Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. der Kleidung angewandt, läßt sich dieser Kampf zurückführenauf den der Freiheit, Weite und Fülle gegen Enge und Be- schränkung: die Aufschlitzung und der ausgebauschte, luftig pludrige Stoff sahen sich den mit Werg und Pferdehaaren aus- gestopften Puffen und Polstern gegenüber, die Schaube stand dem Mantel entgegen, das Federbarett dem spanischen Hut und der Faltenwurf dem Reifrock. Vieles war es, was den fremden Formen den Boden be- Was an deutschen Höfen der fremden Weise mehr hinder- III. Die Neuzeit. der Kleidung angewandt, läßt ſich dieſer Kampf zurückführenauf den der Freiheit, Weite und Fülle gegen Enge und Be- ſchränkung: die Aufſchlitzung und der ausgebauſchte, luftig pludrige Stoff ſahen ſich den mit Werg und Pferdehaaren aus- geſtopften Puffen und Polſtern gegenüber, die Schaube ſtand dem Mantel entgegen, das Federbarett dem ſpaniſchen Hut und der Faltenwurf dem Reifrock. Vieles war es, was den fremden Formen den Boden be- Was an deutſchen Höfen der fremden Weiſe mehr hinder- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0124" n="112"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> der Kleidung angewandt, läßt ſich dieſer Kampf zurückführen<lb/> auf den der Freiheit, Weite und Fülle gegen Enge und Be-<lb/> ſchränkung: die Aufſchlitzung und der ausgebauſchte, luftig<lb/> pludrige Stoff ſahen ſich den mit Werg und Pferdehaaren aus-<lb/> geſtopften Puffen und Polſtern gegenüber, die Schaube ſtand<lb/> dem Mantel entgegen, das Federbarett dem ſpaniſchen Hut und<lb/> der Faltenwurf dem Reifrock.</p><lb/> <p>Vieles war es, was den fremden Formen den Boden be-<lb/> reitete und wirkſame Hülfe leiſtete. Einmal war die reforma-<lb/> toriſche Bewegung überhaupt auf dem Rückzuge begriffen, ſodaß<lb/> ſich der Widerſtand ſchwächte und die deutſchen Formen ſich von<lb/> ſelbſt den ſpaniſchen annäherten. Sodann wurde ihnen durch<lb/> das habsburgiſche Herrſcherhaus und die enge Verbindung deſ-<lb/> ſelben mit Spanien die Brücke zum Uebergang nach Deutſchland<lb/> gebaut. Bald waren ſie in Beſitz des kaiſerlichen Hofes, nach<lb/> dieſem der übrig gebliebenen katholiſchen Fürſtenhöfe, und von<lb/> hier aus wurden ſie tiefer dringend in den katholiſchen Ländern<lb/> ohne Widerſtand aufgenommen, ſodaß es faſt ſchien, als wolle<lb/> ſich auch die Trachtenwelt Deutſchlands nach dem Bekenntniß in<lb/> eine katholiſche und eine proteſtantiſche ſondern. Aber ſoweit kam<lb/> es nicht, da der Widerſtand, der ihnen proteſtantiſcherſeits ent-<lb/> gegengeſtellt wurde, ein zu geringer oder nur theilweiſer war.<lb/> Selbſt die dieſem Bekenntniſſe folgenden Fürſtenhöfe, ſo buch-<lb/> ſtäblich ſie es mit dem Glauben nahmen, fügten ſich doch gern<lb/> und bald der fremden Mode, weil die deutſche es durch ihre<lb/> Extravaganzen mit der feinen Sitte verdorben hatte. So fand<lb/> die Pluderhoſe grade an dieſen Fürſten die heftigſten Gegner.</p><lb/> <p>Was an deutſchen Höfen der fremden Weiſe mehr hinder-<lb/> lich als förderlich war, wenigſtens dem damit verbundenen über-<lb/> triebenen Luxus ſteuerte, war die größere Einfachheit, ein ge-<lb/> wiſſer bürgerlicher Familiengeiſt, den die Reformation wohlthä-<lb/> tig hervorgerufen hatte. Im ſchärfſten Contraſt zu dem, was<lb/> wir von der Kleiderpracht der ſpaniſchen und der engliſchen Eli-<lb/> ſabeth erzählt haben, ſteht das Folgende, was uns über die<lb/> Herzogin Dorothea von Preußen berichtet wird: „Auf die Leib-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0124]
III. Die Neuzeit.
der Kleidung angewandt, läßt ſich dieſer Kampf zurückführen
auf den der Freiheit, Weite und Fülle gegen Enge und Be-
ſchränkung: die Aufſchlitzung und der ausgebauſchte, luftig
pludrige Stoff ſahen ſich den mit Werg und Pferdehaaren aus-
geſtopften Puffen und Polſtern gegenüber, die Schaube ſtand
dem Mantel entgegen, das Federbarett dem ſpaniſchen Hut und
der Faltenwurf dem Reifrock.
Vieles war es, was den fremden Formen den Boden be-
reitete und wirkſame Hülfe leiſtete. Einmal war die reforma-
toriſche Bewegung überhaupt auf dem Rückzuge begriffen, ſodaß
ſich der Widerſtand ſchwächte und die deutſchen Formen ſich von
ſelbſt den ſpaniſchen annäherten. Sodann wurde ihnen durch
das habsburgiſche Herrſcherhaus und die enge Verbindung deſ-
ſelben mit Spanien die Brücke zum Uebergang nach Deutſchland
gebaut. Bald waren ſie in Beſitz des kaiſerlichen Hofes, nach
dieſem der übrig gebliebenen katholiſchen Fürſtenhöfe, und von
hier aus wurden ſie tiefer dringend in den katholiſchen Ländern
ohne Widerſtand aufgenommen, ſodaß es faſt ſchien, als wolle
ſich auch die Trachtenwelt Deutſchlands nach dem Bekenntniß in
eine katholiſche und eine proteſtantiſche ſondern. Aber ſoweit kam
es nicht, da der Widerſtand, der ihnen proteſtantiſcherſeits ent-
gegengeſtellt wurde, ein zu geringer oder nur theilweiſer war.
Selbſt die dieſem Bekenntniſſe folgenden Fürſtenhöfe, ſo buch-
ſtäblich ſie es mit dem Glauben nahmen, fügten ſich doch gern
und bald der fremden Mode, weil die deutſche es durch ihre
Extravaganzen mit der feinen Sitte verdorben hatte. So fand
die Pluderhoſe grade an dieſen Fürſten die heftigſten Gegner.
Was an deutſchen Höfen der fremden Weiſe mehr hinder-
lich als förderlich war, wenigſtens dem damit verbundenen über-
triebenen Luxus ſteuerte, war die größere Einfachheit, ein ge-
wiſſer bürgerlicher Familiengeiſt, den die Reformation wohlthä-
tig hervorgerufen hatte. Im ſchärfſten Contraſt zu dem, was
wir von der Kleiderpracht der ſpaniſchen und der engliſchen Eli-
ſabeth erzählt haben, ſteht das Folgende, was uns über die
Herzogin Dorothea von Preußen berichtet wird: „Auf die Leib-
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