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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
nen Quartblattes befestigt findet. Es bestand aus einem Rah-
men, über den Seidenstoff oder auch Strohgeflecht ausgespannt
war. Der Seidenstoff zeigt sich oft kostbar und kunstreich bemalt
und um den Rand herum reich geschmückt. Die dritte Art ist die-
jenige, welche nachher die allein gebräuchliche wurde, der be-
kannte Faltenfächer, welcher im sechszehnten Jahrhundert schon
ganz die Gestalt wie im achtzehnten hatte: die beiden äußersten
deckenden Glieder von Holz oder Elfenbein waren oft geschnitzt und
die Seide oder das Papier, welche die inneren Rippen überzog, be-
malt oder in anderer Weise verziert. Da der ursprüngliche Zweck
des Fächers war, Kühlung zu verschaffen, so verdankt man seine
Entstehung den wärmeren Ländern, und es blieb für diese
Periode auch sein Gebrauch in Italien wenigstens ein ausge-
dehnterer als in Deutschland. Hier wurde der Fächer sehr häu-
fig durch ein frisches Blumenbouquet, welches an der Spitze
eines Stiels befestigt war, ersetzt.

Der Schleier, der vom Barett zurückgedrängt worden,
vermag sich, was Deutschland betrifft, auch für diesen Zeitraum
noch nicht zu einiger Bedeutung zu erheben, während in Italien
und Spanien Luft und Sonne ihn nie außer Gebrauch gesetzt
hatten. In diesen Ländern ist er, sei es von dünnerem oder dich-
terem Stoff, fast eine Nothwendigkeit, während die damals nach-
ahmenden Französinnen ihn mehr als Putzstück trugen. Als sol-
ches bedienten sich seiner auch wohl die deutschen Frauen zu dem
spanischen Hut, denn es werden erwähnt "Schleier, gelb und
klar, mit silbernen und güldenen Streiflein, mit hohlen Nähten",
oder sie folgten dem moralistischen Zuge der Reactionsperiode
und "vermümmelten sich."

Desgleichen war die Schleppe, welche eigentlich schon
von der Reformation außer Gebrauch gesetzt war, von der Tracht
des gewöhnlichen Lebens ganz ausgeschlossen. Nur hier und da
gehörte sie gleich dem langen aufgelöseten Haar und den von der
Schulter bis auf den Boden herabfallenden Aermeln zur hoch-
zeitlichen Tracht: Braut und Brautjungfern trugen sie, ließen

III. Die Neuzeit.
nen Quartblattes befeſtigt findet. Es beſtand aus einem Rah-
men, über den Seidenſtoff oder auch Strohgeflecht ausgeſpannt
war. Der Seidenſtoff zeigt ſich oft koſtbar und kunſtreich bemalt
und um den Rand herum reich geſchmückt. Die dritte Art iſt die-
jenige, welche nachher die allein gebräuchliche wurde, der be-
kannte Faltenfächer, welcher im ſechszehnten Jahrhundert ſchon
ganz die Geſtalt wie im achtzehnten hatte: die beiden äußerſten
deckenden Glieder von Holz oder Elfenbein waren oft geſchnitzt und
die Seide oder das Papier, welche die inneren Rippen überzog, be-
malt oder in anderer Weiſe verziert. Da der urſprüngliche Zweck
des Fächers war, Kühlung zu verſchaffen, ſo verdankt man ſeine
Entſtehung den wärmeren Ländern, und es blieb für dieſe
Periode auch ſein Gebrauch in Italien wenigſtens ein ausge-
dehnterer als in Deutſchland. Hier wurde der Fächer ſehr häu-
fig durch ein friſches Blumenbouquet, welches an der Spitze
eines Stiels befeſtigt war, erſetzt.

Der Schleier, der vom Barett zurückgedrängt worden,
vermag ſich, was Deutſchland betrifft, auch für dieſen Zeitraum
noch nicht zu einiger Bedeutung zu erheben, während in Italien
und Spanien Luft und Sonne ihn nie außer Gebrauch geſetzt
hatten. In dieſen Ländern iſt er, ſei es von dünnerem oder dich-
terem Stoff, faſt eine Nothwendigkeit, während die damals nach-
ahmenden Franzöſinnen ihn mehr als Putzſtück trugen. Als ſol-
ches bedienten ſich ſeiner auch wohl die deutſchen Frauen zu dem
ſpaniſchen Hut, denn es werden erwähnt „Schleier, gelb und
klar, mit ſilbernen und güldenen Streiflein, mit hohlen Nähten“,
oder ſie folgten dem moraliſtiſchen Zuge der Reactionsperiode
und „vermümmelten ſich.“

Desgleichen war die Schleppe, welche eigentlich ſchon
von der Reformation außer Gebrauch geſetzt war, von der Tracht
des gewöhnlichen Lebens ganz ausgeſchloſſen. Nur hier und da
gehörte ſie gleich dem langen aufgelöſeten Haar und den von der
Schulter bis auf den Boden herabfallenden Aermeln zur hoch-
zeitlichen Tracht: Braut und Brautjungfern trugen ſie, ließen

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[146/0158] III. Die Neuzeit. nen Quartblattes befeſtigt findet. Es beſtand aus einem Rah- men, über den Seidenſtoff oder auch Strohgeflecht ausgeſpannt war. Der Seidenſtoff zeigt ſich oft koſtbar und kunſtreich bemalt und um den Rand herum reich geſchmückt. Die dritte Art iſt die- jenige, welche nachher die allein gebräuchliche wurde, der be- kannte Faltenfächer, welcher im ſechszehnten Jahrhundert ſchon ganz die Geſtalt wie im achtzehnten hatte: die beiden äußerſten deckenden Glieder von Holz oder Elfenbein waren oft geſchnitzt und die Seide oder das Papier, welche die inneren Rippen überzog, be- malt oder in anderer Weiſe verziert. Da der urſprüngliche Zweck des Fächers war, Kühlung zu verſchaffen, ſo verdankt man ſeine Entſtehung den wärmeren Ländern, und es blieb für dieſe Periode auch ſein Gebrauch in Italien wenigſtens ein ausge- dehnterer als in Deutſchland. Hier wurde der Fächer ſehr häu- fig durch ein friſches Blumenbouquet, welches an der Spitze eines Stiels befeſtigt war, erſetzt. Der Schleier, der vom Barett zurückgedrängt worden, vermag ſich, was Deutſchland betrifft, auch für dieſen Zeitraum noch nicht zu einiger Bedeutung zu erheben, während in Italien und Spanien Luft und Sonne ihn nie außer Gebrauch geſetzt hatten. In dieſen Ländern iſt er, ſei es von dünnerem oder dich- terem Stoff, faſt eine Nothwendigkeit, während die damals nach- ahmenden Franzöſinnen ihn mehr als Putzſtück trugen. Als ſol- ches bedienten ſich ſeiner auch wohl die deutſchen Frauen zu dem ſpaniſchen Hut, denn es werden erwähnt „Schleier, gelb und klar, mit ſilbernen und güldenen Streiflein, mit hohlen Nähten“, oder ſie folgten dem moraliſtiſchen Zuge der Reactionsperiode und „vermümmelten ſich.“ Desgleichen war die Schleppe, welche eigentlich ſchon von der Reformation außer Gebrauch geſetzt war, von der Tracht des gewöhnlichen Lebens ganz ausgeſchloſſen. Nur hier und da gehörte ſie gleich dem langen aufgelöſeten Haar und den von der Schulter bis auf den Boden herabfallenden Aermeln zur hoch- zeitlichen Tracht: Braut und Brautjungfern trugen ſie, ließen

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/158>, abgerufen am 23.11.2024.