — und welche hätte nicht die Abſicht
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[246/0258] III. Die Neuzeit. höchſten Kreiſe, die ſie abgelegt haben, und das Jahr 1720 er- blickt ſie ſchwerlich noch in dieſen Regionen. Hier wurde ſie raſch und völlig bei Seite geworfen, während ſie in der untern bürger- lichen Welt langſam wieder zur Haube herabſtieg. Es dürfte nicht ſchwer halten, hier und da auf den Köpfen der Bäuerinnen noch heutiges Tages ihre Spuren zu entdecken. Im Anfange dieſer Periode war noch das ſchwarze Haar auch in der Damenwelt das am meiſten geſchätzte. Der Blei- kamm wurde daher fleißig benutzt und diente dann auch zugleich das Alter zu verbergen. Darauf bezieht ſich das folgende Epigramm: „Ein Bleikamm ſchwärzt die Haare, Doch jüngt er nicht die Jahre: Das Alter kann er lügen, Hilft aber nicht zum wiegen.“ Da war es denn freilich den Damen, die in ewiger Jugend er- ſcheinen wollten, höchſt willkommen, als mit der Vorliebe für Braun und Blond auch der Puder in größere Aufnahme kam und Jugend und Alter, ein ſchönes und ein häßliches Haar, alles vollkommen gleich machte. Aber es war nicht der Ausdruck der Jugend, den der Puder brachte, ſondern der des Greiſenalters, als ob er ſagen wollte, es ſei eine abgelebte Zeit, die man be- trete. Man fühlte das freilich ſelber nicht und war auf’s herr- lichſte mit ſich und dem Puder zufrieden, wie die folgende Aeuße- rung zeigt: „Inſonderheit aber, wann man die Haarlocken mit wohlriechenden Pulvern überſtreuet, ſo macht des Pulvers Weiße der Haare Schwärze ſo anmuthig ſchön, daß eine Jungfrau in gepuderten Haaren mehr einem Engel als Menſchen iſt zu gleichen.“ Es war mit eine Folge des Puders, des Schnees auf dem Haupte, daß eine Dame, wenn ſie dennoch ein jugendliches An- ſehen ſich bewahren wollte — und welche hätte nicht die Abſicht gehabt! — daß ſie die Farben der Jugend, Weiß und Roth, in ihrem Gegenſatze verſtärken mußte. So ſehen wir ſchon in

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/258>, abgerufen am 24.11.2024.