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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
Gesichter mit Schönpflästerchen von der grotesken Fontange
überwallt, den Fächer zierlichst in der Hand schwenkend und die
andern mit den Fingerspitzen auf den Arm des Begleiters legend,
und Mohrenknaben, die ihnen die Schleppe tragen. Wenn dann
das Mondenlicht in einer prächtigen Sommernacht auf die groß-
artigen Räume fällt: da ragen die dunkeln Gebäude in ihren
großen Verhältnissen so mächtig in den lichten Himmel empor
und werfen breite tiefe Schatten über die erleuchteten Flächen;
die krausen Ornamente verschwimmen im dämmernden Lüstre und
verwirren wie unklare, duftige Spukgestalten die Sinne; ge-
spensterhaft leuchten die weißen Figuren aus den tiefen Schatten
der dunklen Baumwände hervor; die weiten, stillen Bassins und
die springenden Wasser glänzen und blitzen im Licht, die Fon-
tainen und Cascaden rauschen in der schweigenden Nacht -- das
Ganze ist ein völlig harmonisches Bild voll Zauber, Stimmung
und Charakter.

Wir können hier die Doppelseite dieser Periode nicht weiter
verfolgen. Sie ist übrigens unschwer erkennbar in wachsender
Virtuosität, in der Bravour des Vortrags wie in den Lichteffec-
ten Rembrandts, in der Abschwächung der Kunst von der Historie
des Rubens durch die Allegorie und das Genre zur Landschaft,
zum Stillleben und zur Blumenmalerei; sie ist erkennbar in dem
Lohensteinischen Schwulst, in der Glätte und Sinnlichkeit der
Lyrik, in dem Wust der breiten Romane; es ist selbst bezeichnend,
daß die duftlose stolze Tulpe mit der Pracht ihrer satten, vollen
Farben und mit ihrer steifen Haltung in beispielloser Weise die
Lieblingsblume dieses Geschlechts wurde.

Daß die gesammten Aeußerungen des geistigen und socia-
len Lebens in so durchgängiger Weise sich gewissermaßen unifor-
mirten, davon ist zum größten Theil die Ursache die immer aus-
gedehntere und bald fast unbedingte Herrschaft Frankreichs in
allen Zweigen der Cultur. Der autokratische Wille Ludwigs XIV.,
der in der Durchführung keine Rücksicht kannte, verstand es,
Frankreich in kürzester Frist in eine gemeinsame Form zu gießen.
Dies sowohl wie nicht weniger der Glanz seines Hofes, der

III. Die Neuzeit.
Geſichter mit Schönpfläſterchen von der grotesken Fontange
überwallt, den Fächer zierlichſt in der Hand ſchwenkend und die
andern mit den Fingerſpitzen auf den Arm des Begleiters legend,
und Mohrenknaben, die ihnen die Schleppe tragen. Wenn dann
das Mondenlicht in einer prächtigen Sommernacht auf die groß-
artigen Räume fällt: da ragen die dunkeln Gebäude in ihren
großen Verhältniſſen ſo mächtig in den lichten Himmel empor
und werfen breite tiefe Schatten über die erleuchteten Flächen;
die krauſen Ornamente verſchwimmen im dämmernden Lüſtre und
verwirren wie unklare, duftige Spukgeſtalten die Sinne; ge-
ſpenſterhaft leuchten die weißen Figuren aus den tiefen Schatten
der dunklen Baumwände hervor; die weiten, ſtillen Baſſins und
die ſpringenden Waſſer glänzen und blitzen im Licht, die Fon-
tainen und Cascaden rauſchen in der ſchweigenden Nacht — das
Ganze iſt ein völlig harmoniſches Bild voll Zauber, Stimmung
und Charakter.

Wir können hier die Doppelſeite dieſer Periode nicht weiter
verfolgen. Sie iſt übrigens unſchwer erkennbar in wachſender
Virtuoſität, in der Bravour des Vortrags wie in den Lichteffec-
ten Rembrandts, in der Abſchwächung der Kunſt von der Hiſtorie
des Rubens durch die Allegorie und das Genre zur Landſchaft,
zum Stillleben und zur Blumenmalerei; ſie iſt erkennbar in dem
Lohenſteiniſchen Schwulſt, in der Glätte und Sinnlichkeit der
Lyrik, in dem Wuſt der breiten Romane; es iſt ſelbſt bezeichnend,
daß die duftloſe ſtolze Tulpe mit der Pracht ihrer ſatten, vollen
Farben und mit ihrer ſteifen Haltung in beiſpielloſer Weiſe die
Lieblingsblume dieſes Geſchlechts wurde.

Daß die geſammten Aeußerungen des geiſtigen und ſocia-
len Lebens in ſo durchgängiger Weiſe ſich gewiſſermaßen unifor-
mirten, davon iſt zum größten Theil die Urſache die immer aus-
gedehntere und bald faſt unbedingte Herrſchaft Frankreichs in
allen Zweigen der Cultur. Der autokratiſche Wille Ludwigs XIV.,
der in der Durchführung keine Rückſicht kannte, verſtand es,
Frankreich in kürzeſter Friſt in eine gemeinſame Form zu gießen.
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[222/0234] III. Die Neuzeit. Geſichter mit Schönpfläſterchen von der grotesken Fontange überwallt, den Fächer zierlichſt in der Hand ſchwenkend und die andern mit den Fingerſpitzen auf den Arm des Begleiters legend, und Mohrenknaben, die ihnen die Schleppe tragen. Wenn dann das Mondenlicht in einer prächtigen Sommernacht auf die groß- artigen Räume fällt: da ragen die dunkeln Gebäude in ihren großen Verhältniſſen ſo mächtig in den lichten Himmel empor und werfen breite tiefe Schatten über die erleuchteten Flächen; die krauſen Ornamente verſchwimmen im dämmernden Lüſtre und verwirren wie unklare, duftige Spukgeſtalten die Sinne; ge- ſpenſterhaft leuchten die weißen Figuren aus den tiefen Schatten der dunklen Baumwände hervor; die weiten, ſtillen Baſſins und die ſpringenden Waſſer glänzen und blitzen im Licht, die Fon- tainen und Cascaden rauſchen in der ſchweigenden Nacht — das Ganze iſt ein völlig harmoniſches Bild voll Zauber, Stimmung und Charakter. Wir können hier die Doppelſeite dieſer Periode nicht weiter verfolgen. Sie iſt übrigens unſchwer erkennbar in wachſender Virtuoſität, in der Bravour des Vortrags wie in den Lichteffec- ten Rembrandts, in der Abſchwächung der Kunſt von der Hiſtorie des Rubens durch die Allegorie und das Genre zur Landſchaft, zum Stillleben und zur Blumenmalerei; ſie iſt erkennbar in dem Lohenſteiniſchen Schwulſt, in der Glätte und Sinnlichkeit der Lyrik, in dem Wuſt der breiten Romane; es iſt ſelbſt bezeichnend, daß die duftloſe ſtolze Tulpe mit der Pracht ihrer ſatten, vollen Farben und mit ihrer ſteifen Haltung in beiſpielloſer Weiſe die Lieblingsblume dieſes Geſchlechts wurde. Daß die geſammten Aeußerungen des geiſtigen und ſocia- len Lebens in ſo durchgängiger Weiſe ſich gewiſſermaßen unifor- mirten, davon iſt zum größten Theil die Urſache die immer aus- gedehntere und bald faſt unbedingte Herrſchaft Frankreichs in allen Zweigen der Cultur. Der autokratiſche Wille Ludwigs XIV., der in der Durchführung keine Rückſicht kannte, verſtand es, Frankreich in kürzeſter Friſt in eine gemeinſame Form zu gießen. Dies ſowohl wie nicht weniger der Glanz ſeines Hofes, der

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/234>, abgerufen am 24.11.2024.