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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
ist es eigentlich nur die lichtbraune Pelzverbrämung, welche eini-
ges Leben in die düstere Farbenstimmung bringt. Schwarz und
Weiß sind die Farben, welche diese Zeit auf ihrer Höhe charak-
terisiren, die Farben der Trauer und der Buße, welche, ursprüng-
lich von der Geistlichkeit für die Kirche und den Tisch des Herrn
in Anspruch genommen, jetzt auch die der Festfreude und der
Amtstracht werden. Der Rath der Stadt Braunschweig schrieb
sie auf das Betreiben der Geistlichkeit auch den Frauen beim
Besuch des Abendmahls vor, wo sie denn allgemein bis auf den
heutigen Tag in Gebrauch geblieben sind. Vorzüglich war es
wohl die reformirte Kirche, welche zur Verbreitung der schwarzen
Tracht in der Weltlichkeit das meiste beitrug, doch muß man hin-
zufügen, daß sie auch von dem spanischen Katholicismus und mit
persönlicher Vorliebe von Philipp II. begünstigt wurde. Da-
durch wurzelte sie namentlich in den Niederlanden durch alle
Stände so tief ein, daß nicht einmal die nun folgende Periode
des Naturalismus, welche doch vor allem die dortige Kunst um-
schuf, sie verdrängen konnte. In Folge dessen sehen wir sie auch
den Bildern des Rubens und seiner Schule, namentlich den Por-
traits, den Charakter der ruhigen, ernsten, selbstbewußten Würde
aufdrücken; bei der Einfachheit der Farben, wodurch sich die Nie-
derländer auszeichnen, ist sie hier von entschieden malerischer
Wirkung. -- In Frankreich und Italien lagen die Gründe zu
dieser Geschmacksänderung weniger vor, und daher behielt man
hier in höherem Grade helle und lebhafte Farben bei. Doch
dürfte es wohl als ein Zeichen für die Allgemeinheit der ernste-
ren Richtung zu betrachten sein, daß der König Heinrich III. von
Frankreich zuerst bei der Trauer sich nicht mehr der rothen Klei-
dung bediente wie seine Vorfahren, sondern der schwarzen. Auch
an den deutschen Höfen und beim höheren Adel folgte man bei
allen festlichen Gelegenheiten mehr der fremden fröhlicheren
Weise.

Trotz dieser äußeren Ehrbarkeit war man jedoch keineswegs
gewillt, dem Luxus zu entsagen: was dem äußeren bunten
Scheine abging, ersetzte man durch die Kostbarkeit des Stoffes

III. Die Neuzeit.
iſt es eigentlich nur die lichtbraune Pelzverbrämung, welche eini-
ges Leben in die düſtere Farbenſtimmung bringt. Schwarz und
Weiß ſind die Farben, welche dieſe Zeit auf ihrer Höhe charak-
teriſiren, die Farben der Trauer und der Buße, welche, urſprüng-
lich von der Geiſtlichkeit für die Kirche und den Tiſch des Herrn
in Anſpruch genommen, jetzt auch die der Feſtfreude und der
Amtstracht werden. Der Rath der Stadt Braunſchweig ſchrieb
ſie auf das Betreiben der Geiſtlichkeit auch den Frauen beim
Beſuch des Abendmahls vor, wo ſie denn allgemein bis auf den
heutigen Tag in Gebrauch geblieben ſind. Vorzüglich war es
wohl die reformirte Kirche, welche zur Verbreitung der ſchwarzen
Tracht in der Weltlichkeit das meiſte beitrug, doch muß man hin-
zufügen, daß ſie auch von dem ſpaniſchen Katholicismus und mit
perſönlicher Vorliebe von Philipp II. begünſtigt wurde. Da-
durch wurzelte ſie namentlich in den Niederlanden durch alle
Stände ſo tief ein, daß nicht einmal die nun folgende Periode
des Naturalismus, welche doch vor allem die dortige Kunſt um-
ſchuf, ſie verdrängen konnte. In Folge deſſen ſehen wir ſie auch
den Bildern des Rubens und ſeiner Schule, namentlich den Por-
traits, den Charakter der ruhigen, ernſten, ſelbſtbewußten Würde
aufdrücken; bei der Einfachheit der Farben, wodurch ſich die Nie-
derländer auszeichnen, iſt ſie hier von entſchieden maleriſcher
Wirkung. — In Frankreich und Italien lagen die Gründe zu
dieſer Geſchmacksänderung weniger vor, und daher behielt man
hier in höherem Grade helle und lebhafte Farben bei. Doch
dürfte es wohl als ein Zeichen für die Allgemeinheit der ernſte-
ren Richtung zu betrachten ſein, daß der König Heinrich III. von
Frankreich zuerſt bei der Trauer ſich nicht mehr der rothen Klei-
dung bediente wie ſeine Vorfahren, ſondern der ſchwarzen. Auch
an den deutſchen Höfen und beim höheren Adel folgte man bei
allen feſtlichen Gelegenheiten mehr der fremden fröhlicheren
Weiſe.

Trotz dieſer äußeren Ehrbarkeit war man jedoch keineswegs
gewillt, dem Luxus zu entſagen: was dem äußeren bunten
Scheine abging, erſetzte man durch die Koſtbarkeit des Stoffes

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[148/0160] III. Die Neuzeit. iſt es eigentlich nur die lichtbraune Pelzverbrämung, welche eini- ges Leben in die düſtere Farbenſtimmung bringt. Schwarz und Weiß ſind die Farben, welche dieſe Zeit auf ihrer Höhe charak- teriſiren, die Farben der Trauer und der Buße, welche, urſprüng- lich von der Geiſtlichkeit für die Kirche und den Tiſch des Herrn in Anſpruch genommen, jetzt auch die der Feſtfreude und der Amtstracht werden. Der Rath der Stadt Braunſchweig ſchrieb ſie auf das Betreiben der Geiſtlichkeit auch den Frauen beim Beſuch des Abendmahls vor, wo ſie denn allgemein bis auf den heutigen Tag in Gebrauch geblieben ſind. Vorzüglich war es wohl die reformirte Kirche, welche zur Verbreitung der ſchwarzen Tracht in der Weltlichkeit das meiſte beitrug, doch muß man hin- zufügen, daß ſie auch von dem ſpaniſchen Katholicismus und mit perſönlicher Vorliebe von Philipp II. begünſtigt wurde. Da- durch wurzelte ſie namentlich in den Niederlanden durch alle Stände ſo tief ein, daß nicht einmal die nun folgende Periode des Naturalismus, welche doch vor allem die dortige Kunſt um- ſchuf, ſie verdrängen konnte. In Folge deſſen ſehen wir ſie auch den Bildern des Rubens und ſeiner Schule, namentlich den Por- traits, den Charakter der ruhigen, ernſten, ſelbſtbewußten Würde aufdrücken; bei der Einfachheit der Farben, wodurch ſich die Nie- derländer auszeichnen, iſt ſie hier von entſchieden maleriſcher Wirkung. — In Frankreich und Italien lagen die Gründe zu dieſer Geſchmacksänderung weniger vor, und daher behielt man hier in höherem Grade helle und lebhafte Farben bei. Doch dürfte es wohl als ein Zeichen für die Allgemeinheit der ernſte- ren Richtung zu betrachten ſein, daß der König Heinrich III. von Frankreich zuerſt bei der Trauer ſich nicht mehr der rothen Klei- dung bediente wie ſeine Vorfahren, ſondern der ſchwarzen. Auch an den deutſchen Höfen und beim höheren Adel folgte man bei allen feſtlichen Gelegenheiten mehr der fremden fröhlicheren Weiſe. Trotz dieſer äußeren Ehrbarkeit war man jedoch keineswegs gewillt, dem Luxus zu entſagen: was dem äußeren bunten Scheine abging, erſetzte man durch die Koſtbarkeit des Stoffes

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/160>, abgerufen am 07.05.2024.