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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
franzen gefaßt und dieser Goldbesatz in Blumen und Arabesken
über das ganze Stück verbreitet. Vorn an den Schößen erhielt
er Taschen, die er vielleicht schon von unten her mitgebracht
hatte, mit Klappen bedeckt, deren Zierde wieder Knöpfe und
Borten waren. Die Aermel schlossen ziemlich eng an, aber sie
reichten kaum über den Ellbogen herab und waren hier in brei-
ten verzierten "Palten" umgeschlagen, aus denen bis zum Hand-
gelenk die weißen, feinen, weitfaltigen Hemdärmel mit schlaffen
Manschetten hervortraten. So entstand das Staatskleid Lud-
wigs XIV., vollendet seit dem Anfang der siebziger Jahre, ein
Prunkstück, wenn eines, und doch bemitleidenswerth armselig
im Vergleich zu der alten, breiten und stolzen Pelzschaube der Re-
formationsperiode.

Dagegen trat das Wamms an Bedeutung zurück, wenn
es sich auch streckte und dehnte, es dem Oberrock gleich zu thun.
Es war immer unter demselben verborgen, es sei denn, daß man
Bequemlichkeit halber den Oberrock abgelegt hätte. Der oben
erwähnte Schurz verschwand wieder, die Schöße verbanden sich
auf's neue mit dem Wamms und reichten fast zum Knie herab.
Aermel und Taille mußten natürlich ebenfalls anschließen. In
dieser Weise hielten sich beide, Rock und Wamms, mit der ge-
sammten Staatstracht Ludwigs XIV. fast unverändert ein halbes
Jahrhundert von 1670 bis gegen 1720.

Gleichzeitig mit der Vollendung des Justaucorps kam die
eng anschließende Kniehose, von Seide oder Sammt, zur all-
gemeinen Herrschaft; sie gehörte nothwendig zu diesem ganzen
Costüm. Eben so nothwendig aber waren nunmehr wieder
Strümpfe und Schuhe. Die kriegerischen Stiefeln mit
ihrem freien, schlappen Wesen und den hängenden Stulpen konn-
ten trotz ihres Spitzenschmucks sich unmöglich in den galanten
französischen Hofton finden. Sie verschwinden mit unglaublicher
Schnelligkeit wieder aus der modischen Welt, obwohl noch beim
Friedenscongreß selbst die gelehrten Abgesandten sie getragen
hatten. Bald sehen wir sie in Deutschland nur noch an Reitern,
Dragonern, Studenten und ähnlichen Renommisten, und auch

III. Die Neuzeit.
franzen gefaßt und dieſer Goldbeſatz in Blumen und Arabesken
über das ganze Stück verbreitet. Vorn an den Schößen erhielt
er Taſchen, die er vielleicht ſchon von unten her mitgebracht
hatte, mit Klappen bedeckt, deren Zierde wieder Knöpfe und
Borten waren. Die Aermel ſchloſſen ziemlich eng an, aber ſie
reichten kaum über den Ellbogen herab und waren hier in brei-
ten verzierten „Palten“ umgeſchlagen, aus denen bis zum Hand-
gelenk die weißen, feinen, weitfaltigen Hemdärmel mit ſchlaffen
Manſchetten hervortraten. So entſtand das Staatskleid Lud-
wigs XIV., vollendet ſeit dem Anfang der ſiebziger Jahre, ein
Prunkſtück, wenn eines, und doch bemitleidenswerth armſelig
im Vergleich zu der alten, breiten und ſtolzen Pelzſchaube der Re-
formationsperiode.

Dagegen trat das Wamms an Bedeutung zurück, wenn
es ſich auch ſtreckte und dehnte, es dem Oberrock gleich zu thun.
Es war immer unter demſelben verborgen, es ſei denn, daß man
Bequemlichkeit halber den Oberrock abgelegt hätte. Der oben
erwähnte Schurz verſchwand wieder, die Schöße verbanden ſich
auf’s neue mit dem Wamms und reichten faſt zum Knie herab.
Aermel und Taille mußten natürlich ebenfalls anſchließen. In
dieſer Weiſe hielten ſich beide, Rock und Wamms, mit der ge-
ſammten Staatstracht Ludwigs XIV. faſt unverändert ein halbes
Jahrhundert von 1670 bis gegen 1720.

Gleichzeitig mit der Vollendung des Juſtaucorps kam die
eng anſchließende Kniehoſe, von Seide oder Sammt, zur all-
gemeinen Herrſchaft; ſie gehörte nothwendig zu dieſem ganzen
Coſtüm. Eben ſo nothwendig aber waren nunmehr wieder
Strümpfe und Schuhe. Die kriegeriſchen Stiefeln mit
ihrem freien, ſchlappen Weſen und den hängenden Stulpen konn-
ten trotz ihres Spitzenſchmucks ſich unmöglich in den galanten
franzöſiſchen Hofton finden. Sie verſchwinden mit unglaublicher
Schnelligkeit wieder aus der modiſchen Welt, obwohl noch beim
Friedenscongreß ſelbſt die gelehrten Abgeſandten ſie getragen
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[242/0254] III. Die Neuzeit. franzen gefaßt und dieſer Goldbeſatz in Blumen und Arabesken über das ganze Stück verbreitet. Vorn an den Schößen erhielt er Taſchen, die er vielleicht ſchon von unten her mitgebracht hatte, mit Klappen bedeckt, deren Zierde wieder Knöpfe und Borten waren. Die Aermel ſchloſſen ziemlich eng an, aber ſie reichten kaum über den Ellbogen herab und waren hier in brei- ten verzierten „Palten“ umgeſchlagen, aus denen bis zum Hand- gelenk die weißen, feinen, weitfaltigen Hemdärmel mit ſchlaffen Manſchetten hervortraten. So entſtand das Staatskleid Lud- wigs XIV., vollendet ſeit dem Anfang der ſiebziger Jahre, ein Prunkſtück, wenn eines, und doch bemitleidenswerth armſelig im Vergleich zu der alten, breiten und ſtolzen Pelzſchaube der Re- formationsperiode. Dagegen trat das Wamms an Bedeutung zurück, wenn es ſich auch ſtreckte und dehnte, es dem Oberrock gleich zu thun. Es war immer unter demſelben verborgen, es ſei denn, daß man Bequemlichkeit halber den Oberrock abgelegt hätte. Der oben erwähnte Schurz verſchwand wieder, die Schöße verbanden ſich auf’s neue mit dem Wamms und reichten faſt zum Knie herab. Aermel und Taille mußten natürlich ebenfalls anſchließen. In dieſer Weiſe hielten ſich beide, Rock und Wamms, mit der ge- ſammten Staatstracht Ludwigs XIV. faſt unverändert ein halbes Jahrhundert von 1670 bis gegen 1720. Gleichzeitig mit der Vollendung des Juſtaucorps kam die eng anſchließende Kniehoſe, von Seide oder Sammt, zur all- gemeinen Herrſchaft; ſie gehörte nothwendig zu dieſem ganzen Coſtüm. Eben ſo nothwendig aber waren nunmehr wieder Strümpfe und Schuhe. Die kriegeriſchen Stiefeln mit ihrem freien, ſchlappen Weſen und den hängenden Stulpen konn- ten trotz ihres Spitzenſchmucks ſich unmöglich in den galanten franzöſiſchen Hofton finden. Sie verſchwinden mit unglaublicher Schnelligkeit wieder aus der modiſchen Welt, obwohl noch beim Friedenscongreß ſelbſt die gelehrten Abgeſandten ſie getragen hatten. Bald ſehen wir ſie in Deutſchland nur noch an Reitern, Dragonern, Studenten und ähnlichen Renommiſten, und auch

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/254>, abgerufen am 24.11.2024.